Gewerkschaft reagiert schockiert

Bleiben 40 Erstklässler in Ludwigshafener Grundschule sitzen?

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Autor/in
Pascal Lasserre

Die Gräfenauschule in Ludwigshafen schlägt Alarm: 40 Erstklässler der Grundschule müssen wahrscheinlich die erste Klasse wiederholen.

Die Schulleiterin der Gräfenauschule im Stadtteil Hemshof Barbara Mächtle sagt, sie sei "überrascht und schockiert" gewesen, als sie erfahren habe, dass 40 Schüler wohl die erste Klasse wiederholen müssen. "Oh je, das sind ja zwei Klassen!", so Mächtle.

In der Grundschule sind die Wände im Flur vollgehängt mit selbstgemalten Kinderbildern und mit Fotos von besonderen Ereignissen, als zum Beispiel die Feuerwehr zu Besuch war.

Gräfenauschule, Grundschule in Ludwigshafen von außen
Die Gräfenauschule im Ludwigshafener Stadtteil Hemshof

Die Gräfenauschule in Ludwigshafen: Hier brauchen viele Kinder Unterstützung

Auf den ersten Blick wirkt die Gräfenauschule wie eine gewöhnliche Grundschule und doch brauchen hier viele Kinder zusätzliche Unterstützung. Denn viele Kinder könnten schlecht Deutsch oder kämen aus bildungsfernen Familien, sagt die Schulleiterin. Deshalb gibt es zusätzliche Förderkräfte, die den Lehrern zur Seite stehen. Doch das hat diesmal nicht gereicht.

Die Schule liegt im Hemshof in Ludwigshafen-Nord, wo besonders viele Migrantinnen und Migranten leben. In der Gräfenauschule selbst haben deshalb 98 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund. Einige von ihnen würden eingeschult, ohne Deutsch zu können.

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Zu wenig Kita-Plätze in Ludwigshafen

Außerdem gibt es in ganz Ludwigshafen zu wenige Kita-Plätze. Im Unterricht zeige sich schnell, dass manche Kinder nie in einer Kita gewesen seien. Viele Kinder müssten zum Beispiel erstmal lernen, still auf ihrem Platz zu sitzen und sich zu konzentrieren. "Wie halte ich einen Stift, wie schneide ich mit der Schere?" Das, was Kinder in der Kita lernen - "das fehlt dann". Und das müssten die Kinder in der Grundschule nachholen.

Gräfenauschule, Grundschule in Ludwigshafen von außen

Von Zuhause komme mitunter kaum Unterstützung. Manche Eltern verfügten selbst nicht über eine solide Schulbildung, erzählt Mächtle. In einigen Heimatländern sei Schulbildung wohl auch nicht so wichtig wie in Deutschland. Deshalb seien die Eltern vermutlich auch nicht so dahinter, dass ihre Kinder regelmäßig Hausaufgaben machten oder gar jeden Tag morgens rechtzeitig aufstünden.

Corona hat Situation der Kinder verschärft

Probleme wie an der Gräfenauschule gibt es auch in anderen Schulen Deutschlands. Oft seien es die Schulen in sogenannten Brennpunktvierteln, sagt Heinz Müller vom Institut für Sozialpädagogische Forschung. Durch die Corona-Zeit habe sich das Problem nochmal verschärft - Kitas waren zeitweise dicht, Spielplätze abgesperrt und Kinder konnten die eigene Wohnung kaum verlassen, um sich mit Gleichaltrigen und Freunden zu treffen.

Schulleiterin fordert Kita-Plätze

Damit sich die Situation in der Ludwigshafener Grundschule bald ändert, fordert die Schulleiterin mehr Kita-Plätze in Ludwigshafen. Außerdem müsse es mehr Lehrkräfte geben. Die bisherigen Maßnahmen reichten einfach nicht aus.

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GEW-Vorsitzender schockiert: Schnelles Handeln wichtig

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Klaus-Peter Hammer, sagte dem SWR, er sei angesichts der Situation in Ludwigshafen schockiert. Sie zeige, dass man jetzt ganz genau hinschauen müsse, was da gerade in den Grundschulen in Rheinland-Pfalz passiere.

"Ich glaube, da kommt eine Welle auf uns zu von Schülerinnen und Schülern, die nicht so vorgebildet sind, wie wir das gewohnt sind und wir müssen uns darauf vorbereiten", so der GEW-Vorsitzende. Dass so viele Kinder nicht schulfähig seien, sei dramatisch und neu.

Gewerkschaft fordert mehr Fachpersonal, nicht nur in den Schulen

"Generell müssen wir feststellen, dass mehr Menschen zu uns kommen, die eine stärkere Unterstützung brauchen, um zu verstehen, wie wichtig unser Bildungssystem ist", so Hammer weiter. Die Grundschulen allein würden das personell nicht mehr schaffen. Der GEW-Vorsitzende unterstützt deshalb die Forderung der Schulleiterin in Ludwigshafen, Grundschulklassen künftig mit zwei Lehrkräften zu besetzen. Oder auch mit einer zweiten Fachkraft, die als Dolmetscherin beim Deutschlernen unterstützen könne.

Aber auch die Kitas müssten stärken unterstützt werden, "damit wir es schaffen, diese Kinder mitzunehmen und sie in der Lage sind, in der Schule mitzukommen". Zudem sei ein Quartiersmangement ganz wichtig, mit Fachkräften, die auf die Familien zugingen und ihnen klarmachten, wie wichtig es sei, dass die Kinder die Schule regelmäßig besuchen. Und schließlich brauche es genug Sozialarbeiter in den betroffenen Stadtvierteln und Schulen.

Rheinland-Pfalz: Bei Integration darf Spargedanke nicht vorherrschen

Wenn das Land es nicht schaffe, die betroffenen Kinder in den Grundschulen zu integrieren, werde ihnen das ein Leben lang Probleme bereiten, etwa auch einen guten Beruf zu finden. Deshalb sei es wichtig, frühzeitig gute Konzepte vor Ort mit allen Beteiligten zu entwickeln.

Da dürfe man keine Spargedanken im Kopf haben, sondern da müsse wirklich Geld fließen, damit die Schulen ihre Arbeit machen könnten, mahnt der GEW-Vorsitzende Hammer.

Gräfenauschule, Grundschule in Ludwigshafen von außen
Eine Hinweistafel für Grundschüler im Schulhof der Gräfenauschule im Hemshof.

SWR-Anfrage an Land: Gräfenauschule ein Einzelfall?

Die Schulaufsichtsbehörde des Landes, ADD, betont auf SWR-Anfrage, dass die konkreten Probleme der Schule in Ludwigshafen sehr wohl gesehen und berücksichtigt werden. So habe man der Gräfenau-Grundschule in diesem Schuljahr zusätzlich 137 Lehrerwochenstunden für zusätzliche Sprachförderung genehmigt. Hinzu kämen 42 Wochenstunden für Lernförderung nach Corona und soziale Probleme. Das entspreche fast acht zusätzlichen Vollzeitstellen.

Die ADD räumt aber auch ein: "Nicht alle Herausforderungen, die vor Ort bestehen, können jedoch allein von und in der Schule gelöst werden. Die Arbeit im Sozialraum rund um die Schule ist ebenso wichtig."

Landesschulbehörde: Weitere Fälle sind nicht bekannt - Zahlen werden nicht erhoben

Es sei ungewöhnlich, dass ein so hoher Anteil von Kindern eines Schuljahres als versetzungsgefährdet gelte, teilt die Landesbehörde weiter mit. Allerdings: Die betroffenen Schulen müssen sich auch direkt an die ADD wenden. Denn Grundschulkinder im ersten Schuljahr nicht zu versetzen, sei generell nicht das Mittel der Wahl, "da die Klassenstufen 1 und 2 als Einheit anzusehen sind", so die Behörde.

Deshalb lägen auch keine Zahlen vor. Theoretisch sei es aber möglich, dass die Schule für Kinder, die trotz individueller Förderung in der nächsten Klassenstufe voraussichtlich nicht erfolgreich mitarbeiten können, eine Wiederholung der 1. Klasse beschließen.

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