Eine Person hält Tabletten und Vitaminpräparate von Calcium, Vitamin D und Magnesium in der Hand. Etwa jeder Dritte nimmt regelmäßig Vitamine in Pulver- oder Pillenform ein. In der Corona-Pandemie ist der Absatz solcher Produkte gestiegen. Die Einstellung «kann ja nicht schaden» ist falsch, warnen Experten

Lieferengpass bei 200 Arzneimitteln

Uniklinik Tübingen mischt knappe Medikamente selbst

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AUTOR/IN
Miriam Plappert

Fiebersaft, Antibiotika, Mittel gegen Wehen: Über 200 Medikamente sind am Uniklinikum Tübingen knapp. Einen Teil stellt die Uni-Apotheke mittlerweile selbst her.

Die Lieferengpässe bei vielen Medikamenten bekommt auch die Apotheke der Uni-Klinik in Tübingen zu spüren. Bei über 200 Medikamenten gibt es Probleme mit dem Nachschub. Ständig kommt es zu Lieferschwierigkeiten und -ausfällen.

Hans-Peter Lipp ist Chefapotheker des Universitätsklinikums Tübingen. Er und seine Mitarbeiter haben in letzter Zeit alle Hände voll zu tun: Sie versuchen Alternativen für Medikamente zu finden, die es gerade nicht zu kaufen gibt.

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Wichtige Antibiotika sind nicht zu bekommen

Zum Beispiel fehlt das Antibiotikum Cotrimoxazol. Immungeschwächte Menschen brauchen es nach einer Stammzellentransplantation. In öffentlichen Apotheken sind die Tabletten laut Lipp kaum bis gar nicht mehr zu erhalten. Solange es noch gehe, versorge die Uniapotheke ihre Patienten aus dem eigenen Vorrat, auch für die Behandlung zu Hause. Ein Ende des Mangels sei nicht abzusehen.

Medikamenten-Mangel an der Kinderklinik

Auch die Tübinger Kinderklinik ist mittlerweile vom Medikamenten-Mangel betroffen. Sowohl Standardmedizin wie Fiebersaft als auch spezielle Medikamente für immungeschwächte Kinder mit einer Krebserkrankung sind laut einer Kliniksprecherin knapp. Viele Fiebersäfte kommen aus dem asiatischen Raum. Wegen der Null-Covid-Strategie in China sind immer noch viele Produktionsstätten geschlossen.

Universitätsapotheke stellt einige Medikamente selbst her

Auch wirtschaftliche Gründe spielen eine Rolle, sagte Chefapotheker Lipp. Medikamente, die sich finanziell nicht lohnen, werden von den Pharmafirmen nicht weiter hergestellt. So zum Beispiel eine Infusion, die Intensivpatienten brauchen. Die Uniapotheke stellt die Lösung mittlerweile selbst her. Lipp und sein Team schauen sich die Zusammensetzung des Medikaments an, bestellen die entsprechenden Rohstoffe und mischen sie zusammen. Auch die Kapseln für ein Medikament gegen Wehen befüllt die Uniapotheke mittlerweile selbst. Aktuell würden zwischen 10 und 20 Medikamente selbst hergestellt.

Versorgung nicht überall gesichert

Nicht alle fehlenden Medikamente kann die Uniapotheke selbst produzieren und nicht immer findet sich eine Alternative. Besonders schwierig sei die Situation bei Medikamenten gegen Krebs - bei den so genannten Immunglobulinen, sagte eine Sprecherin. Um überhaupt noch irgendwie an das Medikament zu kommen, hätten sich zwölf Unikliniken zu einer Einkaufsgemeinschaft zusammengeschlossen, berichtete Chefapotheker Lipp. Als einzelne Klinik sei man chancenlos.

Wie wirkt sich der Mangel auf die Patienten aus?

Als vor wenigen Wochen ein wichtiges Notfallmedikament plötzlich nicht mehr zu haben war, sei ein Wettlauf gegen die Zeit losgegangen, sagte Lipp. Knapp sei es aber noch gelungen, die Patienten zu versorgen.

Eine Ursache: Abhängigkeit von China und jahrelanges Sparen

Eine Ursache für die Medikamenten-Engpässe sieht Lipp in der Abhängigkeit vom asiatischen Markt. Sehr niedrige Preise, die man in Deutschland gerne mitgenommen habe, hätten zu einem Monopol Asiens geführt.

"Nun diktiert der Monopolist die Preise und erhöht sie in wenigen Jahren um das teilweise Zwei- bis Zehnfache."

Teilweise gebe es weltweit nur noch einen Rohstoff-Hersteller. Komme es dort zu einem Qualitätsproblem, stehe über Monate kein entsprechender Arzneistoff mehr zur Verfügung.

Deutschland - einst Weltspitze bei der Medikamentenherstellung, heute abhängig von Herstellern aus Fernost. Wie ist es dazu gekommen? Ein Kurzvideo von SWR Wissen:

Welche Medikamente gerade von Lieferengpässen betroffen sind und was als mögliche Alternative infrage kommt, lässt sich auf der Webseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nachlesen.

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Miriam Plappert