KI wird die Gesellschaft spürbar verändern – Wie kann man Vorteile nutzen und Gefahren vermeiden?

"Ein ganz schön dickes Brett" - Ethikratsvorsitzende Buyx über die ethische Gestaltung Künstlicher Intelligenz

Stand
AUTOR/IN
Mark Kleber

Der Maßstab für die Gestaltung Künstlicher Intelligenz – für den Deutschen Ethikrat ist er klar: Welche Anwendungen erweitern menschliche Entfaltungs- und Handlungsmöglichkeiten und welche verringern sie? Sorge machen der Vorsitzenden Alena Buyx vor allem Deepfakes und Desinformation durch KI.

Audio herunterladen (23,4 MB | MP3)

Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, macht sich mit Blick auf das Wahljahr 2024 Sorgen über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. "Das können Desinformations-Schleudern werden", sagte Buyx im Interview der Woche. Schon vor dem Boom Generativer KI wie Chat GPT oder Midjourney hätten Algorithmen auf digitalen Plattformen eine Rolle in Wahlkämpfen gespielt. KI könne nun Phänomene wie Polarisierung verstärken: "Wenn man jetzt ein mächtigeres Instrument hat, das sozusagen das alles noch besser macht und schneller und skalierbarer, dann ist die Sorge größer." Wichtig sei deshalb, dass KI politisch gestaltet und reguliert werde, aber auch, dass der Einsatz von KI etwa durch Kennzeichnungspflichten transparent gemacht würde. Menschen müssten sich klar machen, dass sie nicht mehr alles glauben können, es brauche eine Art neue Quellenkompetenz.

Für Buyx verstärkt der Einsatz von KI zugleich die Frage nach der Rolle digitaler Plattformen: "Wollen wir das eigentlich so lassen, dass wir digitale Plattform haben, die unsere öffentlichen Debatten ja immer ein Stück weit mitbestimmen?" Die Plattformen seien kritische digitale Infrastruktur, die einer Handvoll Unternehmen oder einzelnen Personen gehörten. Buyx unterstrich, was auf diesen Plattformen geschehe, habe handfeste Effekte auf die demokratische Meinungsbildung. "Das besorgt einen Ethikrat. Das ist völlig klar. Und da rufen wir schon dazu auf, da vielleicht auch ein bisschen kerniger hinzugucken." Wichtig sei, über öffentliche Alternativen zu den bestehenden Plattformen nachzudenken.

Bei der Gestaltung der Zukunftstechnologie KI komme es darauf an, deren Vorteile zu nutzen und deren Gefahren zu vermeiden. Im Ende 2023 beschlossenen AI Act der Europäischen Union sieht die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, dafür den richtigen Ansatz, einzelne KI-Anwendungen je nach ihrem Risiko zu regeln. Das sei wichtig, weil es sehr unterschiedliche Anwendungsbereiche gebe. Mit ein und demselben Algorithmus der Generativen KI könne man zum Beispiel ebenso neue Medikamente in der Chemotherapie entwickeln, wie die toxischsten Biowaffen entwerfen. Deswegen könne man nicht die Technologie an sich pauschal verbieten, sondern müsse sich anschauen, wofür was eingesetzt werde. Buyx verweist auf den Maßstab, den der Deutsche Ethikrat in seiner Stellungnahme zu Künstlicher Intelligenz gesetzt hat. "Welche Anwendungen erweitern menschliche Entfaltungs- und Handlungsmöglichkeiten? Und welche verringern sie? Vor allem aus ethischer Perspektive muss man gucken, wer ist eigentlich betroffen von einer Anwendung, wer verliert dadurch vielleicht etwas? Und wer mag vielleicht auch etwas gewinnen?" Das müsse man sich immer im Einzelnen anschauen, sagt Buyx. "Das ist ein ganz schön dickes Brett."

Eine weltweite Regulierung von Künstlicher Intelligenz, um schädliche Praktiken zu verhindern, wie Papst Franziskus in einer Botschaft zum Weltfriedenstag am ersten Januar gefordert hat, hält Alena Buyx für wünschenswert, um ethische Standards weltweit zu setzen. Aus ihrer Sicht wäre schon wichtig, dass sich die Demokratien auf Standards einigen, Europa zum Beispiel gemeinsam mit den USA, Großbritannien und Indien. Wie groß die Unterschiede weltweit seien, zeigten sich schon an den Regelungen zu biometrischer Überwachung oder dem sogenannten "Social Scoring", bei dem erwünschtes Verhalten im Alltag mittels KI überwacht und mit einem Punktesystem gesteuert wird. Erste Überlegungen, an denen man einen internationalen Vertrag zur Regulierung Künstlicher Intelligenz aufhängen könnte, gebe es schon bei internationalen Organisationen wie G7, G20 oder OECD. Aber, so Buyx einschränkend, "das ist eine wirklich komplizierte Diskussion, inwieweit man das hinkriegt. Noch wünschenswerter wäre es natürlich, wenn sich die Weltgemeinschaft auf etwas einigen könnte. Aber ich glaube, das wird mal vorerst ein Wunschbild bleiben."

Weiterführende Links:

www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-kuenstliche-intelligenz-regulierung-104.html

www.tagesschau.de/multimedia/audio/audio-157505.html

www.tagesschau.de/wirtschaft/ki-abkommen-102.html

www.tagesschau.de/inland/regional/saarland/sr-ethikrat-mitglied-fuer-schnelle-regulierung-von-ki-systemen-100.html

www.tagesschau.de/wirtschaft/digitales/ki-klimabilanz-100.html

www.tagesschau.de/wirtschaft/digitales/virtuelle-influencer-100.html

www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/kuenstliche-intelligenz-122.html

www.swr.de/swraktuell/radio/kuenstliche-intelligenz-wird-baden-wuerttemberg-ein-zweites-silicon-valley-100.html

www.swr.de/wissen/1000-antworten/was-ist-kuenstliche-intelligenz-100.html

Stand
AUTOR/IN
Mark Kleber