Eine Lehrerin schreibt in einer Grundschule Wörter mit "Sp" am Anfang an eine Tafel. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/Sebastian Gollnow/dpa)

Kritik am Umgang mit angehenden Lehrern

Trotz Lehrermangel: Wie Baden-Württemberg angehende Lehrkräfte verprellt

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Knut Bauer

Knapp ein Viertel der Referendare in BW kommt nicht an Schulen in ihren Wunschorten. Die Landesregierung verteidigt das Vorgehen, will den Lehrerberuf aber attraktiver machen.

Der Lehrermangel verschärft sich weiter - zum ersten Mal konnten an den Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg nicht alle Anfängerstudienplätze fürs Lehramt an Hauptschulen und Realschulen besetzt werden. Die Landesregierung plant nun nach SWR-Recherchen Lebensarbeitszeitkonten für die Beschäftigten im Landesdienst, auch um den Lehrerberuf attraktiver zu machen. Gleichzeitig sorgt der Umgang mit angehenden Lehrkräften immer wieder für Kopfschütteln.

So sind Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger bisher in den Sommerferien entlassen worden. Referendare und Referendarinnen müssen teilweise weite Wege auf sich nehmen, wie der Fall eines angehenden Realschullehrers aus Stuttgart zeigt, der anonym bleiben will.

Eigentlich hatte er alles geregelt. Nach seinem Studium an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd (PH) war er für das Referendariat bereits in Kontakt mit einer Schule im näheren Umkreis seines Wohnortes Stuttgart, die ihn gerne genommen hätte. Also hinterlegte er seinen Wunsch bei der Schulverwaltung. Doch die stimmte nicht zu.

Referendar pendelt täglich drei Stunden

Kurz vor Weihnachten bekam er eine Zuteilung nach Rottweil, wo er am 1. Februar schließlich auch das Referendariat begann. Da er bislang noch keine Wohnung oder ein Zimmer gefunden hat, pendelt er jetzt täglich. "Ich muss nun jeden Tag 230 Kilometer an meine Schule pendeln - mit dem Auto sind das drei Stunden hin und zurück", sagt er.

Rund 5.000 angehende Lehrkräfte kommen laut baden-württembergischem Kultusministerium jedes Jahr zum Vorbereitungsdienst an die Schulen. Die Verteilung erfolgt nach sozialen Kriterien, also ob man beispielsweise Kinder hat oder verheiratet ist. Außerdem müssten auch ländliche Regionen versorgt werden, sagt Kultusstaatssekretär Volker Schebesta (CDU). Schließlich wolle man später auch einen flächendeckenden Lehrereinsatz haben.

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Das erklärt auch, warum knapp ein Viertel der Referendarinnen und Referendare in den vergangenen fünf Jahren in Baden-Württemberg nicht an ihre Wunschorte gekommen sind. Das Kultusministerium setzt allerdings darauf, dass sie trotzdem an den zugeteilten Standorten bleiben. "Die Hoffnung ist schon, dass man die Region kennenlernt, in der man sich zuvor nicht vorstellen konnte, das Lehramt anzunehmen", sagt Schebesta. "Das nennt man bei der Personalplanung dann 'Klebeeffekt'."

Das sei ein riskanter Umgang mit angehenden Lehrkräften, findet der frühere Kultusminister und SPD-Landesvorsitzende Andreas Stoch. Denn dies könne auch zum gegenteiligen Effekt führen. "Wir merken, dass sich der Arbeitsmarkt in den letzten paar Jahren deutlich gedreht hat. Heute haben junge Menschen ganz viele Möglichkeiten", sagt er. Man merke bereits an den Abwanderungen in andere Bundesländer, "dass wir als Dienstherr nicht mehr einfach tun und lassen können, was wir wollen. Die Gefahr ist viel zu groß, dass wir die Leute verlieren. Das darf auf gar keinen Fall passieren."

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Kritik von Bildungsgewerkschaften

Kritik kommt auch von Bildungsgewerkschaften. Mit der Idee, für Landesbeschäftigte Lebensarbeitszeitkonten einzuführen, will man den öffentlichen Dienst in Zukunft attraktiver machen. Man müsse auch für angehende Lehrkräfte entsprechende Bedingungen schaffen, meint Gerhard Brand, Landesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung. Man könne es sich eigentlich nicht leisten, Menschen, die sich für den Lehrerjob entschieden haben, zu verlieren, so Brand.

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