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Einblicke aus Iran: Brief zwei aus Ekbatan

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AUTOR/IN
Martina Senghas
Patrick Figaj

Seit dem Tod von Mahsa Amini reißen die Unruhen und Proteste in Iran nicht ab. Täglich Bilder der Gewalt und der Wut. Der Mannheimer Künstler Mehrdad Zaeri steht in Kontakt mit einer iranischen Schriftstellerin. Jetzt ist ihre zweite Sprachnachricht eingetroffen.

Von draußen dringen Geräusche von Aufstand und Gewalt

In ihrer zweiten Sprachnachricht beschreibt Shirani, deren wirklicher Name von der Redaktion sicherheitshalber geändert wurde, wie sehr das Leben immer mehr auseinander driftet. Ihre erste Sprachnachricht lesen und hören Sie hier.

In ihrer Wohnung feiert sie auf scheinbar normale Weise Geburtstag, während von draußen Geräusche von Aufstand und Gewalt hereindringend. Vor allem nachts.

"Eine permanente Wut ist gegenwärtig, die sich von der Erde gen Himmel ergießt. Laute Schreie, Rennen, Schlagstöcke. Blut. Steine. Blut. Explosionen. Blut. Schmerzen, blutunterlaufene Augen, Befreiung und Angst, Angst und Mut und Tod."

Zaeri
Ein Stück Normalität - Shirani feiert ihren Geburtstag

Es gibt keine Alternative zur Widerständigkeit

Die Journalistin und Schriftstellerin erzählt, dass sie im Freien kein Kopftuch mehr trägt und aus einem Taxi heraus den Männern einer Spezialgarde den Mittelfinger zeigt. Wie sehr sie sich damit in Gefahr begibt, geht nicht aus dem Brief hervor, aber sie kann ihre Widerständigkeit offenbar nicht mehr unterdrücken.

"Gestern beschriftete ich zusammen mit T. einen ganzen Stapel Papier mit dem Wort Freiheit und wir warfen die Flugblätter auf die Straße.

Zaeri
Diesen Zettel bekam Shirani heimlich in der Teheraner U-Bahn zugesteckt. Die Übersetzung lautet: "Ich hoffe, dich morgen wiederzusehen. Der Morgen ist unsere Hoffnung. PS: Deine Haare sind wunderschön."

Erschütternde Nachricht als das Internet funktioniert

Als Shirani einmal mitten in der Nacht erwacht bemerkt sie, dass das Internet mit normaler Geschwindigkeit funktioniert.

"Ich ging direkt zu Instagram und sah die Story über die Trauerzeremonie zum Vierzigsten eines Freundes. Ich war schockiert, mein Atem stockte. 40 Tage waren vergangen, und ich wusste es nicht einmal, weil ich kein Internet gehabt hatte."

Zaeri
Der Blick aus dem Fenster auf Ekbatan

Der Fotograf hatte Bilder von den Menschenmassen gemacht, die in Teheran gerade auf den Straßen protestieren. Als Todesursache nennt Shirani Elektroschocks, aber was genau passiert ist, schreibt sie nicht.

Die Sprachnachricht endet mit großer Melancholie

Shiranis gesprochener Brief endet mit großer Melancholie. Der Tod sei heutzutage so einfach und so unglaublich.

"Ich sage zu mir, dass jede Sekunde meines Lebens mein letzter Kampf ist. Mein letzter Tanz, mein letztes Wort, mein letzter Kuss. Deine Freundin."

Rhein-Neckar-Kreis

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