Klimaaktivisten der Initiative "letzte Generation" blockieren eine Straße in der Stuttgarter Innenstadt. (Foto: Andreas Rosar Fotoagentur)

Beide sind jetzt vorbestraft

Straßenblockaden in Stuttgart: Klimaaktivisten müssen zahlen

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Aktivistinnen und Aktivisten blockierten auch in der Region Stuttgart Straßen. Nun standen zwei Männer vor Gericht - und sind jetzt vorbestraft.

Zwei Klimaschutzaktivisten der Protestgruppe "Letzte Generation" sind am Montagabend vom Amtsgericht Stuttgart zu Geldstrafen von 2.200 Euro sowie 5.500 Euro verurteilt worden. Das hat das Amtsgericht auf SWR-Anfrage mitgeteilt. Weil beide die Strafe jeweils verteilt auf 110 Tagessätze zahlen müssen, sind die beiden nun vorbestraft.

Die beiden Aktivisten mussten sich wegen mehrerer Straßenblockaden im Berufsverkehr verantworten. Den beiden Männern wurde vorgeworfen, im Mai und Juni insgesamt vier Mal den Straßenverkehr in Stuttgart durch Sitzblockaden behindert zu haben. Das sei morgens zwischen 7 und 8 Uhr im Berufsverkehr geschehen.

Grund für das Verfahren war, dass die beiden nicht die gegen sie verhängten Strafbefehle akzeptierten. Der Aktivist Mischa Bareuther sollte beispielsweise wegen Nötigung 125 Tagessätze zahlen. Vorbestraft ist man ab 90 Tagessätzen. Bareuther, der Umweltwissenschaft in Hohenheim studiert, sagte am ersten Prozesstag, früher sei er Sparkassen-Mitarbeiter gewesen, aber heute bereit, aus seiner "Komfortzone" auszubrechen und für sein Anliegen Strafen in Kauf zu nehmen.

Die Anwälte der beiden Angeklagten zogen gleich zu Beginn der Verhandlung in Zweifel, dass ihre Mandanten schuldig seien. Die Richterin hatte zwar Fotos der Aktionen präsentiert. Die Anwälte stellten jedoch Fragen wie beispielsweise, wer genau geschädigt wurde, ob es überhaupt zu Anzeigen kam und wie lange die Staus wirklich dauerten. Außerdem argumentierten sie, nicht jede geringfügige Beeinträchtigung sei automatisch eine Nötigung. Die Anwälte forderten, die jeweiligen Einsatzleiter der Polizei als unmittelbare Augenzeugen zu laden.  

Angeklagter in München in Polizeigewahrsam

Neben Mischa Bareuther stand ein weiterer Aktivist in Stuttgart vor Gericht. Allerdings stellte sich am ersten Prozesstag heraus, dass dieser nicht in Stuttgart ist: Nach Angaben der Richterin gehört er zu den zwölf Aktivistinnen und Aktivisten, die in München für insgesamt 30 Tage in Polizeigewahrsam bleiben müssen. Sie sollen sich in München mehrmals auf Straßen festgeklebt und weitere Aktionen angekündigt haben. Der Polizeigewahrsam ist umstritten.

Prozess gegen Aktivisten in Stuttgart

Das Amtsgericht München hatte angeordnet, sie ohne Prozess für 30 Tage in Polizeigewahrsam zu nehmen. Der lange Gewahrsam sei ein großer Ausnahmefall, erklärte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur. Ziel des sogenannten Polizeigewahrsams sei, weitere Straftaten zu verhindern.

Zu Beginn des Prozesses in Stuttgart demonstrierten einige Unterstützer der zwei angeklagten Klimaaktivisten vor dem Amtsgericht. Im Sprechchor riefen sie zum Beispiel "Klima schützen ist kein Verbrechen" und hielten Plakate in die Höhe. Die Klimaschützer sehen sich als Opfer einer fehlgeleiteten Politik, die sie vor Gericht stellt, während sich die Erde immer weiter erhitze.

Unterstützer der zwei angeklagten Klimaaktivisten der Gruppe "Letzte Generation" protestierten vor Verhandlungsbeginn vor dem Amtsgericht in Stuttgart. (Foto: SWR, Joachim Auch)
Unterstützer der zwei angeklagten Klimaaktivisten der Gruppe "Letzte Generation" protestierten vor Verhandlungsbeginn vor dem Amtsgericht in Stuttgart.

Seit Monaten blockiert die Gruppe "Letzte Generation" deutschlandweit immer wieder Straßen und Autobahnen. Sie fordert ein Ende für Öl, Kohle und fossile Gase. Außerdem tritt sie für ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung ein sowie für eine Agrarwende, um Treibhausgase zu mindern.

Kritik nach Tod einer Radfahrerin in Berlin

Die Protestgruppe selbst steht besonders nach einem schweren Unfall in Berlin in der Kritik. Bei dem Vorfall war eine Radfahrerin von einem Lastwagen überrollt worden. Ein Spezialfahrzeug, das helfen sollte, die Verletzte unter dem Lastwagen zu befreien, stand nach Angaben der Feuerwehr in einem Stau, der durch eine Aktion der Klima-Protestgruppe "Letzte Generation" ausgelöst worden sein soll.

Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete jedoch unter Berufung auf einen Einsatz-Vermerk, die eingesetzte Notärztin habe ohnehin entschieden, kein Spezialfahrzeug zur Bergung der Frau einzusetzen. Somit hatte der verursachte Stau offenbar keine Auswirkungen auf die Rettung der verletzten Frau. Die Radfahrerin starb nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag an ihren schweren Verletzungen.

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