Kretschmann beim Gasgipfel der grün-schwarzen Landesregierung im Neuen Schloss in Stuttgart (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat)

Ministerpräsident will Energiekrise verhindern

Gasgipfel: In Baden-Württemberg sollen 20 Prozent Gas gespart werden

Stand

20 Prozent Gas soll in BW eingespart werden - dann lässt sich laut Ministerpräsident Kretschmann die Gasmangellage verhindern. Das Land hat einen Fünf-Punkte-Plan aufgelegt.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fand im Anschluss an das Treffen im Neuen Schloss in Stuttgart deutliche Worte: "Wir spüren alle, der russische Präsident Wladimir Putin setzt die Energie als Waffe ein, er will uns vorführen und spalten und das werden wir nicht zulassen." Gleichzeitig betonte Kretschmann, er sei guter Dinge, dass in Baden-Württemberg eine Gasmangellage verhindert werden kann.

Kretschmann hatte sich am Montagmorgen mit Vertreterinnen und Vertretern von Wirtschaft, Gewerkschaften, Kommunen und Energieversorgern über die Konsequenzen der angespannten Gaslage beraten. Das Ziel des Treffens: Kretschmann wollte Vorschläge sammeln, wie Bürgerinnen und Bürger und Industrie schnell Energie sparen können. Die Landesregierung selbst verpflichtete sich mit einem 5-Punkte-Plan zum Energiesparen.

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Kretschmann: "Gipfel war sehr produktiv"

Bei der Pressekonferenz nach dem Krisentreffen erklärte der Ministerpräsident, er habe den Gipfel als sehr produktiv empfunden. "Ich habe gespürt, dass wir das gemeinsam meistern können." Alle würden geschlossen und entschlossen handeln.

Laut Kretschmann müssten es die öffentliche Verwaltung, die Wirtschaft sowie die Privatverbraucherinnen und -verbraucher schaffen, 20 Prozent einzusparen, dann würde man in Baden-Württemberg in keine Gasmangellage kommen. Das sei die gute Botschaft, denn alle hätten es in der Hand, einen solchen Mangel zu verhindern.

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Allerdings kündigte der russische Gaskonzern Gazprom am Montagnachmittag an, die Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 weiter zu drosseln. Vom 27. Juli an sollen nur noch 33 Millionen Kubikmeter Gas täglich durch die Versorgungsleitung nach Deutschland fließen, teilte das Unternehmen mit. Das entspricht etwa 20 Prozent der Leitungskapazität. Die bisherigen Liefermengen liegen bei rund 40 Prozent. Als Grund für die Drosselung gibt das Unternehmen die Reparatur einer weiteren Turbine an.

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Bei dem heutigen Gasgipfel war auch Klaus Müller, der Präsident der Bundesnetzagentur, digital zugeschaltet. Kretschmann hob das besonders hervor und dankte Müller für seine Erläuterungen. Die Landesregierung lege logischerweise Wert darauf, dass keine regionalen Unwuchten entstünden. Vor allem die Industrie in Baden-Württemberg wolle wissen, "ob gewährleistet ist, dass der Süden bei der Gasverteilung nicht benachteiligt wird", betonte Kretschmann bereits zum Auftakt des Gasgipfels. Bei der abschließenden Pressekonferenz sagte der Regierungschef: "Ich bin aber sicher, dass das nicht eintreten wird, wenn wir das machen, was wir uns jetzt vorgenommen haben", so Kretschmann.

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Der Chef der Bundesnetzagentur sprach in seinem Lagebericht von einer angespannten Situation. Nur mit deutlichen Einsparungen und zusätzlichem Bezug von Gas könne in den nächsten beiden Wintern eine Mangellage vermieden werden. Um die Versorgung sicherzustellen, sei die inländische Verbrauchsreduktion entscheidend, so Müller.

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Laut AfD-Fraktionschef Bernd Gögel hat die Aufklärung durch Bundesnetzagenturchef Klaus Müller beim Gasgipfel nichts Beunruhigendes in sich getragen. "Geht man vom Status Quo der Gaslieferungen aus, droht auf absehbare Zeit keine Mangellage. Mittel- bis langfristig auf den Winter 2023/24 hin ist die Energieversorgung jedoch nicht garantiert", so Gögel.

"Der Gipfel hat unsere Forderungen nach Laufzeitverlängerung für Neckarwestheim II bestätigt. Da mehr als drei Stunden lang kein Wort darüber verloren wurde, scheinen es offenbar alle bereits für selbstverständlich zu halten, dass der Beitrag des Kernkraftwerks von elf Prozent zur Versorgung in Baden-Württemberg unverzichtbar ist. Andernfalls hätte man sich ja über Ersatz unterhalten müssen", schlussfolgerte der AfD-Fraktionschef.

FDP: Keine "Gasgarantie" für Bevölkerung

Auch die FDP schaut auf die AKWs im Land und betont, dass nicht über eine Verlängerung der Laufzeiten der drei Atomkraftwerke gesprochen wurde. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke betonte, ihm fehle ein klares Bekenntnis dazu, Kraftwerke, die gasbetrieben sind, auf Öl umrüsten zu können.

Außerdem kritisierte Rülke, die Regierung habe die Chance verpasst, Unternehmen und Bevölkerung eine "Gasgarantie" zu geben. "Es gab lediglich kleinteilige Verzichts- und Einsparvorschläge für Wirtschaft und Bevölkerung. Was ich aber vermisst habe, das sind effektive Maßnahmen zur Erschließung zusätzlicher Ressourcen," so der FDP-Fraktionschef.

Strobl: Jetzt sparen, um gut durch den Winter zu kommen

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) unterstrich bei der Pressekonferenz nach dem Treffen den Ernst der Lage. Wie Kretschmann betonte er, dass es nun wichtig sei zusammenzurücken. "Wir sind eine starke Gemeinschaft mit Bürgerinnen und Bürgern, die auch anpacken, wenn es darauf ankommt", so Strobl. "Alles, was wir jetzt sparen, hilft uns, gut durch den Winter zu kommen." Insgesamt sieht der Innenminister das Land gut aufgestellt. Auch weil bei einer Krisenmanagementübung des Katastrophenschutzes vor vier Jahren genau die Situation einer Gasmangellage geübt wurde. "Wir sind der Lage nicht hilflos ausgesetzt, wir bereiten uns gut vor", sagte der Minister.

Kretschmann: "Es ist auch Patriotismus gefragt"

Kretschmann hatte bereits zum Auftakt des Gasgipfels vor einem Auseinanderreißen der Gesellschaft im Fall einer Gasmangel-Lage im Winter gewarnt. "Wenn wir in eine Gasnotlage reinlaufen, werden die Fliehkräfte groß sein. Größer als bei Corona, und dieses Problem haben wir ja noch zusätzlich an der Backe", sagte der Grünen-Politiker bei der Begrüßung der Teilnehmenden in Stuttgart.

Deshalb werde es in den nächsten Monaten vor allem darum gehen, "dass wir uns in den wesentlichen Punkten nicht auseinanderdividieren lassen". Kretschmann mahnte: "Dabei ist auch unser Patriotismus gefragt." Für Deutschland, die freiheitlich-demokratische Ordnung und Europa.

Landesregierung verpflichtet sich zum Energiesparen

Die Landesregierung hat sich im Rahmen des Gipfels mit einem eigenen 5-Punkte-Programm verpflichtet, in den Behörden und Einrichtungen des Landes den Wärme- und Stromverbrauch nach Kräften zu senken. "Als Landesregierung müssen auch wir unseren Beitrag leisten," so Ministerpräsident Kretschmann.

Der Plan beinhaltet die Punkte Wärmereduzierung, Vorsorge, Stromsparen, Homeoffice und Fahrgemeinschaften, sowie eine Informationsstrategie. Konkret bedeutet das, dass in den Gebäuden des Landes die Raumtemperatur auf das gesetzliche Minimum gesenkt werden soll. Warmwasser wird es nur noch dort geben, wo es absolut nötig ist. Ungenutzte Räume sollen nicht oder nur gering beheizt werden.

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Außerdem will das Land in den Dienstgebäuden die Nutzung regenerativer Energien vorantreiben und prüfen, wo beispielsweise Klimaanlagen oder Heizungen optimiert werden können. Beim Thema Stromsparen sieht der Plan vor, so weit es geht auf Stromverbraucher zu verzichten. Genannt werden dabei beispielsweise Klimaanlagen, Fahrstühle, Heizlüfter und Ventilatoren.

Weiter will die Landesregierung Homeoffice nutzen und die Raumnutzung durch gemeinsame Schreibtische verkleinern. Und schließlich sollen Schulungen und Informationsmaterial die Aufmerksamkeit der Mitarbeitenden sowie der Bürgerinnen und Bürger auf das Energiesparen lenken.  

DGB fordert Energiepreisdeckel

Vor dem Gasgipfel der baden-württembergischen Landesregierung hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) demonstriert und einen "Energiepreisdeckel" gefordert. Es dürfe im Winter nicht vom Geldbeutel des Einzelnen abhängig sein, "ob die Wohnung warm oder kalt bleibt", sagte DGB-Landeschef Kai Burmeister vor dem Krisentreffen in Stuttgart.

Vor dem "Gasgipfel" BW im Neuen Schloss in Stuttgart demonstrieren DGB-Mitglieder mit einem Transparent für Solidatität in der Energiekrise. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat)
Vor dem "Gasgipfel" BW im Neuen Schloss in Stuttgart demonstrieren DGB-Mitglieder mit einem Transparent für Solidatität in der Energiekrise.

Er werde bei dem Gipfel einfordern, dass die Menschen jetzt Entlastung von den steigenden Preisen bräuchten. Burmeister will sich auch dafür einsetzen, dass Schulen zur kritischen Infrastruktur gezählt und im Fall einer Gasmangel-Lage weiter beheizt werden. Eltern und Kinder hätten nach den schwierigen Corona-Wintern die Erwartung, "dass die Schulen nicht geschlossen werden".

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