Erzbischof Stephan Burger äußert sich während einer Pressekonferenz zu Lehren aus dem Missbrauchsskandal. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Patrick Seeger)

"Sonntagspredigt" anstatt Glaubwürdigkeit

Was folgt auf Freiburger Missbrauchsbericht? Betroffener skeptisch

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Wera Engelhardt
Wera Engelhardt (Foto: SWR)

Ein Betroffener aus Oberharmersbach bezweifelt, dass sich durch den Bericht etwas verbessert. Er wurde als junger Messdiener jahrelang missbraucht - und damit alleine gelassen.

Am Dienstag wurde der lange angekündigte Bericht zu Machtstrukturen und Missbrauch in der Erzdiözese Freiburg veröffentlicht. Bei der Pressekonferenz der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauch war auch Erzbischof Stephan Burger anwesend. Nach der Veröffentlichung gab er ein erstes Statement ab und verlieh dabei seiner Fassungslosigkeit über das Verhalten seines Vorgängers Robert Zollitsch Ausdruck. Gegen Zollitsch erhebt der Missbrauchsbericht schwere Vorwürfe. In der Analyse sei zutage getreten, wie detailiert und weitreichend ihm systematische Vertuschung anzulasten ist.

Betroffener aus Oberharmersbach zieht ernüchternde Bilanz

Die Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauch in der Erzdiözese Freiburg geht von mehr als 250 Priestern als mögliche Täter aus und von mehr als 540 Betroffenen. Einer davon ist Raphael Hildebrandt aus Oberharmersbach im Ortenaukreis. Einer der wenigen, der immer wieder offen darüber gesprochen hat, dass er als junger Messdiener jahrelang missbraucht wurde. Er hat sich die Pressekonferenz zur Veröffentlichung des Missbrauchsberichts ganz genau angesehen - seine Bilanz ist ernüchternd.

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Statement von Erzbischof Burger - "eine Sonntagspredigt"

Hildebrandt hoffte auf Antworten. In einem Nebenraum hat er die Pressekonferenz zum Missbrauchsbericht für das Erzbistum Freiburg verfolgt. Zugehört, wie Erzbischof Stephan Burger Betroffene wie ihn um Entschuldigung bittet. Doch verzeihen kann er der Kirche nicht. Er könne dem, was er da zu hören bekam, nichts abgewinnen. Es mute ihn wie eine Sonntagspredigt an, sagte Hildebrandt.

"Ich rege mich innerlich derart auf, kriege eine Wut - ich kann ihm das nicht glauben. Geht nicht."

Öffentlichkeit wurde angelogen - das macht Kirche unglaubwürdig

Hildebrandt könne nicht glauben, dass die Kirche es nun wirklich ernst meint mit der Aufklärung von Hunderten vertuschter Missbrauchsfälle. Aber er sei froh, dass die Taten jetzt zumindest auf den Tisch kommen, sagt er: "Wir wissen ja, wie es damals gelaufen ist. Aber jetzt ist es zumindest gut, dass man es von offizieller Seite her einmal hört. Dass auch die Öffentlichkeit mal wirklich mitkriegt, wie das so gelaufen ist. Dass sie wirklich angelogen worden sind."

Vertuschter Missbrauch: "wahnsinnige und unvorstellbare Last" für Betroffene

Oberharmersbach in der Nähe von Offenburg - hier wurde Raphael Hildebrandt als junger Messdiener missbraucht, Hunderte Male. Der damalige Personalreferent und spätere Erzbischof Robert Zollitsch habe die Taten des Pfarrers vertuscht. In Worte könne man das gar nicht fassen, so Hildebrandt. Fakt sei, es beginne ab da ein ganz neues Leben mit einem selber. Man wisse nicht, was passiert. Und dann noch als Kind damit umzugehen und es nicht nach außen tragen zu dürfen - das sei eine wahnsinnige Last, das könne man sich gar nicht vorstellen.

Alle Missbrauchsopfer brauchen Respekt, Anerkennung und Gleichbehandlung

Heute spricht Raphael Hildebrandt offen über seine Geschichte. Er will damit auch eine Stimme für Betroffene sein, die nicht in der Öffentlichkeit stehen wollen: "Es geht um Entschädigung, dass das jetzt auch richtig gemacht wird, und zwar für jeden, sodass er zufrieden sein kann. Für alle Opfer, für alle gleich, dass alle gleichbehandelt werden. Das ist die Priorität."

Mit dem Erlebten abzuschließen, glaubt Raphael Hildebrandt, wird ihm nicht gelingen. Aber es geht ihm um den Respekt der Kirche - und damit auch um die Anerkennung, die alle Betroffenen letztlich verdienen.

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