Eine Servicekraft läuft im Außenbereich eines Restaurants an Gästen vorbei. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Bessere Bedingungen durch neue Tarifverträge

Dehoga: Viele Beschäftigte in RLP kehren ins Gastgewerbe zurück

Stand

Geschlossene Betriebe, Arbeitskräfte, die abwandern - Corona hat das Gastgewerbe in Rheinland-Pfalz besonders hart getroffen. Doch nun kehren viele zurück, sagt Dehoga-Präsident Gereon Haumann.

Das Gastgewerbe in Rheinland-Pfalz muss sich zum "Qualitätsarbeitgeber" entwickeln, um dauerhaft ausreichend Beschäftigte zurückholen und neue gewinnen zu können. Das hat sich die Branche vorgenommen. Seit April versucht sie, Arbeitnehmer mit neuen Tarifverträgen für sich zu begeistern.

Der Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Rheinland-Pfalz, Gereon Haumann, meint, dass das mit höheren Löhnen, mehr Dauerarbeitsplätzen und Jahresarbeitszeitkonten auch zunehmend gelinge.

SWR Aktuell: Überzeugen die neuen Tarifverträge die Menschen, wieder ins Gastgewerbe einzusteigen?

Gereon Haumann: Ja, der Lockruf der Branche kommt bei den Arbeitnehmern an und viele, die in andere Branchen abgewandert sind, haben sich uns wieder zugewendet. Darüber sind wir auch froh und dankbar, dass gerade jetzt in dieser Hochsaisonphase der eine oder andere den Weg bereits wieder zurückgefunden hat. Einige harren und schauen noch, was die Politik mit uns im kommenden Herbst macht. Denn am größten ist die Sorge um die Sicherheit, also die Dauerhaftigkeit des Arbeitsplatzes. Da sind wir nicht die, die entscheiden, sondern die Politik muss jetzt ein deutliches Zeichen setzen, dass wir dauerhaft offen bleiben. Und dann werden wir auch die zurückholen, die im Moment noch in einer andere Branche sind.

SWR Aktuell: Hat sich denn die Zahl der Beschäftigten in der Gastronomie und der Hotellerie durch die neuen Arbeitsbedingungen seit April schon signifikant erhöht?

Haumann: Das können wir erst valide im Herbst-Winter beurteilen. Denn wir bekommen ja als Arbeitgeberverband nicht alle Arbeitsverhältnisse mitgeteilt, sondern wir werden angerufen, wenn es brennt, wenn zu wenig Leute da sind. Wir haben nach wie vor 62 Prozent der Betriebe in Rheinland-Pfalz, die Mitarbeiter suchen. Wir hatten in der Pandemie den Höchststand, dass wir jeden vierten Arbeitnehmer an anderer Branchen verloren haben. Ich würde mal aus dem Feedback aus unterschiedliche Regionen von Rheinland-Pfalz heraus sagen:

"Es ist uns gelungen, etwa die Hälfte davon zurückzuholen und die andere Hälfte wartet halt ab, was macht die Politik mit uns im Winter."

SWR Aktuell: Auch Auszubildende sollen durch ein besseres Einkommen und eine Übernahmegarantie in der Branche gehalten oder dafür begeistert werden. Gelingt das?

Haumann: Die Rückmeldungen der Ausbilder, der Topbetriebe, die mit uns ständig im Austausch stehen, ist durchaus positiv. Da kommen auch Stimmen ganz konkret: Weil das Entgelt deutlich erhöht worden ist, melde ich mich jetzt bei euch als Auszubildender und ich möchte in der Branche meine Ausbildung machen. Das kriegen wir oft gespiegelt. Aber auch hier sind verlässliche Zahlen erst Ende Oktober zu benennen, weil wir einerseits den Ausbildungsstart zum 1. August hatten, sich aber auch zum 1. September oder 1. Oktober noch Auszubildende bei unseren Betrieben melden können.

"Ich kenne keine Branche, die in den letzten 40 Jahren einen solchen Gehaltssprung in einem Schritt getan hat."

Insgesamt ist das Feedback bisher überaus positiv. Das war auch dringend notwendig, dass wir hier deutlich attraktivere Ausbildungsbedingungen zur Verfügung stellen. Und das Gute ist ja, das gilt nicht nur für die, die jetzt eine Ausbildung beginnen, sondern das gilt auch für alle diejenigen, die schon in Ausbildung sind. Die Übernahmegarantie ist das eine, was uns attraktiver macht, aber vor allem der Ecklohn, also der Lohn, der den jungen Fachkräften am Ende der drei Jahre gezahlt wird. Der ist ja immerhin um 700 Euro gestiegen, also von 1.800 Euro auf 2.500 Euro. Das ist ein Wort und das macht uns wesentlich attraktiver.

SWR Aktuell: Sie schildern das alles sehr positiv. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Südwest hat uns aber berichtet, dass sich viele Betriebe nicht an die neuen Tarifverträge halten würden. Stattdessen gebe es unter anderem weiterhin viele Minijobs. Beobachten Sie das auch?

Haumann: Also der Dehoga ist ein Arbeitgeberverband auf Freiwilligkeit sowie die NGG eine Gewerkschaft auf Freiwilligkeit ist. Bei uns sind etwa 35 Prozent der Betriebe freiwillig Mitglied. Die sind verpflichtet, die Tarifverträge anzuwenden und ich gehe davon aus, dass sie angewandt werden. Bei der NGG sind leider nur zwei bis drei Prozent aller Beschäftigten in der Gewerkschaft und leider ist es in Deutschland so, dass Tarifabschlüsse nur für die Mitarbeiter gelten, die in der Gewerkschaft sind und für die Arbeitgeber, die im Arbeitgeberverband sind.

Deshalb haben wir ja gemeinsam mit der NGG im Schulterschluss beim Bundesarbeitsminister den Antrag gestellt, dass unsere Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden. Erwartungsgemäß hat Hubertus Heil das delegiert an den Landesarbeitsminister Alexander Schweitzer (beide SPD). Der hat die entsprechende Tarifkommission für Ende September, Anfang Oktober einberufen. Wir als Dehoga stehen dahinter, wie die NGG im übrigen auch, dass unsere beiden Tarifverträge, der Entgeldtarifvertrag und der Manteltarifvertrag als allgemeinverbindlich erklärt werden. Dann müssen alle Betriebe diese Verträge anwenden. Und wir beantragen sogar, das rückwirkend zum 1. April zu machen. Darauf weisen wir nicht nur unsere Mitgliedsbetriebe, sondern auch alle anderen Betriebe hin.

"Es kann also sein, dass dann rückwirkend für alle Arbeitnehmer noch eine positive Gehaltsüberraschung gibt."

SWR Aktuell: Also Sie können nicht bestätigen, dass die neuen Tarifverträge häufig unterlaufen werden?

Haumann: Also es mag sein, dass die Tarifverträge nicht an allen Stellen von den Betrieben, die nicht Mitglied bei uns sind, angewandt werden. Aber ich gehe davon aus, dass die Dehoga-Mitgliedsbetriebe diese alle anwenden. 30 Prozent der 13.000 Betriebe in Rheinland-Pfalz sind bei uns Mitglied, aber die decken mehr als die Hälfte der Beschäftigungsverhältnisse ab. Insofern wäre es gut, wenn die NGG mehr Mitglieder bekommt.

Das Interview führte SWR-Redakteur Dirk Rodenkirch

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