Flüchtlingspolitik und AfD-Aufstieg

BW-Innenminister Strobl auf Distanz zu Merkel: Hätten Grenzen früher sichern müssen

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Tiana Zoric
Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik

Viele sehen Angela Merkels Flüchtlingspolitik als Auslöser für den Aufstieg der AfD. Die damalige CDU-Spitze um Merkel hielt sich mit Kritik eher zurück. Zumindest bisher.

Späte Kritik an Ex-Kanzlerin Angela Merkel: Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat sich deutlich von der Flüchtlingspolitik seiner ehemaligen Parteichefin distanziert. Im SWR-Videopodcast "Zur Sache intensiv" sagte der langjährige CDU-Vizechef und Vertraute Merkels: "Den Satz 'Wir schaffen das' fand ich nicht so schlimm. Ich war allerdings unterschiedlicher Meinung bei einem anderen Satz, weil die damalige Bundeskanzlerin hat einmal gesagt: Wir können unsere Grenzen nicht schützen. Diesen Satz halte ich für falsch." Den habe er schon im Herbst 2015 zu Beginn der Migrationskrise für falsch gehalten, erklärte der 64-jährige Strobl.

Den SWR-Videopodcast "Zur Sache - intensiv" gibt es auf YouTube:

Innenminister über Fehler in der Flüchtlingskrise | SWR Zur Sache! Intensiv

Strobl: Wollte härteres Grenzregime schon im Herbst 2015

"Wir machen jetzt an den deutschen Grenzen intensivere Kontrollen", sagte Strobl, "die hätte ich gerne schon zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt gemacht." Auf die Frage, ob er damit 2015 meine, sagte er: "In Wahrheit ja. Und zwar nicht im ersten Moment, also als dieser erste berühmte Zug gekommen ist. Diesen einen Zug hätte ich auch fahren lassen. Ich hätte mir dann aber gewünscht, dass wir sehr schnell, wenn nicht Tage später, dann aber einige Wochen später ein anderes Grenzregime an den deutschen Binnengrenzen machen."

Die damaligen Bedenken gegenüber Grenzkontrollen seien falsch gewesen, das zeigten die Erfolge der jetzigen Kontrollen: "Wir stellen fest, dass alles, was gegen die Grenzkontrollen ins Feld geführt worden ist: kilometerlange Staus und das funktioniert nicht, und, und, und - tatsächlich nicht eintritt." Stattdessen stelle die Bundespolizei tausendfach illegale Migration fest und weise ebenso oft an der Grenze zurück. Zudem bekämpfe man so höchst effizient Schleuserkriminalität und organisierte Kriminalität. "Das hätte man schon früher tun können." Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte erst im Dezember angekündigt, die Grenzkontrollen zu Polen Tschechien und der Schweiz um mindestens zwei Monate verlängern zu wollen. Auch sie bezeichnete die Maßnahmen als wirksam.

Ob die deutschen Grenzkontrollen aber wirklich so effektiv sind, wie Strobl und Faeser das darstellen, ist zumindest umstritten. Von der Gewerkschaft der Polizei hieß es etwa Anfang Januar: Sinkende Asylantragszahlen seien kein eindeutiger Beleg für die vermeintliche Wirksamkeit deutscher Grenzkontrollen. Der Grund für die sinkenden Zahlen sei vielmehr in der stärkeren Überwachung der EU-Außengrenzen zu suchen.

Merkel und ihre historische Entscheidung

Strobl bezieht sich auf die Entscheidung Merkels am 4. September 2015, tausende vor allem syrische Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland kommen zu lassen. Sie einigte sich mit dem damaligen österreichischen Kanzler, Werner Faymann, darauf, dass Österreich und Deutschland aus humanitären Gründen ihre Grenzen nicht verschließen könnten. Einen Monat später erklärte Merkel in einem TV-Interview: "Wir können die Grenzen nicht schließen. Wenn man einen Zaun baut, werden sich die Menschen andere Wege suchen. Es gibt den Aufnahmestopp nicht."

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Kanzlerin nach viel Kritik mit Memoiren wieder in Öffentlichkeit

Die heute 70-jährige Ex-Kanzlerin hat vor kurzem ihre Memoiren mit dem Titel "Freiheit" herausgebracht - und sich damit mitten im Bundestagswahlkampf nach längerer Pause wieder mehrfach in der Öffentlichkeit gezeigt. Nach ihrem Abtritt nach 16 Jahren als Kanzlerin hatte es viel Kritik gegeben. Neben der Migrationspolitik wurde Merkel unter anderem ein zu nachgiebiger Umgang mit Russland vorgehalten. Auch die in Teilen marode Infrastruktur in Deutschland wird der Kanzlerin angelastet.

Trotz der Kritik in Migrationsfragen hält Strobl zur früheren CDU-Chefin: "Ich bin nicht der Meinung, dass wir Angela Merkel verstecken sollten." Sie gehöre zur Geschichte der CDU dazu. Sie sei "in Summe" eine erfolgreiche Kanzlerin gewesen. Mit Blick auf die Ampel unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte der CDU-Politiker: "Wenn Sie sich mal die letzten drei Jahre anschauen, dann war das doch ziemlich gut." Er räumte aber auch ein: "Sie war auch nicht ohne Fehler gewesen."

CDU-Politiker erklärt langes Schweigen mit Loyalität

Strobl erklärte, er habe Merkel in der Flüchtlingskrise nur intern seine Meinung gesagt. "Loyalität ist für mich etwas sehr Wichtiges in der Politik. Ich war Stellvertreter von Angela Merkel, als sie Parteivorsitzende war. Deswegen habe ich sie öffentlich nicht kritisiert. Warum nicht? Ich hatte Gelegenheit, ihr die Dinge unter vier Augen zu sagen." Er gehöre nicht zu denen, die öffentlich streiten. "Diese öffentliche Streiterei, das haben wir ja jetzt bei der Ampel gesehen, wohin das führt, davon halte ich nichts", so der Innenminister weiter.

Auf die Frage, ob Merkels Migrationspolitik hinter dem Aufstieg der AfD stecke, sagte Strobl: "Das mag eine Rolle gespielt haben, ist aber nicht die alleinige Erklärung." Er erklärte aber auch: "Ich werde dieses Merkel-Bashing nicht mitmachen." Und fügte hinzu: "Da gibt es welche die sagen: Da ist die Angela Merkel dran schuld. Das ist doch ein bisschen zu einfach."

Kurswechsel der CDU sei der sich zuspitzenden Lage geschuldet

Der Kurswechsel der CDU in der Migrationspolitik unter ihrem Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Friedrich Merz sei der sich zuspitzenden Lage geschuldet. Nach der Migrationskrise 2015/2016, bei der über eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kamen, habe man in der Union gesagt: "Das sind zu viele, das darf nie wieder passieren", so Strobl. Vor allem durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine seien seit 2022 noch mehr Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Darauf müsse die Politik reagieren. "Wir sind da schon in einer prekären Situation, da muss sich auch eine Partei weiterentwickeln. Dass wir jetzt etwas schärfer auf unsere Grenzen schauen, das war schon immer meine Meinung."

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Das habe aber nichts mit einer Annäherung an die AfD zu tun, beteuerte Strobl. "Die CDU und die AfD haben wirklich nichts miteinander zu tun. Das ist eine prorussische Partei, die AfD. Das ist die fünfte Kolonne Moskaus." Der CDU-Politiker zeigte sich überzeugt, dass Deutschland in der Welt nur in einem geeinten, sich weiterentwickelnden Europa bestehen könne. "Die AfD ist zutiefst anti-europäisch."

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