Erwin Müller zeigt und äußert sich selten in der Öffentlichkeit. Bei der Eröffnung des neuen Hotels in Müllers Gebäude am Ulmer Münsterplatz Anfang März hat der Drogerieketten-Chef der Innenstadt jetzt aber eine dunkle Zukunft vorausgesagt. Schuld daran aus seiner Sicht: Stuttgart 21 und mangelnder Weitblick der Stadtverwaltung. Und dann fällt die Sanierung der Fußgängerzone auch noch in das Zeitfenster, in dem Stuttgart 21 in Betrieb gehen soll.
Auf die Frage, ob Ulm eine lebenswerte Stadt sei, antwortet Erwin Müller mit einem "Ja", und einem großen "Aber": "Die Stadtverwaltung müsste besser vorausdenken, "und das tut sie nicht", sagte er. Durch Stuttgart 21 werde Ulm in den nächsten Jahren abfallen. "Gute Geschäfte haben wir fast gar nicht mehr da. Die Leute, die gut einkaufen wollen, fahren nach Stuttgart. Und die Hirschstraße wird immer leerer werden."
Die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ist bereits in Betrieb, Stuttgart 21 soll planmäßig Ende 2025 folgen. Genau in dieser Phase könnte die Ulmer Fußgängerzone eine große Baustelle sein. Die Stadt will das Einkaufen und den Aufenthalt mit der Neugestaltung attraktiver machen. Erreicht sie am Ende damit das Gegenteil und verscheucht Kundinnen und Kunden in Richtung Landeshauptstadt?
Fußgängerzone wird zur Baustelle
Den von Erwin Müller vorgeworfenen mangelnden Weitblick will der Ulmer Baubürgermeister Tim von Winning (parteilos) so nicht stehen lassen. Getan werden müsse aber etwas: "Ich glaube, dass die reinen monofunktionalen Einkaufsstrukturen nicht mehr gewünscht sind von den Kundinnen und Kunden, sondern es sind eher Erlebnisräume Innenstadt." Genau das solle passieren. Früher sei die Umgestaltung nicht zu machen. "Das hat mit der Neubaustrecke nichts zu tun. Es ist ja auch noch nicht ganz gesichert, dass die Neubaustrecke 2025 abschließend in Betrieb geht. Das wäre für Ulm ein großer Vorteil."
Über die Auswirkungen der Neubaustrecke auf die Ulmer Innenstadt hat sich auch Josef Röll Gedanken gemacht. Der Einzelhandelsexperte der IHK Ulm sieht die Zukunft des Ulmer Handels aber optimistischer, anders als Erwin Müller. Gerade weil es in Ulm gute Geschäfte gibt, hat Ulm eine Chance, meint Josef Röll. So lange das Angebot attraktiv bleibe, kämen auch Leute. Und Ulm habe einen großen Vorteil gegenüber anderen Städten: "Das sind die Nebenlagen. Das sind vor allem die kleinen Boutiquen, die ihre Kunden sehr gezielt ansprechen."
Und in einem Punkt sind sich IHK und Stadtverwaltung einig: Was viele davon abhalten wird, der Ulmer Innenstadt den Rücken zu kehren, sind die Ticketpreise der Bahn. Dass die Leute gezielt mit dem ICE nach Stuttgart fahren, ist für Josef Röll unwahrscheinlich: "Wo die einfache Fahrt schon 27 Euro kostet, also hin und zurück 54 Euro, das ist doch eine Schwelle. Da wird es nicht viele geben, die das nutzen."
Dass Gruppen ab und zu einen Ausflug mit der Bahn zum Shoppen nach Stuttgart machen, das werde auch in Zukunft so sein. Im Normalfall würden sich die meisten das Geld sparen und weiterhin in Ulm einkaufen. Trotz düsterer Prognose dürfte das auch Erwin Müller freuen, schließlich hat auch er mehrere Geschäfte in der Ulmer Innenstadt. Jetzt ist auch noch eine Hotelkette Mieter in einer seiner Immobilien, für das er bei der Eröffnung, anders als für die Hirschstraße, eine sehr optimistische Prognose wagt: "Das wird laufen."