Eine Frau tippt auf einem Handy (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa)

Gesetz lässt keine Ausnahmen zu

Lehrerin will helfen - und wird wegen Kinderpornografie angeklagt

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Joachim Wulkop
Bild von Reporter Joachim Wulkop (Foto: SWR)

Ein intimes Video einer 13-Jährigen macht die Runde an einer Westerwälder Schule. Eine Lehrerin informiert die Mutter - und muss mit einer Freiheitsstrafe rechnen. Die Staatsanwaltschaft ist machtlos.

Eine 13 Jahre alte Schülerin hat ein intimes Video von sich angefertigt und ihrem Freund geschickt. Der schickt es weiter - das Video macht die Runde an einer Schule im Westerwald. Als eine Lehrerin davon erfährt, lässt sie sich das Video ebenfalls auf ihr Handy laden, um die Mutter des Mädchens zu informieren. Nun droht ihr mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe und der Verlust ihres Jobs. Die Rhein-Zeitung hatte zuerst über den Fall berichtet.

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Staatsanwaltschaft Koblenz: Gesetz lässt keine Ausnahmen zu

Das Problem ist laut Staatsanwaltschaft Koblenz ein Gesetz, das eigentlich Pädophile hart bestrafen und bereits den Besitz von kinderpornografischen Videos unter Strafe stellen soll. "Uns sind die Hände gebunden," sagte der leitende Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler gegenüber dem SWR.

Das Gesetz lasse in seiner jetzigen Form keine Ausnahmefälle wie diesen zu. So sei die Staatsanwaltschaft verpflichtet, gegen die Frau zu ermitteln und sie anzuklagen, auch wenn die Ermittler davon ausgingen, dass die Lehrerin in besten Absichten gehandelt habe.

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SWR-Rechtsredakteur Kolja Schwartz erklärt, dass die Große Koalition zum Jahr 2021 den Besitz von Kinderpornografie zum Verbrechen hochgestuft habe. Verbrechen bedeute, dass eine Mindeststrafe von einem Jahr drohe. Es heiße aber vor allem auch, dass Staatsanwaltschaften aber auch Gerichte diese Verfahren nicht mehr einstellen können, obwohl es aus ihrer Sicht vielleicht der richtige Weg wäre.

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Es hätten, so Schwartz weiter, schon damals viele Experten gesagt, dass sei gefährlich, weil dadurch eben auch Lehrer, Betreuerinnen aber auch Eltern ins Visier geraten könnten, obwohl sie nur helfen und aufklären wollen.

Lehrerin hätte direkt Polizei informieren sollen

Wie Oberstaatsanwalt Mannweiler mitteilt, wäre es juristisch korrekt gewesen, die Frau hätte sich das Video nicht schicken lassen, sondern direkt die Polizei informiert. Dass sie nur helfen wollte, werde durch das Gesetz nicht abgedeckt, sagte Mannweiler.

Ein Umstand, den auch die Justizministerkonferenz schon im vergangenen Jahr bemängelt hatte. Damals hieß es sinngemäß in einem Beschluss, dass das Gesetz keine Ausnahmen zulasse, treffe vor allem diejenigen, die verantwortungsvoll handeln wollten.

Staatsanwaltschaft fordert Gesetzesänderung

Die Lehrerin muss ernste Konsequenzen befürchten. Das Gesetz sieht in solchen Fällen mindestens eine Freiheitsstrafe von einem Jahr vor. Das würde für sie bedeuten, dass sie auch ihren Beamtenstatus verlieren würde. Oberstaatsanwalt Mannweiler aus Koblenz fordert, dass das Gesetz zwar weiterhin die wirklichen Täter bestrafen solle. Aber die Staatsanwaltschaften bräuchten für Ausnahmefälle mehr Handlungsspielraum.

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Bundesregierung plant, Gesetz anzupassen

Dass der entsprechende Paragraph 184b des Strafgesetzbuches dringend eine Überarbeitung braucht, ist auch der Bundesregierung bekannt. Das Gesetz sei gut gemeint aber schlecht gemacht, heißt es von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Auf der Internetseite abgeordnetenwatch.de können Bürger und Bürgerinnen Abgeordneten öffentlich Fragen stellen. In diesem Fall ging die Frage eines Bürgers an Marco Buschmann. Auf den aktuellen Fall bezogen, ließ die Bundesregierung am Freitag auf SWR-Nachfrage verlauten, es sei geplant, das Gesetz noch in diesem Jahr anzupassen.

Justizminister Mertin fordert schnelle Gesetzesänderung

Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) sagte gegenüber dem SWR, die Lehrerin habe sich so verhalten, wie Eltern es von Lehrern erwarten würden. Wenn das Gesetz nicht verändert werde, werde es immer weniger Lehrer geben, die in einem solchen Fall eingreifen würden. Eine schnelle Gesetzesänderung könnte der betroffenen Lehrerin möglicherweise noch zu Gute kommen.

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