Priesteranwärter des Erzbistums Freiburg liegen am Sonntag (09.05.2010) während ihrer Weihe zum Priester als Zeichen der Demut bäuchlings auf einem roten Teppich im Freiburger Münster. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / dpa | Rolf Haid)

Katholische Kirche in der Krise

Immer weniger Nachwuchs-Priester - ein Besuch beim Priesterseminar in Mainz

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Finn Jakob Müller

Missbrauchsfälle, Rekordzahlen bei den Kirchenaustritten – die katholische Kirche ist in der Krise. Was motiviert junge Menschen trotzdem, heute noch Priester zu werden? Ein Priesteramtskandidat des Mainzer Bistums gibt einen Einblick.

Für Joseph Möller hätte vieles anders laufen können. Der 28-jährige hatte eigentlich Medizin studiert. Doch auch der Glaube habe in seinem Leben schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Nach dem Studium sei er deshalb einige Zeit in ein Kloster gegangen, um sich zu orientieren. Dort traf er schließlich die Entscheidung: Ich will Priester werden.

Seit Jahren weniger Bewerber für das Priesteramt

Der Beruf sei für ihn der richtige, weil er so den Menschen helfen und seinen Glauben ausleben könne. Mittlerweile ist er einer von zurzeit insgesamt elf Priesteramtskandidaten am Mainzer Priesterseminar.

Platz bieten würde das Seminar allerdings für weit mehr Anwärter. Seit Jahren sind die Bewerberzahlen bei Priesteramtskandidaten rückläufig. Laut Angaben der Deutschen Bischofskonferenz hatten im Jahr 2001 bundesweit in allen Diözesen noch 203 Männer ihre Ausbildung begonnen – 2021 waren es nur noch 56.

Nur eine Priesterweihe im Priesterseminar Mainz

Ein Trend, der sich auch am Mainzer Priesterseminar zeigt. In diesem Jahr gab es eine Priesterweihe, drei Bewerber haben ihre Ausbildung begonnen. Sebastian Lang ist Subregens am Mainzer Priesterseminar und mitverantwortlich für die Ausbildung.

Die katholische Kirche habe sicherlich ein Nachwuchsproblem, sagt er. Die Deutsche Bischofskonferenz formuliert es auf SWR-Anfrage noch deutlicher: "Der Rückgang ist dramatisch und stellt die Kirche vor ernste Personalprobleme in Zukunft."

Sebastian Lang (Foto: SWR)
Sebastian Lang ist Subregens am Priesterseminar in Mainz.

Missbrauch in der katholischen Kirche führt zu Kirchenaustritten

Ein entscheidender Grund für abnehmendes Interesse: Die Missbrauchsfälle und die Aufarbeitung der Kirche. Das zeigt eine SWR-Umfrage unter Menschen, die die katholische Kirche verlassen haben. Für 91 Prozent waren die Missbrauchsfälle ein Grund für den Kirchenaustritt.

Auch in Bezug auf Bewerberzahlen für die Priesterausbildung spiele das laut Sebastian Lang eine Rolle. "In einer solchen Phase ist es sicherlich schwieriger für einen jungen Menschen, sich für einen solchen Beruf zu entscheiden. Weil die Frage ‚Warum mache ich das? Für wen mache ich das?‘ nicht mehr so einfach beantwortet werden kann."

Aufarbeitung der Missbrauchsfälle könnte die Kirche besser machen

Auch für Priesteramtskandidat Joseph Möller ist die Aufklärung der Missbrauchsfälle Thema: Die Kirche leiste in Bezug auf die Missbrauchsfälle im Großen und Ganzen ganz gute Arbeit in ihrem Engagement, den Missbrauch aufzuarbeiten. "Es gibt aber sicherlich auch einige Fehler oder Dinge, die man besser machen könnte."

Die Missbrauchsfälle haben auch Auswirkungen auf den Inhalt der Priesterausbildung in Mainz. Jeder Priesteramtskandidat muss im Rahmen des Aufnahmeverfahrens ein Gespräch mit einer forensischen Psychologin führen, zudem sind Seminare zur Prävention sexueller Gewalt mittlerweile fester Teil des Curriculums.

Theologie-Student: "Kirche hat einiges zu bieten"

Joseph Möller ist gerade im fünften Semester seines Theologie-Studiums. Der Weg zur Priesterweihe ist noch weit. Trotzdem freue er sich schon auf die Arbeit als Gemeindepriester. Denn trotz Krisen und Problemen müsse die Kirche in Zukunft wieder selbstbewusster auftreten: "Ich glaube, die Kirche hat von ihrer Grundbotschaft her schon Einiges zu bieten. Und man darf das ruhig auch selbstbewusst vertreten, denke ich."

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