Kriegstrauma-Verarbeitung beim Bilder-Malen

Alltag von ukrainischen Flüchtlingskindern in einer Mannheimer Schule

Stand

Eine russischsprachige Lehrerin am Johanna-Geissmar-Gymnasium in Mannheim kümmert sich um ukrainische Flüchtlingskinder. Das hilft, um den Schulalltag zu meistern.

Im März kam das erste von mittlerweile 23 ukrainischen Flüchtlingskindern an das Gymnasium im Mannheimer Stadtteil Schönau. Die Kinder sprechen oft kein Wort Deutsch und mussten ihre Heimat unfreiwillig verlassen. Die Integration der Kinder stellt die Schule vor eine Herausforderung. Viel Zeit zur Vorbereitung blieb der Schule nicht.

Ukrainische Kinder in Mannheimer Schule: Sprachbarriere ein Problem

Die 23 Kinder kommen größtenteils aus dem östlichen Teil der Ukraine. Die Sprachbarriere ist laut Schulleiter Roland Haaß die größte Herausforderung. Deshalb gibt es jeden Nachmittag zwei Stunden Deutschunterricht für alle ukrainischen Schülerinnen und Schüler. Noten wurden in den ersten Monaten nicht vergeben. Bis zu den Sommerferien wusste niemand, wie lange die Kinder bleiben werden. Mit Beginn des neuen Schuljahres versucht die Schule, die Kinder bestmöglich in den Unterricht zu integrieren - dank Übersetzungshilfe ist das auch möglich.

Russisch sprechende Lehrerin wird zur Hauptbezugsperson

Ella Kehrer unterrichtet Kunst am Johanna-Geissmar-Gymnasium und hat selbst Fluchterfahrung. Sie ist in Russland aufgewachsen und kam ohne jegliche Deutschkenntnisse vor 30 Jahren nach Baden-Württemberg. Zu ihrer eigenen Überraschung haben die Kinder aus der Ukraine direkt Vertrauen zu ihr gefasst. Auch wenn die Kinder in verschiedenen Klassen des Gymnasiums unterrichtet werden, ist Ella Kehrer so etwas wie ihre "indirekte" Klassenlehrerin.

"Ich weiß, wie es ist, einsam zu sein und wenn dich keiner um dich herum versteht."

Gemalte Bilder von Schüler*innen vom Johanna-Geissmar-Gymnasium im Mannheimer Stadtteil Schönau
Ein Krankenhaus als wichtiger Teil einer Stadt. Bild eines ukrainischen Schulkinds in Mannheim

Struktur hilft den Kindern sich abzulenken

Die Kinder sind teilweise kriegs-traumatisiert und kämpfen laut Lehrerin Ella Kehrer immer noch mit den Dingen, die sie in ihrer Heimat zuletzt erlebt haben. Sie verbringen den Großteil des Tages an der Schule und das sei auch gut für die Kinder, so Ella Kehrer. Sie sagte, sie sei im engen Austausch mit den Eltern, die das ebenfalls bestätigten. Die Kinder hätten im geschützten Raum der Schule die Möglichkeit, sich aufs Lernen zu konzentrieren und könnten so etwas Abstand gewinnen von ihren Ängsten und Sorgen.

Zunächst keine Benotung der ukrainischen Schüler

In den ersten Monaten wurden die Kinder nicht benotet. Seit den Sommerferien hat sich das geändert. Auch wenn die Noten für den Werdegang der Kinder unerheblich sind, ist die Gleichbehandlung wichtig. Die Kinder werden für ihre Mühe belohnt und bekommen eine Rückmeldung. Es vermittele ihnen ein Stück Normalität, so Ella Kehrer.

Bomben und Hubschrauber zwischen Häusern und Bäumen

Dass die Kinder vor dem Krieg geflohen sind, wird zum Teil im Unterrichts-Alltag spürbar. Beispiel: Im Rahmen eines Kunstprojekts sollten die Schülerinnen und Schüler Bilder von schönen und weniger schönen Orten im Mannheimer Stadtteil Schönau malen. Das Projekt war bereits länger geplant und die Flüchtlings-Kinder wurden kurzerhand miteinbezogen.

Gemalte Bilder von Schüler*innen vom Johanna-Geissmar-Gymnasium im Mannheimer Stadtteil Schönau
Sichere Gegenwart in Mannheim, schreckliche Vergangenheit in der Ukraine. Bild eines ukrainischen Schulkinds.

Die meisten Flüchtlingskinder malten stattdessen, was sie zuletzt in ihrer Heimat gesehen und erlebt haben. Manche Bilder zeigen zerstörte Landschaften, Monster, Bomben und Hubschrauber. Zusätzlich zu den Bildern konnten die Kinder auch kleine Texte dazu verfassen. Sie erzählen beispielsweise von Menschen, die Angehörige verloren haben. Das Kunstprojekt soll bis Weihnachten veröffentlicht werden.

"Wenn ich die Bilder sehe, bekomme ich jetzt noch Gänsehaut."

So langsam kommt das Heimweh

Neben ihrem Klassenzimmer hat die Lehrerin ein kleines Zimmer mit einer rosa Couch - eigentlich ein Ort zum Ausruhen für die Lehrerin. Mittlerweile aber Lieblingsplatz vieler ukrainischer Schülerinnen und Schüler. Sie setzen sich regelmäßig auf diese Couch und erzählen dann, was sie beschäftigt. Laut Ella Kehrer vermissen sie ihr Zuhause, ihre Familienangehörigen dort und ihre vertraute Welt. Viele Kinder dachten, dass sie jetzt bereits wieder zurück in ihrer Heimat sein würden. Je länger sie in Deutschland sind, desto mehr plagt sie das Heimweh.

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