Rund 200.000 Euro stellt das Sozialministerium für die Einrichtung von weiteren öffentlichen Toiletten bereit, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit besonders schweren Behinderungen ausgerichtet sind. Bisher gibt es in Baden-Württemberg rund 80 "Toiletten für Alle". 70 von ihnen wurden mit Landesmitteln gefördert, mindestens 18 weitere sind in Planung. Aber reicht das?
Verband schätzt: 380.000 Menschen könnten profitieren
"Wir sehen das pragmatisch", sagt Jutta Pagel-Steidel im SWR-Gespräch dazu. Sie ist Geschäftsführerin des Landesverbandes für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung in Baden-Württemberg. Natürlich gebe es noch weiße Flecken auf der Landkarte, aber jede weitere "Toilette für Alle" sei ein Gewinn und ein Beitrag zur Normalität für die Betroffenen.
Allein in Baden-Württemberg leben nach einer Schätzung des Landesverbandes rund 380.000 Menschen mit Inkontinenz oder einer schweren körperlichen Behinderung, die von der "Toilette für Alle" profitieren können.
Konventionelle Rollstuhl-Toiletten sind zu eng
Das Thema Inkontinenz sei noch immer sehr schambehaftet. Deshalb werden die Betroffenen in der Öffentlichkeit laut Pagel-Steidel kaum wahrgenommen. "Den Leuten ist das schlicht peinlich - darum bleiben sie im Zweifel lieber zu Hause, wenn es keine Möglichkeit für sie gibt, beispielsweise ihre Windeln zu wechseln", erklärt Pagel-Steidel.
Eine konventionelle Rollstuhl-Toilette sei dafür nicht geeignet. Denn dort müssten sich die Betroffenen für die Prozedur auf den Boden legen. "Außerdem sind sie mit standardmäßig fünfeinhalb Quadratmetern zu eng", so Pagel-Steidel. Ab sieben Quadratmetern gehe es, ideal seien zehn oder elf.
Baden-Württemberg fördert bislang als einziges Bundesland
Zur Ausstattung der "Toilette für Alle" gehören eine höhenverstellbare Liege und ein elektrischer Lift, der Personen sicher vom Rollstuhl auf die Toilette oder Liege hebt, sowie ein luftdicht verschließbarer Mülleimer. Baden-Württemberg ist bislang das einzige Bundesland, das sie fördert - gesetzlich vorgeschrieben ist sie nicht.
"Menschen mit Behinderungen sollen selbstverständlich am gesellschaftlichen Leben teilhaben können", lässt sich Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) in einer Pressemitteilung des Sozialministeriums vom Montag zitieren. Um die Situation zu verbessern, fördere das Sozialministerium auch mobile Varianten, zum Beispiel einen entsprechend ausgestatteten Container für Veranstaltungen im Freien.
Wer kann Förderanträge stellen?
Das Sozialministerium fördert bis zu 90 Prozent der Kosten für die Ausstattung bis zu einem Betrag von maximal 12.000 Euro. Bei maximaler Ausschöpfung des Förderbetrags reichen die nun zur Verfügung gestellten 200.000 Euro also zur Ausstattung von 16 weiteren "Toiletten für Alle". Entsprechende Förderanträge können Gemeinden und Kreise, öffentlich-rechtliche und private Organisationen, Vereine und Träger von öffentlich zugänglichen Einrichtungen stellen.
Bereits fertig eingerichtete "Toiletten für Alle" gibt es beispielsweise im Erlebnispark Tripsdrill bei Cleebronn (Kreis Heilbronn), im Bäderpark in Leimen (Rhein-Neckar-Kreis), im Naturschutzzentrum Wurzacher Ried in Bad Wurzach (Kreis Ravensburg), im Einkaufszentrum Klett-Passage sowie in der Mercedes-Benz Arena in Stuttgart, im Europa-Park Stadion in Freiburg und demnächst auch im Pfahlbauten Museum in Unteruhldingen (Bodenseekreis). Eine Karte mit allen Standorten in Baden-Württemberg gibt es hier.