Irre Zeiten. Bauern dürfen – anders als Klimakleber – den Straßenverkehr lahmlegen, obwohl ihnen die Bundesregierung drei Viertel des Weges entgegenkam. Lokführer tun dasselbe auf der Schiene, weil ein Gewerkschaftsführer nicht genau das bekommt, was er will. Ihre Ziele stehen in keinem Verhältnis zum volkswirtschaftlichen Schaden.
Weshalb dann der Spuk? Weil sich nach meinem Eindruck der Deutsche Bauernverband noch immer politisch aufplustert, als verdienten die Deutschen hauptsächlich an Schweinen und Rüben. Verbandspräsident Joachim Rukwied besuchte mitten in der Protestwelle die Winterklausur der CSU. Er wurde nicht beschimpft wie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) von Bauern, sondern als Bruder im Geiste empfangen.
Je mehr Wut am leeren Gleis, desto besser
Der Gewerkschaft der Lokführer kommt zupass, was auch Ärzte und Piloten auszunutzen wissen: Ein Streik haut unmittelbar in den Alltag vieler Menschen. Sie kommen nicht weg und nicht heim. Je mehr Wut am leeren Bahngleis, desto besser! Wir dürfen noch froh sein, dass der Streik am Freitag endet und nicht erst nächste Woche.
Das Volk hat den Schaden, während an Politikern und Funktionären nichts hängenbleibt, im Gegenteil. Der vielbeschimpfte Cem Özdemir erzielt einen Mitleidseffekt. Endlich wissen so ziemlich alle Deutschen, wer das Bundeslandwirtschaftsministerium führt. Joachim Rukwied sicherte seine Wiederwahl und GDL-Chef Claus Weselsky hat es der Deutschen Bahn, aber eigentlich Millionen Bahnkunden, vor seinem Ruhestand noch einmal so richtig gezeigt.