Die Staatsoper Stuttgart ist am Ende. Zu dem Schluss kam schon mancher Beiwohnende der Aufführung "Sancta", der bei zu viel Nacktheit und Brutalität auf der Bühne medizinisch betreut werden musste. Aber wir wollen uns heute nicht mit künstlerischen, sondern mit tatsächlichen Baustellen der Staatsoper beschäftigen: Proben, während über einem das Wasser durch die Decke kommt. Wänden, in denen zentimetergroße Risse klaffen. Künstler, die um ein Loch in der Bühne herum improvisieren müssen.
Hallo zusammen, ich bin Frieder Kümmerer, SWR Reporter im Studio Stuttgart. Und ich habe mir diese Woche mal die Stuttgarter Oper angeschaut. Keine Aufführung, sondern ein Rundgang entlang der größten Schäden des historischen Littmann-Baus.
- Abgestützte Wände und Risse: Das sind die Schäden
- Was erleben die Künstlerinnen und Künstler?
- Irgendwie durchhalten bis zur Sanierung
Technischer Leiter: "Provisorium um Provisorium"
Direkt neben der großen Opernbühne gibt es ein kleines Treppenhaus. Über Holzstufen geht es Stockwerk um Stockwerk hinauf, bis über die Bühne und dann weiter unters Dach. "Was macht die Kondition?", fragt Arno Laudel lachend. Er ist der technische Leiter der Oper und zeigt, wo überall die Sanierung dringend Not tut. "Hier, hinter dieser Betonwand von 1912, hängt der Eiserne Vorhang", erklärt er. Es ist genau das, wonach es klingt, eine Art Eisenwand, die jeden Abend nach der Vorstellung heruntergelassen wird und aus Gründen des Brandschutzes den Zuschauerraum von der Bühne trennt.
Doch über 100 Jahre machen sich bemerkbar. "Schauen Sie sich die Betonwand an. Die biegt sich durch, schon seit Jahren." Mit Eisenträgern wird die Wand gestützt, die wiederum den Vorhang hält. Denn der darf auf keinen Fall in der Wand stecken bleiben. "Im ganzen Haus haben wir solche Provisorien."
Was ist sonst noch alles kaputt in der Oper? Diese Bildergalerie gibt einen Überblick:
Künstler: "Wir spielen um die Schäden herum"
Der Zustand der Staatsoper hat auch Auswirkungen für die Künstlerinnen und Künstler. Eine von ihnen ist die Sängerin Stine Marie Fischer. "Bei 'Die Liebe zu den drei Orangen' ist die Bühnenversenkung einmal stecken geblieben", erzählt sie. "Dann mussten wir plötzlich drum herum spielen und improvisieren." Eine andere Geschichte: Während eines Liederabends sei plötzlich die Sprinkleranlage losgegangen. "Man merkt auch, dass das Haus einfach nicht mehr den modernen Standards entspricht und Regisseure zum Beispiel manche Inszenierungen gar nicht so umsetzen können, wie sie gerne wollen."
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Elliott Carlton Hines, ebenfalls Sänger, hatte bisher mehr Glück: "Ich nehme es jetzt nicht so wahr, dass alles kaputt ist." Aber auch er hatte schon Zwischenfälle auf der Bühne. "Einmal ist während der Aufführung von 'Dora' was passiert." In dieser Inszenierung wird er nämlich von der Bühnendecke in einem Rollstuhl sitzend abgeseilt. "Doch die Technik funktionierte nicht. Es ging runter, und dann wieder hoch. Und ich hing einfach in der Luft, während die Musik unten weiter ging." Das hätte ihn dann sehr nervös gemacht. "Aber die Techniker waren 100 Prozent professionell." Das Problem konnte nach kurzer Zeit gelöst werden, die Aufführung ging in der Zeit einfach weiter.
Sowohl Hines wie auch Fischer betonen: Sie arbeiten trotz der Schäden gerne an der Staatsoper. "Ich fühle mich sehr sicher mit all den Technikern, die hinter der Bühne arbeiten", sagt Elliott Hines. Er gehe nicht in die Oper zur Arbeit und denke darüber nach, wie kaputt alles ist und ob heute wohl etwas passiert. "Vor allem finde ich den Zuschauerraum total schön." Dem stimmt auch Stine Fischer zu: "Ich habe bisher in keinem Opernhaus gesungen, das so eine schöne Akustik hat." Deswegen ist für sie klar: "Das Haus muss für die Oper erhalten bleiben und saniert werden."
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Kurzfristig Maßnahmen bis zur Sanierung notwendig
Doch damit hier überhaupt noch Aufführungen bis zur Sanierung stattfinden können, müssen Maßnahmen ergriffen werden. Vom Eisernen Vorhang unterm Dach steigt der technische Leiter Arno Laudel wieder hinunter, diesmal bis in den Keller. Hinter einer unscheinbaren Tür verbirgt sich ein kleiner Maschinenraum. Jahrzehnte alte Hydraulikpumpen stehen hier, die die Bühnentechnik steuern. "Zum Beispiel die Hebebühne", erklärt Laudel. Schon manchmal ist die Technik kaputt gegangen. "Dann geht auf der Bühne gar nichts mehr."
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Die gesamte Bühnentechnik soll während der Sanierung eigentlich durch elektronische Antriebe ersetzt werden. "Doch weil sich die Sanierung jetzt verschiebt, müssen wir zuerst noch einmal die Hydraulikpumpen erneuern", sagt Laudel. Neue alte Technik für die Oper, die dann nach wenigen Jahren wieder ausgebaut wird: Ein Grundproblem, was durch die Verzögerungen jetzt aufkommt.
Das beschäftigt auch Sängerin Stine Fischer. "Für uns stellt sich natürlich die Frage: Welche Produktionen, welche Inszenierungen und Stücke sind bei einer Oper in diesem Zustand überhaupt noch möglich bis zur Sanierung?" Darüber rede man im Kollegenkreis, tausche sich aus und verfolge natürlich auch die Berichte.
Klar ist: Der letzte Vorhang in Sachen Sanierung ist noch nicht gefallen.
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