Wer im Raum Stuttgart auf den öffentlichen Personennahverkehr angewiesen ist, steht vor schwierigen Zeiten: Bauarbeiten im Rahmen von Stuttgart 21 und dem digitalen Bahnknoten Stuttgart erfordern laut Bahn teils wochenlange Streckensperrungen. Hinzu kommt am Freitag der erneute Warnstreik bei der Bahn.
Im Verkehrsausschuss des Landtags hat der Bevollmächtigte der Deutschen Bahn für Baden-Württemberg, Thorsten Krenz, die geplanten Sperrungen in der Region Stuttgart verteidigt. Am Mittwochvormittag sagte er: "Wir bauen den digitalen Knoten nicht aus Selbstzweck, sondern zum Wohl und Nutzen der Metropolregion Stuttgart." Bei den Bauarbeiten zum digitalen Knoten handele es sich um ein Pilotprojekt, Vergleichbares gebe es bisher nirgends, so Krenz. "Da gibt es keine Blaupause." Daher könnten dabei auch unvorhergesehene Dinge auftreten. "Wir haben dafür keine fertigen Pläne in der Schublade, die wir dann aufmachen können und raus ziehen können."
Arbeiten laut Bahn "unter rollendem Rad" nicht möglich
Man habe versucht, die notwendigen Arbeiten in den ohnehin geplanten Sperrpausen durchzuführen. Das sei aber wegen der Komplexität nicht möglich, sagte Krenz: "Allein im Bereich Bad Cannstatt müssen wir etwa 70 Mal die Gleise queren. Das kann man nicht immer unter rollendem Rad machen."
Verkehrsausschuss: Kritik der Abgeordneten an der Bahn
Von den Abgeordneten im Verkehrsausschuss kam viel Kritik - vor allem an der geplanten Sperrung der Strecke Bad Cannstatt-Waiblingen zwischen 12. Mai und 8. Juni. Der FDP-Verkehrsexperte Christian Jung sagte, er sei überrascht vom Ausmaß der Vollsperrung. "Es wird ein noch größeres Bahnchaos geben", befürchtet er. Sein Kollege Hans Dieter Scheerer hatte schon im Vorfeld der Ausschusssitzung im SWR gefordert, dass Verkehrsminister Hermann die Koordination der Ersatzverkehre übernehmen müsse, über parteipolitische Grenzen hinweg. Es brauche jetzt gemeinsame Lösungen, um ausreichend Busse und Ersatzverkehre zu organisieren, dazu müsse auch die Stadt Stuttgart an den Tisch, so Scheerer.
Von der SPD kam im Verkehrsausschuss Kritik an den Entschädigungungen der Bahn. Diese seien aus seiner Sicht zu gering, so der Abgeordnete Hans-Peter Storz. Die Bahn hatte angekündigt, die Inhaber von Jahreskarten mit einmalig 49 Euro zu entschädigen. "Da macht sich die Bahn einen schlanken Fuss", so Storz. Denn die geplante Sperrung zwischen Bad Cannstatt und Waiblingen dauere länger als einen Monat. Der Verkehrsexperte der AfD-Fraktion, Miguel Klauß, äußerte Zweifel daran, ob die Sperrphase ausreicht, um die Bauarbeiten durchzuführen.
Hermann: Rad nehmen oder Fahrgemeinschaften bilden
Der Verkehrsminister appellierte an Pendlerinnen und Pendler, sich zu überlegen, ob sie während der Bauphasen außerhalb der Rush-Hour zur Arbeit fahren können oder sogar komplett ins Homeoffice wechseln könnten. Auch Busse seien nicht in der Lage die Lücke zu füllen - egal wie oft sie fahren.
"Das ist für Pendler und Nutzer der Bahn extrem schwierig", erklärte Hermann im Verkehrsausschuss. "Richtig gut kann man es nicht machen." Man habe geprüft, ob man für Ersatzbusse Fahrbahnspuren zu Busspuren umfunktionieren könne, damit der Ersatzverkehr staufrei durch Stuttgart komme. Dies sei aber nicht möglich, so der Verkehrsminister. "Das alles löst die Probleme nicht. Man kann das nicht perfekt hinbekommen. Wir müssen jetzt aber schauen, wie wir kooperieren können."
Verkehrsminister sieht Zuständigkeit bei der Bahn
Hermann sieht die Zuständigkeit, ein Angebot für die ausgefallenen Züge zu machen, bei der Deutschen Bahn. Im SWR sagte er: "Die Bahn ist allein verantwortlich für die Organisation des Ersatzverkehrs." Hermann sicherte jedoch die Unterstützung des Landes zu. Baustellen seien abgesagt oder verschoben worden, damit es auf den Busersatzstrecken nicht noch zusätzlich zu Behinderungen komme. Außerdem werde die Landesregierung darauf achten, dass die von der Bahn zugesagten Entschädigungen auch gezahlt würden. Denn die Bahnreisenden seien die Hauptgeschädigten. "Da kann man überhaupt nicht drüber hinwegreden."
Erste Streckensperrungen am kommenden Wochenende
Bereits am kommenden Wochenende gibt es von Freitag bis Montag die ersten Sperrungen und Einschränkungen. S-Bahnen fahren nur im Halbstundentakt, Regionalzüge enden vorzeitig oder werden umgeleitet. Jeder zweite ICE von und nach München wird umgeleitet und fährt Stuttgart nicht mehr direkt an.
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Kritik an kurzfristiger Ankündigung
Die Sperrungen werden massiv sein, das scheint offensichtlich. Das wird auch deutlich, als Thorsten Krenz, Bevollmächtigter der Bahn für Baden-Württemberg, eine Erklärung abgibt. Die Bahn habe bereits Ende 2022 erfahren, dass umfangreiche Kabeltiefbauarbeiten notwendig würden. Man habe dann geprüft, ob die Bauarbeiten in den regulären Bahnverkehr und schon vorgesehenen Bauphasen zu leisten seien. Schließlich habe man festgestellt, dass das nicht gehe.
Bekannt gegeben hatte die Bahn erst im März 2023, dass es umfangreiche Bauarbeiten und Zugausfälle geben werde. Wegen der kurzfristigen Ankündigung musste die Bahn bereits scharfe Kritik einstecken. Pendlerinnen und Pendler befürchten, dass sie ihre Arbeitsstellen im Großraum Stuttgart nicht erreichen. Schülerinnen und Schüler wissen nicht, wie sie in die Schule kommen werden.
Volker Heepen, Chef der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg, erklärte, dass man zusammen an Lösungen arbeite. Gab aber auch zu: "Wir wären von der Bahn gerne früher über die Bauarbeiten informiert worden."
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Klar ist: Ab 12. Mai gibt es weitere Sperrungen und Einschränkungen - und zwar gravierender als am kommenden Wochenende. Und es soll nicht nur vier Tage lang, sondern wochenlang zu massiven Einschränkungen kommen. Mindestens vier Wochen soll die Komplettsperrung dauern, vielleicht sogar länger und dabei mehr als 60.000 Fahrgäste täglich treffen. Die Fernverkehrszüge, die durch die Baustelle umgeleitet werden, sind dabei noch nicht mitgerechnet.
Dass zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt für vier Wochen kein einziger Zug fahren soll, ist für den Landrat des Rems-Murr-Kreises, Richard Sigel, eine Katastrophe. "Das ist schon eine unvorstellbare Situation, eine echte Zumutung", sagte Sigel dem SWR. "Wir haben rund 70.000 Fahrten auf den S-Bahn-Strecken jeden Tag - wie soll das funktionieren?" Die Menschen müssten schließlich zur Arbeit, zur Universität und zur Schule.
Busse im Fünf-Minuten-Takt
Nur eine Info lässt Krenz schon raus: Busse sollen die Lösung sein. Im Fünf-Minuten-Takt sollen die Busse ab Mai während der Sperrungen zwischen Waiblingen und dem Stuttgarter Hauptbahnhof pendeln. "Es wird auch Expressbusse geben, die keine Zwischenhalte anfahren." Darüber hinaus sollen alle Züge, die irgendwie fahren können, auch fahren. S-Bahnen sollen jeweils in Bad Cannstatt und Waiblingen enden und von dort wieder zurückfahren. Regionalzüge sollen umgeleitet werden. Die Bahn versicherte, es stünden 80 Gelenk-Busse und genügend Busfahrer für den Ersatzverkehr zur Verfügung.
Vertreter vom Fahrgastverband Pro Bahn und dem Verkehrsclub Deutschland zweifelten bereits an, ob eine Komplettsperrung überhaupt notwendig sei und forderten den Erhalt eines Minimalbetriebs zwischen Bad Cannstatt und Waiblingen. Die Bahn erklärte im Ausschuss: "Dass wir bauen müssen, dass wir sperren müssen, ist alternativlos."
Warum gibt es die Einschränkungen im Großraum Stuttgart?
Zu den umfangreichen Sperrungen kommt es, da im Rahmen von Stuttgart 21 und dem digitalen Bahnknoten Stuttgart im Verlauf des Jahres umfangreiche Bauarbeiten anstehen. Der Konzern hatte im März angekündigt, dass wegen Kabelarbeiten für das neue europäische Zugsicherungssystem ETCS wichtige Bahnstrecken über Wochen teilweise oder komplett gesperrt werden. Für ETCS müssen im Großraum Stuttgart rund 1.200 Kilometer Kabel verlegt werden.