Lange habe er gezögert, den Brandbrief an Politik und Öffentlichkeit zu verfassen, sagt Hans-Georg Pompe. Er ist Geschäftsführer des "Altera Senioren-Domizil" in Frankenthal. Die Probleme der Pflegeeinrichtungen und im Pflegesystem seien nicht neu, "aber das Fass läuft über", sagt Pompe. Er sieht die Gefahr, dass Pflegeeinrichtungen wie seine bald vor dem Aus stehen.
Pompe: Quote für Pflegefachkräfte ist problematisch
Einrichtungen der stationären Pflege müssten 50 Prozent ausgebildete, erfahrene Pflegefachkräfte beschäftigen, sagt Pompe. Doch das sei nahezu unmöglich: "Der Markt ist leer!" Es gebe auf dem Arbeitsmarkt schlicht nicht genügend Menschen mit entsprechender Qualifikation. Er fordert, dass diese Quote angepasst wird.
Im Grunde ist das bereits geschehen, zum 1. Juli 2023 wurde die Pflegefachkraftquote abgelöst durch ein Personalbemessungsverfahren (PeBeM). Damit wäre es möglich, insgesamt weniger als 50 Prozent hochqualifizierte Pflegefachkräfte zu beschäftigen - Voraussetzung dafür ist allerdings eine sogenannte Mehrpersonalisierung.
Das heißt, vollstationäre Pflegeeinrichtungen in Rheinland-Pfalz müssen eine Mindestmenge an Personal beschäftigen. Für diese Mindestmenge gilt weiterhin eine Fachkraftquote von 50 Prozent. Beschäftigte, die zusätzlich zu dieser Mindestmenge eingestellt werden, dürfen dann auch Hilfskräfte sein. Geregelt werde das im Landesrahmenvertrag, so Pressesprecherin Esther Höfler vom Ministerium für Arbeit und Soziales in Rheinland-Pfalz. Die konkrete Ausgestaltung der Quote müsste zwischen den jeweiligen Einrichtungen und den Kostenträgern vereinbart werden.
VDAB: Selbst weniger qualifizierte Arbeitskräfte fehlen
Doch da hinke das System, erklärt Thomas Knieling, Geschäftsführer des Verbands der Alten- und Behindertenhilfe (VDAB). Denn die dafür notwendigen, weniger qualifizierten Arbeitskräfte gebe es auch nicht auf dem Arbeitsmarkt.
In der Not - und durch den Zwang Personalquoten zu erfüllen - greifen viele Pflegeeinrichtungen auf Leiharbeitsfirmen zurück. "Das ist ein Riesenproblem, gerade in der Altenpflege", sagt Knieling vom VDAB. Eigentlich sei Leih- und Zeitarbeit für Arbeitnehmende immer eher unattraktiv gewesen.
Mehr Leiharbeitsfirmen in der Pflegebranche
Der Markt für Pflegekräfte sei jedoch so in Schieflage, dass sich das umgekehrt habe. Leiharbeitsfirmen können durch die große Nachfrage bei geringem Arbeitskraftangebot hohe Preise aufrufen und an ihre Leiharbeiter zahlen. Die Personalkosten für die Pflegeeinrichtungen könnten dann das Zwei- bis Dreifache einer "normal" angestellten Person betragen, erklärt Knieling.
Beschäftigte dieser Firmen können zudem oft Wünsche und Präferenzen angeben, sich etwa ausschließlich für Frühdienste oder Nachtarbeit beschäftigen lassen. Auch das mache diese Form der Arbeit für viele attraktiver. "Das kann man niemandem verübeln", sagt Knieling, etwa wenn ein Elternteil diesen Weg wähle, um Familie und Job besser zu vereinbaren.
Hoch: Unter Leiharbeit leidet Qualität in der Pflege
Was für die so beschäftigten Pflegekräfte Vorteile bringt, stellt die Einrichtungen vor Probleme. Pompe sieht sich und seine Einrichtung da in einer Situation, in der sie erpressbar seien. Die Politik hat die Leiharbeit in der Pflege auch als Problem erkannt: Anfang Februar hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, die Leiharbeit in der Pflege einzudämmen.
Nicht nur wegen des wirtschaftlichen Drucks auf Pflegeeinrichtungen, sondern auch für die Qualität der Pflege: "Es zeigt sich immer deutlicher, dass der Einsatz von Leiharbeit zu Einbußen in der Qualität führt", so RLP-Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) in einer Mitteilung von Anfang Februar. Fehlende Kontinuität brächten Unruhe und Unmut in der Zusammenarbeit.
Ähnlich sieht es das Landesamt für Soziales, die Aufsichtsbehörde für Pflegeeinrichtungen im Land. Es teilt auf SWR-Anfrage mit: "Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass eine gute Qualität und Wirtschaftlichkeit eher mit einem eigenen festen Personalstamm zu erreichen sind."
Baumann: Einrichtungen müssen gute Bedingungen schaffen
Andere sehen nicht allein die Politik in der Verantwortung, etwas gegen diesen Trend zur Leiharbeit zu tun - sondern die Pflegeeinrichtungen selbst. "Da muss man sich als Einrichtung auch an die eigene Nase fassen", sagt Raphaël Baumann. Er ist Mitglied der Vertreterversammlung der Pflegekammer Rheinland-Pfalz und leitet selbst eine Pflegeeinrichtung in Zweibrücken. Als Arbeitgeber sei es an den Einrichtungen auch selbst, Arbeitsbedingungen zu schaffen, so dass die Fachleute sich lieber dort fest anstellen lassen, als bei einer Leiharbeitsfirma zu arbeiten. Für die Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtungen sei dies auch besser, Leiharbeit "ist auch qualitätsmäßig nichts, die kennen die Einrichtung nicht, die kennen die Leute nicht", sagt Baumann.
Wie kann eine Lösung aussehen?
Brauchen die Einrichtungen in Zukunft also mehr Freiheiten? Die Mitarbeitenden in der Pflege werden wohl langfristig nicht viel mehr werden. Aber der Betreuungsbedarf mit Generationen, die in den kommenden Jahren pflegebedürftig werden, dürfte steigen. "Wir müssen die Ressourcen besser verteilen", sagt Knieling. Und Personalquoten von oben aufdiktiert, seien da nicht hilfreich. "Die Einrichtungen sind Unternehmen, die ihre Preise und Personalstruktur nicht oder nur in geringem Maß selbst gestalten können", so Knieling weiter. Prüfbehörden und Qualitätssicherung müsse es natürlich weiter geben - denn an der Qualität der Pflege solle es nicht mangeln.