Der Filmemacher Edgar Reitz aus Morbach im Hunsrück (Foto: dpa Bildfunk, Harald Tittel)

Zum 90. Geburtstag von Edgar Reitz

Edgar Reitz und der Hunsrück: Eine Spurensuche im "Heimat-Land"

Stand
AUTOR/IN
Lara Bousch
Lara Bousch ist Reporterin im SWR Studio Trier (Foto: SWR)

Edgar Reitz hat den Hunsrück mit seiner Heimat-Filmreihe in der Welt bekannt gemacht. Eine Erkundungsreise zum 90. Geburtstag des Filmemachers zwischen Simmern und Morbach.

Wer den Namen von Edgar Reitz im Hunsrück fallen lässt, bekommt von den Menschen viele Geschichten und Erlebnisse erzählt. Einige Hunsrücker haben die Dreharbeiten zu der Heimat-Filmreihe hautnah miterlebt.

Andere kennen noch Geschichten aus Edgar Reitz' Kindheit in Morbach und wieder andere bemühen sich darum, das Erbe von Edgar Reitz zu bewahren und neu zu präsentieren.

Gehlweiler wurde zur Filmkulisse

Erste Station der Spurensuche ist Gehlweiler im Rhein-Hunsrück-Kreis. In dem 200-Einwohner-Ort hat Edgar Reitz 2012 seinen Kinofilm "Die andere Heimat" gedreht und die Bewohner des Dorfes nachhaltig mit seinen aufwendigen Filmkulissen geprägt.

Schautafeln, die überall im Dorf verteilt sind, zeigen, wie das Dorf während der Dreharbeiten ausgesehen hat. Die aus mehreren Heimat-Staffeln bekannte Schmiede der Familie Simon trägt noch immer ein Schild mit der Aufschrift "Simons Schmiede". Wer ein bisschen Glück hat, läuft Heribert Dämgen über den Weg. Er ist sozusagen ein wandelndes Edgar-Reitz-Lexikon.

So sieht die Schmiede, die in Edgar Reitz' Filmen von Familie Simon bewohnt wird, heute aus (Foto: SWR, Lara Bousch)
So sieht die Schmiede, die in Edgar Reitz' Filmen von Familie Simon bewohnt wird, heute aus. Bild in Detailansicht öffnen
An vielen Stellen in Gehlweiler finden Besucher Schautafeln, auf denen man sieht, wie das Dorf als Filmkulisse aussah (Foto: SWR, Lara Bousch)
An vielen Stellen in Gehlweiler finden Besucher Schautafeln, auf denen man sieht, wie das Dorf als Filmkulisse aussah. Bild in Detailansicht öffnen
Die Menschen in Gehlweiler wohnten während der Dreharbeiten monatelang mitten in einer Filmkulisse (Foto: SWR, Lara Bousch)
Die Menschen in Gehlweiler wohnten während der Dreharbeiten monatelang mitten in einer Filmkulisse. Bild in Detailansicht öffnen
Heribert Dämgen ist Vorsitzender des "Vereins der Schabbacher Kultur und Heimatfreunde." Ihm gehört das Haus, das vielen Heimat-Filmen als Kulisse gedient hat (Foto: SWR, Lara Bousch)
Heribert Dämgen ist Vorsitzender des "Vereins der Schabbacher Kultur und Heimatfreunde." Ihm gehört das Haus, das vielen Heimat-Filmen als Kulisse gedient hat. Bild in Detailansicht öffnen
Dämgen zeigt uns ein Buch, das er von einem brasilianischen Schriftsteller bekommen hat (Foto: SWR, Lara Bousch)
Dämgen zeigt uns ein Buch, das er von einem brasilianischen Schriftsteller bekommen hat. Es handelt über eine Kolonie von Hunsrücker Auswanderern in Brasilien. In den letzten Jahren seien viele Nachfahren von Hunsrücker Auswanderern aus Brasilien nach Gehlweiler gekommen, sagt Dämgen. Sie suchten Spuren ihrer Ahnen, die im Hunsrück gelebt haben, bevor sie ausgewandert sind, so wie es der Kinofilm von Edgar Reitz "Die andere Heimat" schildert. Bild in Detailansicht öffnen
Heribert Dämgen zeigt eine Kulisse, die ein Bewohner von Gehlweiler aufbewahrt hat, weil sie ihn an die Zeiten, in denen in Gehweiler gedreht wurde, erinnert (Foto: SWR, Lara Bousch)
Heribert Dämgen zeigt eine Kulisse, die ein Bewohner von Gehlweiler aufbewahrt hat, weil sie ihn an die Zeiten, in denen in Gehweiler gedreht wurde, erinnert. Bild in Detailansicht öffnen

Hunsrücker denken gern an "Heimat"-Dreharbeiten zurück

Dämgen ist Vorsitzender des Vereins der Schabbacher Kultur- und Heimatfreunde. Seine Augen fangen an zu leuchten, wenn er erzählt, wie es damals war, als Edgar Reitz vor seiner Haustür in Gehlweiler gedreht hat.

"Der Edgar hat für die Hunsrücker und für die Gehlweiler so viel getan - das ist mit Geld nicht zu bezahlen", schwärmt er. "Er ist ein wunderbarer Mensch. Was er macht, das macht er auch, da gibt es kein Wenn und Aber."

Dämgen erinnert sich, dass die Menschen in Gehlweiler den Filmdreh anfangs eher skeptisch gesehen haben. So etwas hätten sie hier noch nie erlebt. Doch dann sei die ganze Filmcrew auf die Menschen zugegangen. "Wir waren gleich mit allen per Du. Die waren ein Teil von uns und wenn nicht gedreht wurde, haben die Schauspieler bei uns in der Küche gewartet, bis wieder gedreht wurde."

"Wenn die Kinder aus der Schule kamen, wurden die Dreharbeiten vor dem Haus erstmal kurz angehalten, damit die Kinder ins Haus konnten."

Plaudern aus dem Nähkästchen im Café Heimat in Morbach

In Morbach, dem Geburtsort von Edgar Reitz, braucht man nicht lange nach Spuren des Filmemachers zu suchen. In seinem ehemaligen Elternhaus sind heute das Heimat-Café und das Heimat-Kino untergebracht.

Dort begegnen sich Touristen und Einheimische, die sich für Edgar Reitz' Werke interessieren. Der Betreiber des Cafés, Alfons Schramer, kennt diese Menschen und unterhält sich gerne mit ihnen über die "Heimat-Filme" bei einer Tasse Kaffee.

Im Elternhaus von Edgar Reitz befindet sich heute das Café und das Kino-Heimat. Das Café ist ein Begegnungsort und das wohl kleinste Kino in Rheinland-Pfalz (Foto: SWR, Lara Bousch)
Im Elternhaus von Edgar Reitz befindet sich heute das Café und das Kino-Heimat. Das Café ist ein Begegnungsort und das wohl kleinste Kino in Rheinland-Pfalz. Bild in Detailansicht öffnen
Im Heimat-Kino sitzen Morbacher und erinnern sich an Anekdoten von früher. Sie reden über Edgar Reitz und seine Filme. Von links nach rechts: Anita Kneppel, Berthold Staudt, Henriette Nehren, Alfons Schramer, Ralf Becker (Foto: SWR, Lara Bousch)
Im Heimat-Kino sitzen Morbacher und erinnern sich an Anekdoten von früher. Sie reden über Edgar Reitz und seine Filme. Von links nach rechts: Anita Kneppel, Berthold Staudt, Henriette Nehren, Alfons Schramer, Ralf Becker. Bild in Detailansicht öffnen
Henriette Nehren hat über viele Jahre alte Bilder gesammelt und den Bildband "Land und Leute aus Morbach und Umgebung" veröffentlicht. Darunter auch ein Bild von Edgar Reitz an seinem 1. Schultag (Foto: SWR, Lara Bousch)
Henriette Nehren hat über viele Jahre alte Bilder gesammelt und den Bildband "Land und Leute aus Morbach und Umgebung" veröffentlicht. Darunter auch ein Bild von Edgar Reitz an seinem 1. Schultag. Bild in Detailansicht öffnen
Auf dem Bild sieht man Edgar Reitz, wie er dem Fotografen die Zunge rausstreckt. Es soll sein 1. Schultag gewesen sein. Daneben seine Mutter Maria und seine Schwester Heli. Auf dem Bild in der Mitte sieht man den Bruder Guido Reitz. Ganz rechts ist der Vater von Edgar Reitz, Robert Reitz, vor seinem Uhrmacher-Laden zu sehen (Foto: SWR, Lara Bousch)
Auf dem Bild sieht man Edgar Reitz, wie er dem Fotografen die Zunge rausstreckt. Es soll sein 1. Schultag gewesen sein. Daneben seine Mutter Maria und seine Schwester Heli. Auf dem Bild in der Mitte sieht man den Bruder Guido Reitz. Ganz rechts ist der Vater von Edgar Reitz, Robert Reitz, vor seinem Uhrmacher-Laden zu sehen. Bild in Detailansicht öffnen

Der junge Edgar Reitz fuhr mit dem Fahrrad Fleisch aus

Die 85-jährige Anita Kneppel hat als Kind mit Heli, der Schwester von Edgar Reitz, gespielt. Später hat sie in die Metzgerfamilie von Morbach eingeheiratet, deren Laden auch heute noch direkt neben dem früheren Haus der Familie Reitz ist.

Die ehemalige Metzgersfrau erzählt mit einem Lachen im Gesicht, wie Edgar Reitz als Junge Fleisch der Metzgerei an Gaststätten in der Umgebung mit dem Fahrrad ausgeliefert hat. "Der Weg war zu steinig oder er hat nicht aufgepasst, auf jeden Fall ist er samt Fleisch vom Rad gefallen."

Edgar Reitz hat seine Heimat nicht vergessen

Berthold Staudt lebt seit 30 Jahren in Morbach und hat an der Morbacher Chronik mitgearbeitet. "Was den Morbachern auffällt, sind die Figuren in den Filmen von Edgar Reitz. Das sind Leute hier aus Morbach."

Er ist der Meinung, dass Edgar Reitz Morbach nach seinem Studium eher sehr reserviert begegnete. Er habe erst nach Morbach zurückgefunden, nachdem seine Geschwister gestorben seien. Berthold Staudt denkt, dass es kein Zufall ist, dass Reitz seine Biografie kürzlich schrieb, das habe mit dem Alter zu tun. Jeder von uns habe den Drang, wenn er älter wird, sich an früher zu erinnern, an die erste Heimat, sagt Staudt.

"Edgar Reitz hat seine Heimat nicht vergessen, sonst hätte er die Filme nicht gemacht."

Edgar-Reitz-Filmhaus nimmt "Heimat-Filme" mit in die Zukunft

In Simmern, wo Edgar Reitz zur Schule ging und er Ehrenbürger ist, finden jährlich die "Heimat Europa Filmfestspiele" statt, bei denen der "Edgar" für den besten Heimatfilm verliehen wird.

In Simmern sollen sich die Menschen auch in Zukunft mit Edgar Reitz und der Kunst des Filmemachens beschäftigen. Dafür setzt sich Kristina Müller-Bongard als Leiterin des neuen Edgar-Reitz-Filmhauses ein, welches am 20. November eröffnet werden soll.

Direkt neben dem Fruchtmarkt in Simmern liegt das Edgar-Reitz-Filmhaus. Dafür hat die Stadt Simmern das Ziegelmayer-Haus gekauft und saniert. Es ist eines der ältesten Häuser in Simmern (Foto: SWR, Lara Bousch)
Direkt neben dem Fruchtmarkt in Simmern liegt das Edgar-Reitz-Filmhaus. Dafür hat die Stadt Simmern das Ziegelmayer-Haus gekauft und saniert. Es ist eines der ältesten Häuser in Simmern. Bild in Detailansicht öffnen
Kristina Müller-Bongard leitet das Edgar-Reitz-Filmhaus. Ihr ist es wichtig, dass das Filmhaus kein "Mausoleum" werden soll, sondern ein lebendiger Kulturort (Foto: SWR, Lara Bousch)
Kristina Müller-Bongard leitet das Edgar-Reitz-Filmhaus. Ihr ist es wichtig, dass das Filmhaus kein "Mausoleum" werden soll, sondern ein lebendiger Kulturort. Bild in Detailansicht öffnen
Ausgestellt werden unter anderem die Lenin-Statue aus dem Film "Heimat 3" und das Kriegerdenkmal aus dem Film "Heimat 1". Auch der berühmte Regiestuhl von Edgar Reitz und das Schabbacher Ortsschild werden mit dabei sein (Foto: SWR, Lara Bousch)
Ausgestellt werden unter anderem die Lenin-Statue aus dem Film "Heimat 3" und das Kriegerdenkmal aus dem Film "Heimat 1". Auch der berühmte Regiestuhl von Edgar Reitz und das Schabbacher Ortsschild werden mit dabei sein. Bild in Detailansicht öffnen
Im Fimhaus sollen in Zukunft auch Workshops mit Schulen stattfinden, um die Ideen von Edgar Reitz auch an junge Generationen zu vermitteln. Die 2. Etage soll deshalb als Begegnungsraum gestaltet werden (Foto: SWR, Lara Bousch)
Im Filmhaus sollen in Zukunft auch Workshops mit Schulen stattfinden, um die Ideen von Edgar Reitz auch an junge Generationen zu vermitteln. Die 2. Etage soll deshalb als Begegnungsraum gestaltet werden. Bild in Detailansicht öffnen

Ausstellung zu Hunsrück-Auswanderern in Simmern

Die Sammlung an Requisiten aus der "Heimat-Saga" soll damit endlich einen eigenen Standort bekommen und aus dem Hunsrück-Museum ausgegliedert werden.

Im alten Ziegelmayer-Haus will Müller-Bongard die Diskussion um den Begriff "Heimat", den Reitz mit seinen Filmen stark geprägt hat, weiter leben lassen. Eine große Ausstellung ist bereits geplant, so Müller-Bongert. Edgar Reitz wird die Schirmherrschaft für eine Ausstellung im Jahr 2024 zum Thema "Auswanderung nach Brasilien" übernehmen.

Zeitgenossen Edgar Reitz „Ich habe mich als Pionier gefühlt“

Edgar Reitz sagte mal, dass die Wiederbegegnung mit seiner Heimatlandschaft Hunsrück sein Interesse am Geschichtenerzählen erst so richtig geweckt habe. Seine Jahrhundertchronik über das Hunsrückdorf Schabbach hat Filmgeschichte geschrieben.

SWR2 Zeitgenossen SWR2

Begründer des neuen Heimatfilms Edgar Reitz - Filmemacher, Preisträger und Namensgeber

Edgar Reitz, Regisseur aus dem Hunsrück, ist Namensgeber des Filmpreises bei den Heimat Europa Festspielen Simmern. Jetzt hat der Filmemacher die Ehren-Lola beim Deutschen Filmpreis erhalten.

Landesschau Rheinland-Pfalz SWR Fernsehen RP