Stiftskirche (Foto: SWR, Roland Altenburger)

OB-Kandidatinnen empört

Nach Kritik von Boris Palmer: Kandidat-O-Mat für OB-Wahl in Tübingen abgesagt

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Für die Oberbürgermeisterwahl in Tübingen wird es keinen Kandidat-O-Mat geben. Das hat die Landeszentrale für politische Bildung entschieden. Die Absage stößt auf Unverständnis.

Am 23. Oktober wird in Tübingen eine neue Oberbürgermeisterin oder ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Wenn Wählerinnen und Wähler wissen möchten, welcher Kandidat oder welche Kandidatin mit Ihren Ansichten am meisten übereinstimmt, dann können sie in der Regel einen Kandidat-O-Mat nutzen. Der Kandidat-O-Mat ist ein Online-Angebot vergleichbar mit dem Wahl-O-Mat, den viele schon von der Landtags-, Bundestags- oder Europawahl kennen. Bürger können ihre Positionen zu lokalpolitischen Fragen mit denen der Kandidaten vergleichen.

Studierende beim Workshop zur Planung des Kandidat-O-Mat für die OB-Wahl Tübingen (Foto: SWR, Nathalie Waldensspuhl)
Studierende sortieren im Workshop mögliche Top-Themen für den OB-Wahlkampf in Tübingen

Fragen wurden vorab an Kandidierende geschickt

Soll in ganz Tübingen Tempo 30 gelten? Soll es mehr Gastronomie in der Altstadt geben? Solche und viele weitere Fragen waren angedacht für den Kandidat-O-Mat zur Tübinger OB-Wahl. 78 Prüfsteine hatten Studierende gemeinsam mit Fachleuten der Landeszentrale für politische Bildung in Bad Urach (Kreis Reutlingen), Politikwissenschaftlern und Journalisten ausgearbeitet. Die Fragen wurden vorab an die Kandidierenden geschickt, damit sie dazu Stellung nehmen, ihre Position erklären.

Oberbürgermeister Palmer kritisiert Fragen für Tübingen

Amtsinhaber Boris Palmer entdeckte dann aber Fehler. So wurde etwa gefragt, ob Tübingen dem Aktionsbündnis "Seebrücke" beitreten soll. Dort ist die Stadt aber schon seit drei Jahren Mitglied. Ebenso fragwürdig war die Frage nach besserer Bezahlung für Tagesmütter. Dafür ist jedoch nicht die Stadt zuständig, sondern das Landratsamt.

Landeszentrale in Bad Urach fehlt Zeit für Korrekturen

Die Kritik ist durchaus berechtigt, findet Sibylle Thelen, die Direktorin der Landeszentrale für Politische Bildung mit Sitz in Bad Urach (Kreis Reutlingen). Dort war man auf die Idee gekommen, den Kandidat-O-Mat zu entwickeln. Junge Leute, Schüler und Studierende sollten mitmachen. Ihnen wurden Fachleute der Landeszentrale, der Tübinger Uni sowie Journalisten zur Seite gestellt. In Stuttgart war der Kandidat-O-Mat ziemlich erfolgreich. Im Vorfeld der letzten OB-Wahl hatten ihn laut Landeszentrale 250.000 Personen genutzt angeklickt. Für Tübingen hat Thelen das Projekt jetzt gestoppt, weil die Zeit fehlt, um die Fragen zu überarbeiten.

Kritik an Absage von OB-Kandidatin Baumgärtner

Die Grüne OB-Kandidatin Ulrike Baumgärtner kritisiert die Absage. Die Entscheidung, den Kandidat-O-Mat aufgrund der Kritik von Oberbürgermeister Palmer abzusagen, sei ein skandalöser Vorgang. Boris Palmer verweigere sich der politischen Auseinandersetzung in der Frage, wer der oder die nächste Oberbürgermeisterin von Tübingen werden soll.

"Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb die Thesen nicht überarbeitet werden können."

Aus einem großen Repertoire von insgesamt 170 Thesen wurden 78 zur Beantwortung ausgewählt und den Kandidaten zugesendet. Es gebe also ausreichend Alternativen, auf die zurückgegriffen werden könne, so Baumgärtner. Deshalb bittet sie Frau Thelen, ihre Entscheidung, den Kandidat-O-Mat zu stoppen, nochmals zu überdenken.

Geisel: Absage unverständlich

Auch die Tübinger OB-Kandidatin Sofie Geisel findet es bedauerlich und unverständlich, dass das Vorhaben jetzt abgesagt wird, nur weil Palmer eine Änderung des Fragebogens fordert. Der aktuelle Oberbürgermeister wolle einen Wahlkampf im Schlafwagen und er scheue die Konfrontation, so Geisel. Der Kandidat-O-Mat stelle besonders die Unterscheidbarkeit einzelner Kandidierender dar und sei deshalb ein wichtiges Instrument für die Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger vor der Oberbürgermeisterwahl.

Kandidat-O-Mat in Freiburg

Es ist nicht das erste Mal, dass Kritik am Kandidat-O-Mat laut wird. Als der bei der OB-Wahl in Freiburg zum Einsatz kam, weigerte sich der damalige Amtsinhaber Salomon, die an ihn geschickten Fragen zu beantworten. Er sagte, man könne komplexe politische Inhalte nicht auf "ja-nein" reduzieren. Und Fragen zu Themen wie Cannabis-Legalisierung seien sinnlos, weil das keine OB-Entscheidungen seien. Die Beschäftigten der Landeszentrale sehen das anders. Ihrer Ansicht nach gehe es auch darum abzufragen, wie ein Kandidat tickt, auch wenn er ein Thema nicht selbst entscheiden kann.

Nackt im Freibad Tübingen

Hinsichtlich dieses Aspektes hätten in Tübingen Fragen nach der Bezahlung von Tagesmüttern durchaus nützlich sein können. Im Falle Palmer unterstellen auch manche, dass er sich um Antworten auf einige Fragen herumdrücken will. Etwa, ob man erlauben soll, dass im Tübinger Freibad alle "oben ohne" baden dürfen.

So berichtete Ulrike Mix im Radio über das Aus für den Kandidat-O-Mat

SWR-Reporterin Ulrike Mix war als Journalistin am Workshop der Landeszentrale beteiligt, bei dem die Themen und Fragen für den Kandidat-O-Mat entwickelt wurden. Der SWR und das Schwäbische Tagblatt sind Partner der Landeszentrale bei dem Projekt. Abgesagt hat die Landeszentrale den Kandidat-O-Mat aber ohne Rücksprache mit den Redaktionen.

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