Für so manchen Beobachter ist es ein Alarmsignal: Mit 30,9 Prozent lag die Wahlbeteiligung im entscheidenden Durchgang der Mannheimer OB-Wahl am Sonntag noch einmal unter dem Wert drei Wochen zuvor. Damals gaben rund 32 Prozent der 235.000 Wahlberechtigten ihre Stimme ab, viele davon per Briefwahl.
Für den Wahlsieger und künftigen Oberbürgermeister Christian Specht (CDU), der auf knapp 50 Prozent der Stimmen kam, bedeutet das: Er wurde faktisch lediglich von 15 Prozent aller Wahlberechtigten gewählt. Im Umkehrschluss: 85 Prozent haben ihm ihre Stimme nicht gegeben. "Besorgniserregend" und "dramatisch" nennt das der Verein "Mehr Demokratie". Er verweist auf extrem niedrige Werte in einzelnen Wahlbezirken, etwa im Stadtteil Hochstätt mit 5,3 Prozent (ohne Briefwahl-Stimmen). Im Gegenzug meldete ein Wahlbezirk auf dem Lindenhof mehr als 36 Prozent (ebenfalls ohne Briefwahl)
Wahlbeteiligung hängt eng mit sozialen Faktoren zusammen
Für den Verein steht fest: Die unterschiedliche Wahlbeteiligung hängt mit sozialen und wirtschaftlichen Faktoren in den Stadtteilen zusammen. Das hätten Berechnungen des GESIS Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften in Mannheim ergeben. Je mehr Menschen etwa staatliche Unterstützungsleistungen bezögen, um so niedriger sei dort die Wahlbeteiligung. Auch ein hoher Anteil junger Menschen mit Migrationshintergrund sei ein Indikator für eine geringere Wahlbeteiligung. Der Verein "Mehr Demokratie" schließt daraus:
Verein "Mehr Demokratie" wirbt für Briefwahl als Standard
Um gegenzusteuern und den gewählten Repräsentanten mehr Legitimation zu verschaffen, schlägt der Verein vor, Briefwahlunterlagen grundsätzlich an alle Wahlberechtigten zu verschicken. In Konstanz zum Beispiel habe das während der Corona-Pandemie zu einer Steigerung um 14 Prozent geführt.
"Integrierte Stichwahl": Nur ein Wahlgang, aber mit mehr als einer Stimme
Außerdem plädiert der Verein für die sogenannte "integrierte Stichwahl". Dabei soll es nur noch einen einzigen Wahlgang geben, bei dem die Wähler nicht nur ein Kreuz machen, sondern ihre Präferenzen gewichtet angeben könnten. So könne vermieden werden, dass jemand nur deshalb nicht zur Wahl geht, weil sein Favorit ohnehin keine Chance hat. Seine Präferenzen würden dann dennoch berücksichtigt.
Um die Beteiligung am politischen Geschehen generell zu fördern, plädiert der Verein außerdem für mehr Volksabstimmungen zu Sachfragen.