Kriminaltechniker am Tatort in der Nähe des Mannheimer Marktplatzes in der Innenstadt (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/PR-Video | René Priebe)

Toter nach Polizeikontrolle in Mannheim

Polizeigewerkschaft im Interview: Wann darf Polizei körperliche Gewalt anwenden?

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Ein Polizeieinsatz in Mannheim, bei dem ein Mann starb, wirft Fragen auf. Im Interview erklärt der Chef der Polizeigewerkschaft, was die Beamten dürfen und was nicht.

Nach dem Tod eines 47-Jährigen am Montag nach einer Polizeikontrolle am Mannheimer Marktplatz gibt es auch Kritik am Einsatz der Polizei. Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft (GDP) in Mannheim, Thomas Mohr, erklärt im Interview mit dem SWR, was der Polizei erlaubt ist.

SWR: In der Polizei-Mitteilung am Montag war die Rede davon, dass die beiden Beamten bei der Festnahme "einfache körperliche Gewalt" angewendet haben. Können Sie uns erklären, was das bedeutet?

Thomas Mohr: Es ist in der Tat so, dass, wenn eine Person Widerstand leistet oder Polizeibeamte angreift, dann ist die Polizei rechtlich legitimiert, den sogenannten unmittelbaren Zwang mit einfacher körperlicher Gewalt anzuwenden. Das heißt in der Praxis: Eine Person ist renitent, schlägt gegen die Einsatzkräfte. Dann kann man die Person auf dem Boden fixieren und auch mit Schlägen gegen den Körper den Widerstand brechen. Das ist gesetzlich auch vorgeschrieben, weil die Polizei die einzige Institution hier in Deutschland ist, die das Gewaltmonopol hat.

Polizist Thomas Mohr (Foto: SWR)
Thomas Mohr, Chef der Polizeigewerkschaft in Mannheim

Das darf die Polizei aber nur machen, wenn sie quasi Gegenwehr vom Gegenüber erhält, oder?

Genau. Und zwar auch zur Eigensicherung. Es muss eine Widerstandshandlung vorausgegangen sein oder ein Angriff gegen die Einsatzkräfte. Dann ist die Polizei legitimiert, hier auch Gewalt anzuwenden.

Was passiert, wenn dann die Situation immer noch nicht unter Kontrolle gebracht werden kann? Was passiert als Nächstes?

Ja, es gibt auch dann Hilfsmittel der sogenannten körperlichen Gewalt: Pfefferspray, Schlagstock und auch körperlicher Einsatz. Und in dem leider sehr tragischen Fall von Montag ist es wohl so gewesen, dass man da auch die Person am Boden fixieren und auch Schläge gegen den Körper austeilen musste.

Es gibt im Internet ein Video, dass die Festnahme mutmaßlich zeigt. Viele Menschen kritisieren jetzt unter anderem in den sozialen Netzwerken diese Gewalt ...

Ich kann natürlich auch nur das bewerten, was es jetzt in den sozialen Netzwerken und Medien gibt. Aber da würde ich mich auch zurückhalten wollen, bevor ich eine abschließende Beurteilung der Lage abgebe. Ich bin seit 37 Jahren Polizeibeamter hier im Polizeipräsidium Mannheim, und für mich stellt es sich so dar, dass es eine typische Widerstands-Handlung war. Das heißt, die Person hat sich vehement gewehrt, hat wohl auch im Vorfeld die Polizeibeamten attackiert und dann kam es zu dieser Situation, mit dem auch für uns traurigen Verlauf.

Der Polizei war ja wohl bekannt, dass es sich bei diesem Mann wohl um jemanden gehandelt hat, der in ärztlicher Behandlung im Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim war. Was bedeutet oder ändert das für die Polizei vor Ort?

Gerade bei solchen Personen, die - ich sage es jetzt mal ganz salopp und nicht negativ gemeint - kein normales Verhalten an den Tag legen, da muss man besonders auf die Eigensicherung achten. Da werden wir auch in der Ausbildung daraufhin trainiert, dass auch keine Fremdgefährdung passiert. Das war der Marktplatz in Mannheim, da ist ja auch viel Publikum unterwegs. Deswegen ist auch diese Information für uns sehr wichtig, wenn man weiß, man hat es hier mit einem Menschen zu tun, der "nicht normal" reagiert, wenn er zum Beispiel die Polizei sieht.

Muss die Erstellerin oder der Ersteller des fraglichen Videos und die Veröffentlicher mit rechtlichen Konsequenzen rechnen, weil man in dem Video ja sowohl das Opfer als auch Polizisten erkennbar sieht?

Die Polizei ist ja in der Öffentlichkeit. Da sehe ich jetzt keine Problematik. Aber es ist natürlich sehr pietätlos, auch von denjenigen, die dieses Video gemacht haben. Denn auch das leider jetzt verstorbene Opfer wird dort gezeigt. Man erkennt das Gesicht. Das ist natürlich eine Sache, die muss man auch als Bürger verurteilen, dass man hier einfach ein Video eines Menschen teilt, der sich dagegen nicht mehr wehren kann. Das wird einfach ins Netz gestellt, um hier Klicks zu generieren, um hier auch Hetze gegen die Polizei zu betreiben.

Bodycams hätten ja in so einer Situation auch schnell helfen können, oder?

Wir als Gewerkschaft der Polizei haben ja die Einführung der Bodycams mit begleitet und auch gefordert. In Baden-Württemberg hat die Polizei Bodycams. In dem Fall weiß ich jetzt nicht, ob die Beamten die Bodycam zum Einsatz gebracht haben. Das müssen die Ermittlungen zeigen. Aber es ist natürlich sehr gut für uns, weil es dann auch entlastend wirken kann.

Jetzt ermittelt das Landeskriminalamt weiter. Was ist jetzt genau deren Aufgabe?

Das ist ein ganz normaler Vorgang, weil es ist ja hier in Mannheim passiert ist. Da gibt es die Verfahrensweise, dass, wenn ein Mensch zu Tode gekommen ist, eine unabhängige Dienststelle ermittelt.

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