Die Winzer und Verbände in Südbaden sind erleichtert: Das Pestizidgesetz kommt doch nicht

Ohne Pflanzenschutzmittel gehe es nicht

Südbadens Winzer sind erleichtert: Pestizidgesetz kommt doch nicht

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Jasmin Bergmann

Das Pestizidgesetz hätte vor allem den Weinanbau betroffen und ihn laut Branche damit fast unmöglich gemacht. Mit dem Gesetz sollte der Pestizideinsatz verringert werden.

Die EU-Kommission stellt angesichts der jüngsten Bauernproteste ihren Plan zur Halbierung des Pestizideinsatzes infrage. Das Vorhaben sei ein "Symbol der Polarisierung", sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag vor dem EU-Parlament. Das lässt in Südbaden insbesondere Winzer aufatmen, die Weinbau ohne Pflanzenschutz in der Region nicht für machbar halten.

Über 30 Hektar Reben hat Florian Schneider im ganzen Kaiserstuhl verteilt. Der Winzer wohnt in Oberbergen, ein Ortsteil von Vogtsburg im Kaiserstuhl (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald). Wäre das Pestizidgesetz eingeführt worden, dann wäre der Weinanbau in der Region ausgestorben, sagt er: "Die Wein-Branche ist mittlerweile eh sehr schwierig geworden." Die Menschen trinken weniger Alkohol. Wenn die Winzer dann auch noch kaum Pflanzenschutzmittel verwenden dürfen, würde es den Weinanbau noch riskanter machen, sagt Schneider.

Ohne Pflanzenschutzmittel geht es nicht.

Nehme man als Beispiel eine lange Nässeperiode. Ohne Pflanzenschutzmittel hätten die Winzer dann 80 bis 90 Prozent Ertragsausfall, erklärt er. Das könne keiner auf Dauer. "Ohne Pflanzenschutzmittel geht es nicht", sagt der Winzer. Dafür war er im vergangenen November in Straßburg. Durfte dort im EU-Parlament vorsprechen mit anderen Vertretern. Er hat erklärt, was für Auswirkungen ein solches Gesetz auf seine Branche hätte.

Pestizide im Weinanbau in Maßen und variabel

Auch der Badische Weinbauverband mit Sitz in Freiburg bestätigt: "Weinbau ohne Pflanzenschutz ist grundsätzlich in unserer Region mit diesen klimatischen Bedingungen nicht möglich", sagt Geschäftsführer Holger Klein. Es gebe beispielsweise viele Pilzkrankheiten, die nur mit solchen Mitteln bekämpft werden könnten. Die Wein-Branche sei nicht generell dagegen, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren. "Aber alles mit Maß und Verstand", sagt Klein.

Beispielsweise müsse es die Möglichkeit geben, auf Extremjahre reagieren zu können - und dann eben mehr zu spritzen. Laut Klein könne man den Einsatz dieser Mittel nicht allgemein bestimmen. Es müsse von Jahr zu Jahr entschieden werden.

Pestizidgesetz wäre nicht umsetzbar gewesen

Der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband (BLHV) in Freiburg hat das Gesetz schon früh kritisiert. "Das wäre nicht umsetzbar", sagt Pressesprecher Padraig Elsner. Die Vorhaben seien mit den Strukturen in der Landwirtschaft in Baden-Württemberg nicht vereinbar. "Das würde viele Existenzen aufs Spiel setzen", sagt er. Der Verband hält generell Verbote für den falschen Weg. Besser sei es, die Landwirtschaft zu fördern, so Elsner.

Das (Gesetz) würde viele Existenzen aufs Spiel setzen.

Sowohl die Verbände wie auch Winzer Florian Schneider beteuern aber: "Wir versuchen, integrierten Pflanzenschutz zu betreiben und so wenig wie nötig Pestizide zu verwenden - aber ohne geht es halt leider nicht", erklärt Schneider.

Ökowinzer kommt ohne Pestizide aus

Johannes Kiefer sieht das etwas anders. Er betreibt das ökologische Weingut Johannes-Kiefer in Eichstetten am Kaiserstuhl. Er verzichtet auf Pestizide, hat mittlerweile auf seinen drei Hektar nur noch pilzwiderstandsfähige Rebsorten - sogenannte Piwis. Das Gesetz hätte ihn nicht betroffen. Dass es aber nun gekippt wurde, findet er schade. "Es wäre umsetzbar und eine Chance gewesen für einen Wandel", sagt Kiefer. Seiner Meinung nach müsste die Branche mehr auf Piwis setzen. "Es kostet aber definitiv mehr Nerven", gibt er zu. Und es müsse eine gewisse Risikobereitschaft da sein.

Florian Schneider sieht das mit den Piwis noch etwas kritisch: Die Verbraucher müssten diesen Wein auch konsumieren. "Das ist eine Generationen-Aufgabe", sagt Schneider. Er glaubt nicht, dass sich der Weinmarkt innerhalb von fünf Jahren so verändert.

Nur etwas optimistisch nach Wegfall des Gesetzes

Ob Florian Schneider jetzt erleichtert ist, dass das Pestizidgesetz zurückgezogen wurde? Ja, aber er sieht es auch realistisch. Er vermutet, dass es in ein paar Jahren wieder ein neues Gesetz geben wird, eine neue Verordnung, dass die Politik es nicht darauf beruhen lässt. Das denken auch die beiden Verbände. Sie hoffen aber, dass sie dann die Möglichkeit haben, mitsprechen zu können.

Ein Ende der Bauernproteste?

Auch wenn das schon ein kleiner Erfolg war: Streiken will Florian Schneider trotzdem weiter. Noch ist nicht alles erreicht. Schneider hatte schon einen Bauernprotest in Breisach organisiert. "Wir müssen weitermachen", sagt auch Padraig Elsner vom BLHV, "weil wir festgestellt haben, dass wir nur so gehört werden."

Das wollte das Pestizidgesetz erreichen

Der Kommissionsvorschlag sah vor, dass Landwirte im kommenden Jahr deutlich weniger Pestizide verwenden müssen. Bis 2030 sollten dann insgesamt 50 Prozent weniger Pestizide eingesetzt werden. Das Gesetz hatte das Ziel, das Artensterben eindämmen.

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