Foto aus der Vogelperspektive: Gäste sitzen in einem Straßencafe in der Sonne (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa | Sebastian Kahnert)

Folgen der Pandemie

Wo ist das Gastro-Personal geblieben?

Stand

Während der Corona-Pandemie haben sich viele Beschäftigte aus der Gastronomie andere Jobs gesucht. Einen Lockdown gibt es inzwischen nicht mehr, die Menschen zieht es in die Restaurants, doch da herrscht immer noch Personalnot.

Im Gastgewerbe geht es langsam aufwärts: In Restaurants & Co waren die Umsätze zuletzt so hoch wie seit dem Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 nicht mehr.

Viele Betriebe boomen regelrecht, sagt Alexander Münchow, Landesbezirkssekretär bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Südwest. Die Inflation und eine neue Sparsamkeit der Menschen sei nicht zu bemerken. "Es wirkt, als gebe es da noch immer einen großen Nachholbedarf oder sogar einen neuen Hedonismus. Die Bars sind gut besucht, die Hotels ausgebucht. Es ist schwierig, spontan ein Wellness-Wochenende im Schwarzwald oder in der Pfalz zu bekommen."

Mehr als die Hälfte der Betriebe sucht Personal

Eine große Sorge trübt die Freude: der Personalmangel. Knapp 63 Prozent der Firmen suchen akut Personal, teilt der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) mit. "Wir hatten gehofft, im Sommer 2022 wieder richtig durchstarten zu können, aber es fehlt überall an Personal, in allen Bereichen", schildert Münchow die Lage. Er vermutet: "Das Image der Branche ist langfristig angekratzt."

Viele Beschäftigte kehrten der Branche während der langen Lockdowns in der Pandemie den Rücken und suchten anderswo nach sichereren Jobs, wollten raus aus der Kurzarbeit. Diese fehlen jetzt.

Verkauf und Logistik sind die Gewinner

Die allermeisten Jobwechsler haben im Verkauf angefangen, etwa als Kassiererin oder Kassierer im Supermarkt: Hier wurden laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) rund 34.800 Wechsler aus Gastronomie, Hotels und Tourismus registriert. Etwa 27.200 Menschen traten einen neuen Job im Verkehr- und Logistikbereich an und profitierten damit vom boomenden Online-Handel. Bei der Unternehmensführung und -organisation gelang 27.100 Menschen ein Neustart, unter anderem in Sekretariaten. Beliebte Ziele waren zudem die Lebensmittelherstellung, Reinigungsberufe und Erziehung.

Beim DEHOGA Baden-Württemberg fasst man die Entwicklung so zusammen: "Die Abwanderung von Mitarbeitenden während der Pandemie gehört zu den größten und langfristig bedeutendsten Krisenschäden, die das Gastgewerbe in der Corona-Krise erlitten hat."

Keine Neueinstellungen während der Pandemie

Die Personalnot sei aber nicht nur auf Abwanderungen zurückzuführen, heißt es vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), sie sei auch Folge fehlender Neueinstellungen während der Pandemie. "Alle coronabetroffenen Branchen haben jetzt das gleiche Problem. Sie wollen alle ihren Nachholbedarf gleichzeitig und kurzfristig decken", sagte Enzo Weber vom IAB. Aber so schnell könne das der Arbeitsmarkt nicht leisten.

Deshalb gehe er davon aus, dass sich die Situation erst Schritt für Schritt bessere und eine Normalisierung erst im kommenden Jahr erreicht sei - vorausgesetzt, es komme im Herbst nicht wieder zu einer heftigen Corona-Welle mit damit verbundenen Einschränkungen wie in der nahen Vergangenheit.

Für Fachkräfte in der Gastronomie könne es sich außerdem auszahlen, aus dem erlernten Beruf auf einen höher bezahlten Helferjob in einer anderen Branche zu wechseln, heißt es vom IAB. Eine Fachkraft in der Gastronomie verdiene monatlich etwa 1.850 Euro. Für Helfertätigkeiten in der Ver- und Entsorgung sowie in der Chemie lägen die mittleren Verdienste dagegen bei rund 3.100 Euro.

Neuer Tarifvertrag verspricht mehr Lohn

In Rheinland-Pfalz gilt allerdings seit April ein neuer Tarifvertrag mit gestiegenem Stundenlohn, sodass Mitarbeiter auch deutlich mehr als 1.850 Euro verdienen können. "Ich gehe davon aus, dass die DEHOGA Mitgliedsbetriebe diese alle anwenden", sagt Gereon Haumann, Präsident der DEHOGA Rheinland-Pfalz.

Zwar seien nur 30 Prozent aller Betriebe in Rheinland-Pfalz bei der DEHOGA Mitglied. Diese deckten aber mehr als die Hälfte aller Beschäftigungsverhältnisse ab. Zusammen mit der NGG habe man außerdem beim Bundesarbeitsminister den Antrag gestellt, dass der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird. Damit müssten sich alle Betriebe an den Tarifvertrag halten. Demnächst soll die Tarifkommission tagen.

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NGG mahnt hohe Arbeitsbelastung an

Haumann widerspricht damit Alexander Münchow von der NGG. Der mahnt nämlich an: "Wir haben eine hohe Untreue gegenüber den Tarifverträgen, viele Betriebe setzen weiter auf Mini-Jobs und prekäre Arbeitsverhältnisse."

Ein weiteres Problem sieht Münchow auch in der hohen Arbeitsbelastung, die durch die Personalknappheit für die verbliebenen Mitarbeiter noch größer ausfalle. Münchow von der NGG wünscht sich, dass Betriebe sich an Arbeitszeitbgrenzung hielten und flexiblere Arbeitsmodelle anböten. Vor allem junge Menschen seien nicht bereit, das Gerede von "Das war schon immer so in der Gastronomie" mitzumachen.

Auch gegen Sexismus in der Gastronomie muss mehr unternommen werden, fordert Münchow. "Wir hören immer wieder von Belästigungen durch Gäste", sagt Münchow. "Da kommt es schon vor, dass eine Kollegin nach einer Freitagnacht in Stuttgart zu mir sagt: Diesem toxischen Klima will ich mich nicht mehr aussetzen." Aber nicht nur von Seiten der Gäste sei es ein Problem, auch von Seiten der Betriebe: "Wir haben häufig noch sehr hierarchische Verhältnisse und toxische Chefs."

Für Job in der Gastronomie braucht man "Herzblut"

Sollte man es sich also lieber dreimal überlegen, ob man in der Gastronomie arbeiten sollte? Ja und nein, findet Dirk Piewig. Er arbeitet im Hilton Hotel in Mainz und ist dort außerdem Betriebsratsvorsitzender. "Man braucht Herzblut, wenn man den Beruf ausüben will. Man muss sich im Klaren sein, dass man am Wochenende arbeiten muss, keinen geregelten Acht-Stunden-Arbeitstag hat", sagt er.

Auf der anderen Seite schwärmt er für seinen Beruf: "Aus meiner Sicht ist die Gastronomie immer ein attraktiver Beruf, weil er so abwechslungsreich ist wie fast kein anderer." Ein Wechsel während der Corona-Lockdowns kam für ihn deshalb nie in Betracht.

Den Fachkräftemangel habe es vor Corona bereits gegeben, er sei aber durch Corona deutlich verschärft worden. Man müsse dringend Fachkräfte einstellen, aber der Markt sei leer, nicht einmal Zeitarbeitsfirmen könnten Personal stellen. Ebenso schlecht sehe es bei den Auszubildenen aus. "Wir fangen jetzt erst wieder mit neuen Azubis an. Bis die ihre drei Jahre absolviert haben, dauert es noch." Es bleibe nur noch eine Möglichkeit: Quereinsteiger.

Um attraktiver zu werden und Mitarbeiter zu halten, sollten Betriebe zudem ein angenehmes Arbeitsumfeld schaffen. Das fange beim Umgangston gegenüber dem Personal an. "Dann macht es dem Personal mehr Spaß, auf Arbeit zu kommen und dann wird auch der Gast anders behandelt", sagt Piewig.

DEHOGA: Personal wurde schon wieder aufgestockt

Für die Gastronomie als Arbeitsplatz wirbt - naturgemäß - auch der DEHOGA BW. "Die Beschäftigtenzahlen im Gastgewerbe Baden-Württembergs waren bis zur Pandemie stark steigend, was klar für die Attraktivität der Branche als Arbeitgeber spricht." Das Gastgewerbe sei bis zur Pandemie einer der Jobmotoren der baden-württembergischen Wirtschaft gewesen.

Seit dem Wegfall der Corona-Beschränkungen sei die Zahl der Beschäftigten in der Branche bereits wieder deutlich gestiegen. Auch in Baden-Württemberg gilt seit Juli ein neuer Tarifvertrag mit Lohnsteigerungen. "Die Unternehmen gehen bis an die Grenze ihrer wirtschaftlichen Belastungsfähigkeit, um ihre Attraktivität als Arbeitgeber weiter zu erhöhen und gegenüber anderen Branchen wettbewerbsfähig zu bleiben", so Geschäftsführer Dennis Bachmann.

Was bringt der Winter?

Sein rheinland-pfälzischer Kollege Haumann sieht die Betriebe in dieser Anstrengung auf dem richtigen Weg. Während der Hochphase der Pandemie habe man 25 Prozent der Mitarbeiter an andere Branchen verloren. Seinen Schätzungen nach sei davon die Hälfte inzwischen zurückgekehrt. Und die andere Hälfte? "Die wartet halt ab, was die Politik im Winter mit uns macht."

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