Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Ostalb-Heidenheim zieht Bilanz

Interview mit Hubert Kucher zu Bauernprotesten: "Wir haben einiges hinbekommen"

Stand

Vor einem Jahr fuhren die Bauern mit ihren Traktoren zum Protest auf - auch in Ellwangen. Hubert Kucher vom Kreisbauernverband Ostalb-Heidenheim bilanziert Erfolge, aber sieht auch Nachholbedarf.

Hubert Kucher, der Vorsitzende des Kreisbauernverbands Ostalb-Heidenheim, stand im vergangenen Jahr an der Spitze der massiven Bauernproteste in Ellwangen. Nun steht die nächste Bauernkundgebung auf dem Kalten Markt in Ellwangen an. Wir haben mit Kucher über die damaligen Ereignisse und seine heutigen Erwartungen an die Politik gesprochen.

Hubert Kucher, der Kreisvorsitzende des Bauernverbands Ostalb-Heidenheim
Hubert Kucher ist Kreisvorsitzender des Bauernverbands Ostalb-Heidenheim.

SWR Aktuell: Herr Kucher, der Druck auf die Politik vor einem Jahr hat Wirkung gezeigt: Die Traktoren blieben danach steuerfrei. Haben Sie trotzdem noch Wut im Bauch?

Hubert Kucher: Wut ist vielleicht übertrieben. Mich treibt einfach die Sorge um, die Sorge um die landwirtschaftlichen Betriebe. Es ist einfach noch vieles nachzuholen und von der Politik umzusetzen. Wenn ich nur alleine an die Bürokratie denke. In diesem Bereich haben wir sehr wenig erreicht und es hört auch gar nicht auf. Trotzdem haben wir einiges hinbekommen. Der Agrardiesel ist nicht sofort abgeschafft worden, sondern stufenweise. Und achtzig Prozent der Bevölkerung standen hinter diesen Demonstrationen. Und das hat natürlich schon auch Mut gemacht, weiterzumachen in Richtung Politik. Dieser Bürokratieabbau, das ist etwas, was nicht nur die Landwirtschaft sehr einschränkt, sondern die ganze Gesellschaft, ob Handwerk oder Industrie. Und dort müssen wir ran.

So hat sich Kucher im Telefoninterview zum Thema Bürokratie geäußert:

2.000 Landwirte waren während der Bauernkundgebung in Ellwangen. 700 Menschen passten in die Halle, viele blieben auf der Straße.
Rund 2.000 Landwirte waren während der Bauernkundgebung 2024 in Ellwangen. 700 Menschen passten in die Halle, viele blieben auf der Straße.

SWR Aktuell: Das klingt alles in allem so, dass Sie die Proteste des vergangenen Jahres als Erfolg einstufen. Unter welchen Vorzeichen steht denn dann die morgige Bauernkundgebung in Ellwangen? Eher das Feiern des Erfolges oder wird auch da wieder der Protest im Vordergrund stehen?

Kucher: Ich denke mal, es ist beides: Das Herausstellen des Erfolges und dann umschwenken auf die Herausforderungen der landwirtschaftlichen Betriebe. Ist ein Mercosur-Freihandelsabkommen mit Lateinamerika für uns wirklich so sinnvoll? Oder das "entwaldungsfreie Lieferkettengesetz", was ein bürokratisches Monster ist. Das müssen wir unserem Redner Manuel Hagel (CDU) einfach mit auf den Weg geben. Aber natürlich auch die Perspektive auf uns Bauern, das ist mir sehr wichtig, dass wir eine ganz tolle Landwirtschaft haben. Und wenn die Politik, wenn die Parteien dieses erkennen, dann geben sie uns den nötigen Freiraum, damit wir weiterhin gesunde, hochwertige Nahrungsmittel für unsere Bevölkerung erzeugen können.

Das "entwaldungsfreie Lieferkettengesetz" ist ein bürokratisches Monster.

SWR Aktuell: Manuel Hagel ist ja nun auch aussichtsreicher Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten im kommenden Jahr. Versprechen Sie sich speziell von ihm und seiner Politik Verbesserungen der Situation der Landwirte, vielleicht auch eine bessere Anerkennung?

Kucher: Das versprechen wir uns auf jeden Fall. Ich glaube, dass er näher an der Landwirtschaft ist und diese Situation der Landwirtschaft vielleicht auch ein bisschen besser versteht. Ich denke mal, er wird Verständnis dafür haben, dass wir in Richtung Ernährungssicherheit viel mehr machen müssen. Weil wir in der Ernährung vom Ausland abhängig sind und das kann ein Land wie Deutschland nicht auf Dauer aushalten. Wenn wir nicht genügend Nahrungsmittel in Deutschland für unsere Bevölkerung erzeugen können, wird der soziale Friede sehr schnell dahin sein und das glaube ich schon, dass Hagel das besser erkennt.

Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir ging 2024 nach der Rede in der Halle aus Sicherheitsgründen nicht auf die Bühne vor der Stadthalle. Er beantwortete Fragen der Landwirte von einem Anhänger aus.
Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir ging 2024 nach der Rede in der Halle aus Sicherheitsgründen nicht auf die Bühne vor der Stadthalle. Er beantwortete Fragen der Landwirte von einem Anhänger aus.

SWR Aktuell: Sehen Sie dasselbe auch beim jetzigen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, der ja vergangenes Jahr auf der Ostalb war und in dieser aufgeheizten Stimmung auch das Gespräch gesucht hat? Wie werten Sie aus der Rückschau seinen damaligen Auftritt?

Kucher: Ja, es ist zumindest mal so, dass er anwesend war, uns zugehört hat. Aber da ist noch viel Luft nach oben. Er erkennt schon die Situation der Landwirtschaft. Aber er ist halt bei der Partei der Grünen und ich denke mal, da ist er nicht ganz frei und eher ein Hemmschuh für uns Landwirte, anstatt uns nach vorne zu bringen. Das hat er als Bundeslandwirtschaftsminister ja immer wieder gezeigt, dass er letztendlich die Landwirtschaft in Deutschland eher bremst und mit mehr Auflagen belegt.

Symbolträchtiges Abschiedsgeschenk für den Bundesminister: Bauernverbandschef Hubert Kucher übergibt Cem Özdemir (Grüne) eine Hacke - und dankt für dessen Durchhaltevermögen.
Symbolträchtiges Abschiedsgeschenk für den Bundesminister: Bauernverbandschef Hubert Kucher übergibt Cem Özdemir (Grüne) eine Hacke - und dankt für dessen Durchhaltevermögen.

SWR Aktuell: Es wird bald eine neue Bundesregierung geben. Was sind Ihre Erwartungen an die Bundespolitik?

Kucher: Ganz klar, wir brauchen zuerst einmal diesen Agrardiesel. Es braucht Subventionen mindestens auf dem alten Niveau, damit wir eine Wettbewerbsgleichheit haben und keine Wettbewerbsverzerrung gegenüber den anderen europäischen Ländern. Dann brauchen wir mehr Freiheit in der Erzeugung der Lebensmittel, damit wir Naturschutz, Umweltschutz und landwirtschaftliche Erzeugung in Einklang bringen und nicht nur überzogene Naturschutzforderungen umsetzen müssen. Wir sind Teil der Lösung und nicht Teil des Problems. Und deswegen brauchen wir wieder diese Freiheiten, damit die Betriebe wieder eine wirtschaftliche Zukunft haben, damit sie wieder Spaß an der Landwirtschaft, der Erzeugung und an der Tierhaltung haben.

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