Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) zum 150. jubiläum der alt-katholischen Gemeinde Konstanz in der Christuskirche. (Archivbild) (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth (Archivbild))

Kirchenaustritte in BW

Kretschmann lobt Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in katholischer Kirche

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Henning Otte

Kritiker halten der katholischen Kirche eine zu zögerliche Aufarbeitung des Missbrauchsskandals vor. Kretschmann ist da anderer Meinung. Er sieht die Kirche auf dem richtigen Weg.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat die Aufarbeitung der sexuellen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche gelobt. Die Kirche reinige sich jetzt. "Im Großen und Ganzen macht sie das richtig", sagte der Grünen-Politiker am Donnerstagabend in der SWR-Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg". "Die meisten Bischöfe machen das wirklich sehr sorgfältig." Zur Kritik, die Kirche arbeite die Skandale nur zögerlich auf, sagte Kretschmann: "Ich habe das auch nicht zu verteidigen."

Kirchen die Chance geben, Konsequenzen zu ziehen

Klar sei, dass die Missbrauchsfälle zu einem "großen Glaubwürdigkeitsverlust" der Kirche geführt hätten. Man müsse der Kirche aber die Chance geben, die Skandale aufzuarbeiten und Konsequenzen zu ziehen. "Wenn man mit dem Müllwagen durch die Kirchengeschichte fährt, ist der Müllwagen voll." Das sei dennoch kein Grund aus der Kirche auszutreten, sagte der praktizierende Katholik und Kirchenbeauftrage der Landesregierung in der SWR-Sendung.

In der Geschichte der Menschheit seien viele schreckliche Dinge geschehen, erklärte Kretschmann und erinnerte auch an deutsche Verbrechen in der Nazi-Zeit. "Wenn wir in die Menschheitsgeschichte schauen - unsere eigene Vergangenheit als Deutsche angucken, was da geschehen ist unter Hitler - das ist doch noch fataler, was da geschehen ist. Aber wir können da nicht austreten."

Sind da die Privilegien der Kirchen noch zeitgemäß? Das komplette Gespräch mit Ministerpräsident Kretschmann aus der Sendung sehen Sie hier:

Kretschmann: Statt Austreten lieber in evangelische Kirche übertreten

Kretschmann ergänzte: "Ich bin halt ein Mensch und gehöre zur Menschengemeinschaft, deswegen kann ich nicht austreten, sondern ich muss das ändern und das haben wir geändert und auch in der Kirche hat sich sehr viel geändert."

Er appellierte an die Katholiken, sich nicht ganz von der Kirche abzuwenden. Wenn man sich etwa sehr daran störe, dass in der katholischen Kirche Frauen nicht zum Priester geweiht würden, könne man in die evangelische Kirche wechseln. "Man muss nicht einfach austreten, man kann auch in eine andere Konfession übertreten." Kretschmann stellte zugleich klar: "Ich bin ein ganz überzeugter Vertreter, dass Frauen Priester werden können. Das wir uns nicht missverstehen."

FDP-Fraktionschef kritisiert geschichtlichen Vergleich

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke kritisierte, dass Kretschmann geschichtliche Vergleiche anstellte. "Es ist schon abstrus, im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche mit dem Holocaust zu hantieren. Es zeichnet sich zunehmend ab, dass Herr Kretschmann den Anforderungen an das Amt des Ministerpräsidenten immer weniger gewachsen ist."

Den Kirchen in BW laufen die Mitglieder davon

Tausende Menschen kehrten in den vergangenen Jahren der Kirche den Rücken. Im Erzbistum Freiburg erreichte die Zahl der Kirchenaustritte vergangenes Jahr ein Rekordniveau. Jeder vierte in Deutschland denkt laut einer Studie der Bertelsmannstiftung über einen Austritt nach. Ein Drittel schätzte sich als nicht religiös ein.

Vor allem die katholische Kirche erhält mit den Austritten die Quittung für Missbrauchsskandale. Über 80 Prozent der Ausgetretenen nannten diese bei einer SWR-Umfrage im September als Hauptgrund. Aber auch der evangelischen Kirche rennen die Mitglieder davon. Finanzielle Gründe spielen ebenfalls eine Rolle.

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Kirchenaustritte haben in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen. 2021 verließen laut statistischem Bundesamt 360.000 Menschen die Katholische Kirche - ein neuer Rekordwert. Die Evangelische Kirche verzeichnete 280.000 Austritte.

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