Schiedsrichterin Christina Biehl

Ex-Schiedsrichterin Christina Biehl im Interview

Warum die Hunsrückerin den Frauenfußball auf einem gutem Weg sieht

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Sebastian Grauer
Foto von Sebastian Gauer, Redakteur bei SWR Aktuell im Regionalbüro Traben-Trarbach

Ex-Profischiedsrichterin Christina Biehl aus dem Kreis Birkenfeld sieht den Frauenfußball zur WM auf einem guten Weg. Dennoch gebe es noch große Unterschiede zu den Männern.

Christina Biehl hat 2001 ihre Schiedsrichterprüfung abgelegt. 2004 wurde sie DFB Schiedsrichterin. Zu ihren Karriere-Highlights zählen, wie sie selbst sagt, der Einsatz beim Champions-League-Finale der Frauen 2017 in Cardiff, Einsätze bei der Frauen-Europameisterschaft 2017 in den Niederlanden sowie der U-20-Weltmeisterschaft in Deutschland 2010. Dazu kommen zahlreiche Einsätze in der Fußball-Bundesliga der Frauen.

Christina Biehl schrieb zudem am 6. November 2021 zusammen mit ihren Kolleginnen Riem Hussein und Katrin Rafalski Fußballgeschichte. Sie war Teil des ersten rein weiblichen Trios, das ein Spiel im deutschen Männer-Profifußball leitete.

Vergangenes Jahr im Mai hat Biehl ihre Karriere aus beruflichen Gründen beendet, verfolgt aber weiter interessiert den Frauenfußball und natürlich die derzeit laufende Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Australien und Neuseeland. Wir haben mit ihr unter anderem über die Unterschiede im Frauenfußball gegenüber den Männern gesprochen und darüber, was sich ändern müsste und was sich bereits geändert hat.

SWR Aktuell: Sie haben mehr als 20 Jahre aktiv Spiele geleitet und als Linienrichterin assistiert. Wenn Sie die Spiele der Fußball Weltmeisterschaft der Frauen im Fernsehen jetzt ansehen, wären Sie gerne dabei?

Christina Biehl: Ich schaue sehr gerne Länderspiele. Vor allem die der Frauen. Man kennt sich untereinander, viele Nationalspielerinnen hatte ich wöchentlich im Spielbetrieb über Jahre kennengelernt, weil wir auch neben dem Sportplatz miteinander geredet haben. Das Zugucken der WM macht mir großen Spaß. Ich bin null wehmütig, nicht dabei zu sein, weil es für mich im vergangenen Jahr ein Karriereende ohne Verletzung oder Zwang war.

SWR Aktuell: Haben Sie eine Lieblingsspielerin?

Christina Biehl: Wenn ich eine Lieblingsspielerin in der Nationalelf benennen soll, ist das Svenja Huth. Svenja kenne ich schon seit vielen Jahren - wir sind zusammen groß geworden. Wir sind auch neben dem Sportplatz immer im netten Gespräch auseinandergegangen, über Jahre, das prägt einen. Ich schätze sie auch wegen ihrer Bodenständigkeit, trotz ihres Erfolgs.

SWR Aktuell: Wie wichtig ist die WM jetzt in Australien und Neuseeland für den Sport?

Chritstina Biehl: Eine WM hat den größten Stellenwert im Sport, bei den Sportlern als auch bei den Zuschauern. Eine Weltmeisterschaft in einer Sportart ist das Größte. Sich daran zu beteiligen, aktiv zu sein oder einfach nur zuzuschauen. Dass die Spiele im Fernsehen gezeigt werden, ist unverzichtbar. Die jetzige WM zeigt volle Stadien, Fußballspiele auf höchstem Niveau und gibt auch darüber hinaus Stimmungsbilder und Eindrücke von allen Teams und beteiligten Kulturen. Der Frauenfußball profitiert von dieser großartigen Entwicklung.

SWR Aktuell: Wie sehen Sie die Entwicklung im Frauenfußball im Allgemeinen?

Christina Biehl: Die Strukturen wachsen, sind aber immer noch nicht dem Profi-Bereich der Männer gleichzusetzen. Viele Spielerinnen sind keine Profis, müssen noch nebenbei arbeiten. In den Topteams ist das natürlich anders. Dennoch sollte es für alle in dem Bereich ein gewisses Grundgehalt geben.

Die Schiedsrichterinnen sind alle berufstätig. Das ist schon eine große Herausforderung, vor allem für die, die im Profifußball eingesetzt werden. Das ist Profisport! Da muss man dann vor oder nach der Arbeit trainieren - und auch die Theorie kostet viel Zeit.

"Alles wächst, ist aber nicht gleichzusetzen mit dem Profibereich der Herren."

Dennoch würde ich, zurückblickend auf die letzten 20 Jahre, dem Frauenfußball eine positive Entwicklung zusprechen. Die Zuschauerzahlen sind gewachsen, das Gehalt und die mediale Aufmerksamkeit auch. Alles wächst, ist aber nicht gleichzusetzen mit dem Profibereich der Herren.

SWR Aktuell: Was finden Sie hat sich konkret verbessert?

Christina Biehl: Wie gesagt, das mediale Interesse hat sich verbessert. Viele Spiele der Frauenbundesliga kommen live im TV. Die Zuschauerzahl wächst, auch die Topspiele sind gut nachgefragt. Das war vor allem dem erfolgreichen Abschneiden der Frauen-Nationalmannschaft bei der letzten EM zu verdanken.

SWR Aktuell: Wo gibt es noch Nachholbedarf?

Christina Biehl: Was nicht gut ist, ist, dass es einen zu hohen Qualitätsunterschied in der Frauenbundesliga gibt. Wenn ein Spiel 8:0 ausgeht und live im TV ausgestrahlt wird, ist das für die Teams und auch für die Frauenbundesliga keine Werbung. 

Die Qualitätsunterschiede sind hier enorm, besonders zwischen der 1. und 2. Frauenbundesliga. Die meisten Teams steigen auf und wieder ab - in der 2. Frauenbundesliga sind die Strukturen zur Professionalität nicht da. Es muss meiner Meinung nach unter anderem die Nachwuchsarbeit fokussiert und verbessert werden, damit mehr Talente entdeckt und gefördert werden. Dadurch könnten die Teams im Allgemeinen stärker werden und die gravierenden Qualitätsunterschiede verschwinden.

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