Es hatte ein bisschen etwas von einem Familienausflug, was sich am Freitagvormittag in Todtnau im Schwarzwald abspielte: Im gemusterten Wollpullover und bei frühlingshaften Temperaturen begrüßte Robert Habeck Ministerpräsident Winfried Kretschmann und die Grünen-Bundestagsabgeordnete Chantal Kopf. Begleitet von einer Schar an Journalisten wanderte das Grünen-Trio zu den Todtnauer Wasserfällen, wo sich Robert Habeck eine kurze Erfrischung mit dem eiskalten Bergwasser nicht nehmen ließ.

So locker diese Bilder auch anmuteten: Sie sind Teil der Wahlkampf-Tour des Kanzlerkandidaten der Grünen in Südbaden. So äußerte sich Habeck am Rande der Wanderung zu verschiedenen Themen, die seine Partei nach der Wahl als Teil der neuen Regierung voranbringen wollen würde - von der finanziellen Entlastung einkommensschwacher Familien bis zum Kernthema der Grünen, dem Klimaschutz. Dieser sei "Freiheitschutz und Menschenlebenschutz, vielleicht sogar Menschheitsschutz", so Habeck, der sich in diesem Kontext und zunehmend wärmerer Winter auch zur Zukunft des Tourismus im Schwarzwald äußerte.
Plädoyer gegen "Ausschließeritis"
Angesprochen wurde er auch auf eine mögliche Koalition der Grünen mit der CDU, die sich kürzlich lautstark für die Zurückweisung von Geflüchteten an der Grenze ausgesprochen hatte. Darauf sagte Habeck, dass man trotz inhaltlicher Differenzen zwischen den Parteien keine "Ausschließeritis" betreiben solle. "Man darf nicht vergessen, was in Österreich passiert ist", mahnte der Kanzlerkandidat. Dort sei die Regierungsbildung zwischen demokratischen Parteien gescheitert, "obwohl sie wussten, dass dann die FPÖ - also die österreichische AfD - regiert. Diesen Fehler sollten wir in Deutschland nicht wiederholen."
"Heimspiel" für Robert Habeck musste verlegt werden
Die Wanderung in Todtnau (Kreis Lörrach) war nur der Auftakt des straffen Programms von Habecks Südbaden-Besuch. Am frühen Abend stellte er sich im Freiburger Paulussaal zunächst dem Gespräch mit der Badischen Zeitung. Anschließend trat der 55-Jährige, der in Freiburg studiert hat, gemeinsam mit Chantal Kopf in der Sick Arena der Freiburger Messe auf. Die Veranstaltung sollte ursprünglich im Forum Merzhausen stattfinden, wurde wegen der großen Nachfrage und aufgrund besserer Sicherheitsvorkehrungen aber verlegt.
3.000 Menschen hat die Wahlkampfveranstaltung angezogen. Obwohl in der großen Halle der Messe extra Stehplätze eingerichtet wurden, mussten etwa 300 Menschen wegen Platzmangels draußen bleiben. Das trübte die Stimmung im Saal nicht. Viele überzeugte Stammwählerinnen und -wähler haben sich gefreut, ihren Kanzlerkandidaten einmal live zu sehen. Sie wollten wissen, wer die Person ist, die sie wählen wollen. "Er ist sympatisch, er wird gewählt", sagte etwa eine junge Gästin.

Andere sind noch unentschlossen, wen sie wählen - so wie Isabelle Jause-Ritter aus dem Freiburger Umland. Sie erwartete "Informationen und die Möglichkeit zu unterstützen, dass wir in der Demokratie bleiben." Denn die Sorge unter den Grünen-Anhängern vor dem Rechtspopulismus ist groß.
Außerdem kamen Klimaaktivistinnen und -aktivisten der Fridays for Future Ortsgruppe Freiburg. Sie wollten prüfen, was Robert Habeck zum Thema Klima sagt. "Wir hoffen, dass er Klima den Stellenwert gibt, den es hat. Das bedingt alle Krisen. Wenn wir nichts tun, sind wir wirklich verloren", sagte Merlin Geburek, 23, von Fridays for Future Freiburg.
SWR-Reporterin Nadine Zeller war vor Ort und berichtet von der Veranstaltung:
Klima, bezahlbarer Wohnraum und Europa
In ihrer Rede sprach sich Chantal Kopf für Klimaschutz aus. Sie schwärmte von ihrem "wundervollen Wahlkreis" und lobt das Engagement der Freiburgerinnen und Freiburger für den Klimaschutz. Dabei verwies sie auf den Boom der Balkonsolarzellen in Freiburg, das Recycling von Windrädern in der Region und lobte, dass die Bürgerinnen und Bürger für das Klima auf die Straße gingen. Außerdem sei bezahlbarer Wohnraum ein wichtiges Thema für sie.
Die Grünen sind die einzigen Erwachsenen im Raum.
Als Robert Habeck gegen kurz vor 21 Uhr die Bühne betrat, brandete Applaus auf. Der Kanzlerkandidat und die europapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen riefen dazu auf, nicht der Verführung des Populismus zu erliegen. Habeck warnte vor dem Ergebnis der Bundestagswahl am 23. Februar: "Das könnte der Tag sein, wo die Grenze zur Zusammenarbeit mit der AfD heruntergelassen wurde."
Auch in der Messe blickte er wieder mit sorgenvollem Blick auf Partnerländer Deutschlands in der Europäischen Union. Mit Verweis auf eine womöglich rechtsextreme Regierung der FPÖ in Österreich und die rechtspopulistische Fidez-Partei von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, sagte er weiter: "Hier darf nicht Österreich werden, wir dürfen nicht Ungarn sein wollen und wir dürfen nicht Österreich werden wollen." Gemeinsam wollen Habeck und Kopf Europa zusammenhalten und für Klimarechte kämpfen.
Enges Rennen um Direktmandat prognostiziert
Wer am 23. Februar das Direktmandat in Freiburg gewinnt, ist noch vollkommen offen. Bei den vergangenen vier Bundestagswahlen ergatterten drei verschiedene Parteien das Mandat im Wahlkreis 281 (Stadt Freiburg inklusive 19 Umlandgemeinden). Die CDU, die das Direktmandat 2013 von der SPD übernommen hatte, erhielt auch 2017 die meisten Stimmen, bevor der Wahlkreis bei der vergangenen Wahl an die Grünen ging.
Ob Chantal Kopf, die sich im September 2021 mit 28,8 Prozent der Erststimmen durchsetzte und in den Bundestag einzog, ihr Mandat verteidigen kann, wird sich erst am Wahlabend zeigen. Denn auch Klaus Schüle (CDU) und Ludwig Striet (SPD) rechnen sich Chancen aus, in Freiburg zu gewinnen. Angesichts der aktuellen Umfragewerte könnte es am Ende auf einen Zweikampf zwischen Kopf und Schüle hinauslaufen, also zwischen den Grünen und der CDU.