32. Ludwigshafener Kultursommer (Foto: Pressestelle, Stadverwaltung Ludwigshafen)

Nur noch 50 Prozent Konzertbesucher

Hohe Preise? - Warum gehen wir weniger zu Konzerten?

Stand

Nur halb volle Säle, abgesagte Konzerte - Veranstalter in Rheinland-Pfalz und Künstler wissen nicht, wie sie noch durchhalten sollen. Warum kommen die Besucher nicht mehr?

Oft sind nur noch etwa halb so viele Konzertbesucher wie vor Corona da. "50 Prozent ist das neue Ausverkauft!" sagt zum Beispiel Richard Müller, der Geschäftsführer vom "Kammgarn" in Kaiserslautern.

Man kann anrufen, wen man will. Alle Veranstalter berichten dasselbe: Die Leute kommen nicht mehr wie früher, vor Corona. Betroffen sind vor allem kleinere und mittelgroße Events. Das zeigt auch eine Umfrage des SWR.

Im Musikclub "Café Hahn" in Koblenz machen sich die wenigeren Besucher auch in der Kasse bemerkbar - obwohl im Sommer dort noch gute Geschäfte gemacht wurden, wie in vielen anderen Clubs auch. "Davon zehren wir jetzt, wo die Gäste wegbleiben", erklärt Christoph Dörr, Geschäftsführer des Hahn.

Klar, im Sommer gab es noch keine Energiekrise, es gab das 9-Euro-Ticket und die Spritpreise waren ermäßigt. Aber sind das Gründe, warum wir im Sommer trotz Corona noch mehr ausgegangen sind und auch vor Corona?

Warum gehen wir gerade weniger zu Konzerten?

Richard Müller vom "Kammgarn" meint: "Die Menschen, das gesellschaftliche Leben hat sich durch Corona schon verändert. Die Leute haben es sich jetzt mit Netflix zu Hause gemütlich gemacht".  

Warum besuchen Sie Konzerte nicht mehr wie früher?

Ist der "volle" Sommer mitverantwortlich?

Markus Graf, Geschäftsführer des "Kompetenzzentrums Popularmusik Rheinland-Pfalz" sagt, er sieht schon einen gewissen Entwöhnungseffekt. Aber er glaubt nicht, dass das die einzige Ursache ist, warum Konzertbesucherinnen und Besucher ausbleiben.

Graf geht selbst gern zu Konzerten. Doch in den vergangenen zwei Jahren wurden Veranstaltungen immer wieder kurzfristig abgesagt, verschoben. Die Frustration war auch bei ihm groß.

Graf: "Auch Kostenfrage: Leute achten mehr auf den Cent"

"Ich hatte auch eine Handvoll Konzertkarten, die dann erst um ein, dann um zwei Jahre verschoben wurden. Und dann ist im Sommer natürlich unglaublich viel davon auf veranstaltender Seite abgearbeitet worden", so Graf. "Das heißt, man hat natürlich auch eine Fülle von Veranstaltungen gehabt."

Und jetzt kämen noch immense Teuerungen hinzu - auch auf Veranstalterseite. "Das führt dazu, dass die Karten nicht preiswerter werden und die Leute eher mal auf den Cent achten."

"Kultur ist der Kitt der Gesellschaft."

Yvonne Wuttke, Leiterin der "Kulturei" in Mainz weiß auch, wie schwer es derzeit ist, den Saal (max. 100 Plätze) voll zu bekommen - und das, obwohl die meisten Veranstaltungen dort ohne Eintritt sind. Sie spricht von einem neuen Ausgehverhalten seit Corona.

Wuttke: "Besucher bleiben manchmal lieber zu Hause"

"Man hat sich in der Pandemiezeit eher mit Freunden im Garten getroffen, als irgendwohin zu gehen. Und das ist auch so ein bisschen übrig geblieben", sagt sie. "Ich kenne viele von unseren Stammkunden, die sagen, wir kommen schon - die kommen dann auch, aber ganz oft bleiben die auch einfach daheim und machen Spielabende." Dazu komme, dass alles teuerer geworden sei.

Wuttke meint: "Wir müssen alles in die Waagschale schmeißen, da muss das Wetter passen, da darf keine Konkurrenz-Veranstaltung sein und dann funktioniert das halbwegs." Mit den Vorpandemie-Jahren sei das nicht zu vergleichen.

Igeln wir uns mehr ein als vor Corona und haben Angst?

Viele Menschen haben vielleicht auch Angst, mit so vielen anderen Menschen in einem Konzertsaal zu sein - möglicherweise eine psychische Folge der Corona-Pandemie. Dazu forscht beispielsweise die Goethe-Universität Frankfurt. Über den jetzigen Zeitraum Herbst/Winter lässt sich natürlich noch nichts sagen. Oft dauert es bis zu einem Jahr, bis Studien-Ergebnisse veröffentlicht werden können.

Viele Veranstalter sehen das nächste Jahr kritisch

Bisher waren die schlecht besuchten Konzerte für die Veranstalter noch kein Problem. Es gibt den Sonderfonds des Bundes. Gab muss man eigentlich sagen, denn er läuft zum 31. Dezember aus. Bisher bekommen Veranstalter für jedes verkaufte Ticket noch einmal die gleiche Summe aus dem Fonds. Die Einnahmen werden also verdoppelt - noch.

"Das nächste Jahr wird für uns extrem schwierig", sagt Richard Müller vom Kammgarn, "zum einen sind die Energiekosten für uns schwer zu kalkulieren, zum anderen verlangen auch die Künstler mehr Geld, um ihre Kosten zu decken und die Konzertbesucher kommen nicht wie früher." 

Bundesregierung erarbeitet neues Förderprogramm

Die Bundesregierung teilte mit, dass sie keine Verlängerung des Sonderfonds plane. Aber, so die Pressestelle der Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne): "Zur Abfederung energiebedingter Mehrkosten für Kultureinrichtungen und Kulturveranstalter erarbeitet die BKM (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien) derzeit ein neues Förderprogramm, den Kulturfonds Energie des Bundes." Weitere Infos dazu gibt es hier.

Konzerttickets werden teurer

Etliche Bands sagen ihre Tourneen ab, weil sie sich das Touren und die Auftritte in halb leeren Hallen nicht mehr leisten können. "Stefanie Heinzmann hat ihre Tournee aus diesem Grund abgesagt", so Richard Müller. "Fahrt und Logistik, Übernachtungen in den Hotels - auch für die Künstler ist ja alles teurer geworden." 

Im Kammgarn werden die Ticketpreise im nächsten Jahr voraussichtlich von derzeit 25 auf 35 Euro erhöht, schätzt Müller. "Das läuft allmählich darauf hinaus, dass sich nur noch Gutverdiener Kultur leisten können." Und auch für den Musik-Nachwuchs sieht er schwarz.  

"Wenn die Leute im Monat ein Konzert besuchen, wo sie am Abend mit Karten und Getränken 100 Euro oder mehr hinlegen, dann gehen sie in diesem Monat nicht noch zu einem zweiten Konzert. Das heißt: Bei den unbekannteren Musikern fehlen die Besucher." Das bestätigen auch viele Konsumbarometer - die Menschen geben ihr Geld nicht mehr so leichtfertig aus. Man weiß ja nicht, was noch kommt.  

Hoffnung für die Zukunft

Veranstalter und Künstler hoffen, dass sich die Situation wieder bessert. Markus Graf vom Kompetenzzentrum Popularmusik sagt, wenn nicht, dann würden zum Beispiel viele Veranstalter nach Möglichkeit die Künstlerinnen und Künstler auf die Bühnen stellen, die Einnahmen versprechen. Und das hätte verheerende Auswirkungen auf den Musik-Nachwuchs. Und Yvonne Wuttke von der Kulturei sagt, wir brauchen die Konzerte, die Kultur: "Kultur ist der Kitt der Gesellschaft."

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