Tatiana kommt aus der Hafenstadt Cherson in der Ukraine. 2.349 Kilometer von ihrer Heimatstadt entfernt sitzt sie nun vor der Sporthalle in Mainz-Drais. An zwei Tischen hat sich eine Gruppe von Ukrainerinnen zusammengefunden, in der Abendsonne sprechen sie darüber, welche Behördengänge morgen für sie anstehen.
Tatiana ist seit zwei Wochen hier in der Notunterkunft. Ihre Flucht aus dem Krieg dauerte mehrere Tage, am Ende kam sie mit dem Bus in Mainz an. "Es ist schön hier", sagt sie und lächelt, "alles ist sauber, das Essen ist sehr gut, die Betreuer hier in der Halle sind sehr nett." Die 55-Jährige schläft auf einem der vielen Stockbetten, die in der Halle aufgebaut sind, unter dem Basketballkorb.
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Notunterkunft als Übergangslösung
Behrouz Asadi, Leiter der Flüchtlingshilfe der Malteser in Mainz, koordiniert die Unterbringung der Geflüchteten in den Gemeinschafts- und Notunterkünften. Er hat rund um die Uhr zu tun.
"Bei mir klingelt manchmal nachts das Telefon. Flüchtlinge, die am Bahnhof ankommen, wenden sich an die Bundespolizei, und die ruft dann mich an." Sein Team bringe die Hilfesuchenden so schnell wie möglich in eine Unterkunft, denn: "Keiner darf auf der Straße bleiben", das ist Asadis Grundsatz.
Draiser Sport-Verein wünscht sich Alternative
Kritik kommt vom Vorsitzenden des Sportvereins in Drais, Dirk Lorenz: "Das ist eine ziemliche Katastrophe für den Verein”, sagt er. Er fürchtet, dass Mitglieder den Verein verlassen könnten, wenn die Halle noch länger mit Geflüchteten belegt sei. Denn viele Sportarten könnten nur in der Halle ausgeübt werden, Tischtennis oder Turnen beispielsweise.
Lorenz betont, der Verein sei solidarisch mit den Menschen, die vor dem Krieg flüchten mussten, aber: “Solidarität ist keine Einbahnstraße." Lorenz wünscht sich, dass die Stadt Mainz auch andere Sporthallen als Notunterkünfte einsetzt. Zwar habe die Stadt Ausweichmöglichkeiten zum Trainieren angeboten, doch die seien nicht praktikabel.
Weitere Turnhallen werden eingerichtet
Stadtsprecherin Sarah Heil erläutert: “Die Stadt richtet gerade die Halle in Mainz-Laubenheim für Geflüchtete ein, als zusätzliche Unterbringung.” Die Halle in Mombach sei bereits vorbereitet und bleibe auf “stand by”, so die Stadtsprecherin. Insgesamt rechne man damit, dass noch mehr Geflüchtete nach Mainz kommen.
Grundsätzlich seien die Turnhallen aber als “temporäre” Lösungen gedacht. Das Sportamt sei mit dem Vorstand der TSG Drais seit Mai in Kontakt und man habe dem Verein schon andere Sporthallen für das Training angeboten.
Tatiana aus Cherson hofft, dass sie die Turnhalle in Mainz-Drais bald verlassen kann – und in eine Wohnung oder zumindest eine Gemeinschaftsunterkunft umziehen kann. “Das wünscht sich jeder hier”, sagt sie.
Sie sei unendlich dankbar für die Hilfe, die sie in Mainz bekomme. Und doch hat sie für ihre Zukunft nur einen Wunsch: “Wir wollen nach Hause in die Ukraine, alle.”