"Skischuhe, Beleuchtung, Kreuzschlitzschraubenzieher" - noch müht sich Abdelilah Feteh mit deutschen Fachbegriffen, aber er will sie so schnell wie möglich lernen. Der 23-Jährige ist Mitte Dezember aus Casablanca in Marokko nach Mainz gekommen, um hier eine Ausbildung zu machen.
In seiner Heimat hatte er bereits eine kaufmännische Ausbildung absolviert, die sei aber nur theoretisch gewesen, wie er erzählt. Seit Jahren sei es sein Traum, in Deutschland zu leben und vor allem die Fremdsprache zu lernen. Als er erfuhr, dass hier dringend Azubis gesucht werden, lernte er in einem achtmonatigen Intensivkurs Deutsch und suchte nach Stellen.
Keine Bewerbungen aus Deutschland
Das Sportgeschäft "Wildwechsel" bildet regelmäßig für den Einzelhandel aus. Doch im vergangenen Jahr fand sich niemand, der dort eine Ausbildung machen wollte. Sigrun Gindorff und ihre Kollegen suchten vergeblich in Mainz und Umgebung per Anzeige, über die Arbeitsagentur, auf einer Jobmesse.
Sie hätten sich schon fast damit abgefunden, dass sie in diesem Jahr niemanden bekommen würden, doch dann habe sich Abdelilah gemeldet. Und er konnte in Videogesprächen direkt überzeugen, wie Gindorff erzählt: "Er war in den Meetings so offen und so enthusiastisch, dass wir dachten, das ist ein guter Schritt."
Viel Bürokratie fürs Ausbildungsvisum
Bis Abdelilah dann aber tatsächlich in Mainz seine Ausbildung anfangen konnte, mussten etliche bürokratische Hürden überwunden werden. Er musste Nachweise über seine Schulbildung und seine Sprachkenntnisse bringen, ein spezielles Konto einrichten und viele Dokumente ausfüllen. Auch das Sportgeschäft musste viel Papierkram erledigen. Bis alles geprüft und bearbeitet war, dauerte es mehrere Monate.
Am Ende klappte es dann aber mit dem Ausbildungsvisum. Jetzt kann der junge Marokkaner drei Jahre in Deutschland bleiben. Im "Wildwechsel" sind sie froh über den Azubi-Zuwachs. Abdelilah sei hoch motiviert, sagt Sigrun Gindorff. "Ich glaube, dass der Schritt, der gemacht wird von den ausländischen Mitarbeitern, ein so großer ist, dass sie schon sehr genau überlegen, ob sie das wirklich machen und die Chance hier deutlich mehr schätzen können."
Kulturschock, Kälte und Ladenöffnungszeiten
Für Abdelilah war der Umzug nach Deutschland auch mit einigen Überraschungen verbunden. Dass es in Deutschland kälter ist als in Marokko, wusste er. Aber die Handschuhe, die er mitgebracht hatte, waren Anfang Dezember für minus 8 Grad dann doch viel zu dünn.
Und als er nach seiner Ankunft an einem Samstagabend am nächsten Morgen Lebensmittel einkaufen wollte, stand er vor verschlossenen Türen. Daran habe er sich aber schon gewöhnt. So wie ans Glockengeläut vom Mainzer Dom. Ganz in der Nähe wohnt er und meint lachend, dass man da gar keinen Wecker stellen müsse.
Stolze Eltern in Marokko
Seine Familie in Casablanca sei sehr stolz auf ihn, erzählt Abdelilah. Es sei ein großer Schritt, alleine nach Deutschland zu gehen und hier zu arbeiten. Gleichzeitig seien sie natürlich traurig, dass er so weit weg ist. Und auch er vermisse sie sehr. Aber mit WhatsApp und Videoanrufen könne er im Kontakt bleiben.
Sein großes Ziel: "Ich möchte zuerst meine Ausbildung mit guten Bewertungen absolvieren. Und dann kann ich einfach arbeiten." Damit das klappt, paukt er jetzt weiter deutsche Fachbegriffe: von der Nabenschaltung über die Satteldruckmessung bis zum Kettenöl.