Werbeverbot für ungesunde Kinder-Lebensmittel

Özdemir: Zwei Millionen Kinder mit Übergewicht sind zu viel

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Eva Ellermann

Tierhaltungskennzeichen, der Einsatz von Gen-Pflanzen, bessere Ernährung. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen scheut sich nicht, dicke Bretter zu bohren. Dass er dabei bei unterschiedlichen Interessengruppen aneckt, ist vorprogrammiert. Im Moment blockieren ihn aber nicht Landwirte oder Tierschützer, sondern der Koalitionspartner FDP. Das geplante Werbeverbot für Ungesundes im Umfeld von Kindern geht den Liberalen zu weit.

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2 Millionen Kinder und Jugendliche sind zu dick – Tendenz steigend. Ärzte, Krankenkassen, Ernährungsverbände fordern schon lange: Kinder sollten keine Werbung zu sehen bekommen, in denen Produkte mit zu viel Zucker, zu viel Salz und zu viel Fett gezielt für sie angepriesen werden. Ende Februar hat der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem solche Werbung stark eingeschränkt werden soll. Inzwischen hat er diesen Entwurf schon abgespeckt, aber der Widerstand aus der Nahrungsmittel- und Werbebranche ist weiter groß. Özdemir gibt sich im Interview der Woche trotzdem optimistisch: "Jetzt bin ich gerade dabei, mit Gruppe für Gruppe ganz geduldig zu reden. (...) Wer sich mit mir nicht einigen kann, kann sich mit niemand einigen."

Ampel-Koalition uneinig über Werbeverbot für Ungesundes für Kinder

Im Koalitionsvertrag haben sich die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP darauf verständigt: "An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salz-Gehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben." Nach Monaten der Debatte hat Özdemir es aber bislang nicht geschafft, seinen Gesetzentwurf ins Kabinett zu bringen. Ein gemeinsamer Beschluss der Bundesregierung ist die Voraussetzung für den Start ins Gesetzgebungsverfahren. Doch die FDP hat Bedenken und blockiert. Dazu sagt Özdemir im Interview der Woche: "Wenn man ins Kabinett gehen würde, dann könnte man genau über diese Fragen ja öffentlich diskutieren. Da kann man sich streiten, da kann man gucken, wo sind mögliche Kompromisse. (…) Ich habe jetzt mehrfach gezeigt und habe dafür auch Kritik gekriegt: Ich bin kompromissbereit, ich will hier gute Lösungen."

Auch auf Nachfrage will Özdemir aber nicht sagen, wo er noch Stellschrauben an seinem Entwurf sieht und auch nicht, bis wann spätestens er seinen Entwurf im Kabinett sehen will.

Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir steht neben SWR-Korrespondentin Eva Ellermann im Bundesamt für Ernährung und Landwirtschaft. (Foto: SWR)
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und SWR-Korrespondentin Eva Ellermann

Özdemir: Gesunde Ernährung ist eine Frage der Gerechtigkeit

Der Bundeslandwirtschaftsminister weiß viele Unterstützer hinter sich: Ärzte, Krankenkassen, Ernährungsverbände. Nach einer aktuellen Umfrage der Ernährungsorganisation Foodwatch unterstützen zwei Drittel der Bundesbürger Einschränkungen bei Werbung, die auf Kinder zielt.

Freiwillig habe die Ernährungsindustrie ihre Produkte bislang nicht gesünder gemacht. Im Interview der Woche spricht Özdemir von geschätzten 60 Milliarden Euro Folgekosten von Übergewicht pro Jahr. Aus seiner Sicht ist die Ernährungsfrage aber auch eine Frage der Gerechtigkeit: "Es kann nicht sein, wenn deine Eltern nicht kochen können, wenn sie nicht da sind, weil sie arbeiten müssen, warum auch immer, dass wir zu diesen Kindern sagen: Pech gehabt. Das mache ich nicht mit."

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Eva Ellermann