Im Esszimmer der Wohngemeinschaft in Trier-Heiligkreuz herrscht Trubel: die Butter fehlt noch auf dem Tisch, aus dem Stimmengewirr heraus will jemand wissen, wer Wasser trinken möchte und wer lieber was anderes, dann klingelt auch noch das Telefon. Es ist 18 Uhr, durch die geöffneten Fenster schallt das Läuten der nahegelegenen Kirchenglocken herein - Zeit fürs Abendessen. Ein ganz normaler Abend in einer besonderen WG.
Inklusive Wohngemeinschaft für ein selbständigeres Leben
Denn in der Wohngemeinschaft "SMiLe" der Lebenshilfe Trier leben sechs Menschen mit geistiger Beeinträchtigung gemeinsam unter einem Dach mit drei Auszubildenden oder Studierenden der Trierer Hochschulen. "SMiLE" steht für "Selbstständig Miteinander Leben". Die Bewohnerinnen und Bewohner sollen im Alltag voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen. Die Studierenden übernehmen dabei eine wichtige Vorbildfunktion, so Maria Milz, Leiterin des Betreuer-Teams bei der Lebenshilfe. Ein bewährtes Konzept, denn immerhin gibt es die WG schon seit 11 Jahren.
Christian Gessen ist von Beginn an dabei. Er hatte sich ein selbstständigeres Leben gewünscht, um trotz seiner Beeinträchtigung auf eigenen Beinen stehen zu können. "Ich wollte einfach mal für mich sein und meine Eltern sollten auch Zeit für sich haben", erzählt der junge Mann aus Grevenmacher über seine Motivation, in die WG zu ziehen. Bereut hat er es bis heute nicht: "Ich bin glücklich hier."
Eine Gemeinschaft - wie jede andere WG auch
Natürlich könne es auch schon mal anstrengend sein mit so vielen Leuten zusammen zu wohnen. "Meistens ist es hier ziemlich laut und dann muss ich mich ab und zu mal in mein Zimmer zurück ziehen, weil mir das sonst zu viel wird. Dann bin ich gestresst", meint Gessen und spiegelt damit wieder, was in vielen Wohngemeinschaften ganz normaler Alltag ist: Manchmal geht man sich eben auf die Nerven. Trotzdem ist schnell klar, die Bewohnerinnen und Bewohner der WG sind eine eingeschworene Gemeinschaft. Die neueste im Bunde ist Anne Wiemers.
Wohnraum für Studierende, Selbstständigkeit für die beeinträchtigten Menschen
Die 23-jährige Psychologie-Studentin kommt eigentlich aus der Nähe von Koblenz, ihr Studium hat sie jedoch nach Trier verschlagen. Sie wohnt erst seit ein paar Wochen in der WG und lebt sich noch ein. "Ich habe die Suchanzeige per Zufall gefunden und fand, dass sich das Konzept sehr spannend anhörte", erzählt sie. Sie könne sich vorstellen, später auch beruflich mit Menschen mit Beeinträchtigungen zu arbeiten.
Die Bewohnerinnen und Bewohner hier seien auf ihre eigene Art besonders, findet Wiemers. Sie hat bereits WG-Vorerfahrung, aber noch nie in einer inklusiven Wohngemeinschaft gelebt. "Alle Menschen sind individuell und ich denke, das kann man in dieser WG mehr als anderswo erfahren." Dabei komme es nicht darauf an, den Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern mit Beeinträchtigung alle Aufgaben abzunehmen.
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"Vieles können sie auch ganz alleine lösen", meint Wiemers. Es gehe einfach darum, Zeit miteinander zu verbringen. So hätte die WG erst vor ein paar Tagen abends zusammen einen Film geschaut, eine romantische Komödie aus den 90er-Jahren mit Julia Roberts. Auch Spielekonsolen stehen in der Wohngemeinschaft hoch im Kurs.
Gemeinsam verbrachte Zeit schafft neue Chancen
Christian Gessen spielt am liebsten Mario Kart. Nach elf Jahren WG-Leben hat er schon viele tolle Erfahrungen gemacht, doch eine sticht heraus. "Eine Mitbewohnerin hatte mal ihren Vater zu Besuch und er hat nur Englisch gesprochen. Und da konnte ich dann selbst auch ein bisschen diese Sprache lernen und Englisch sprechen", erzählt er stolz.
Auch darum gehe es beim Konzept der inklusiven WG: Begegnungen und Chancen für Menschen mit Beeinträchtigungen zu schaffen, die für Andere ganz selbstverständlich sind. Das schafft Zusammenhalt, findet Maria Milz. Sie arbeitet auch Anne Wiemers in den nächsten Wochen in ihre Aufgaben in der WG ein. Natürlich könnte sich Wiemers auch einen Job außerhalb der WG suchen, aber das will sie gar nicht, denn: