Eine Katze schaut aus einem Gehege im Tierheim Quellenhof Passbrunn. Manche Tierheime in Bayern bekommen so viele Katzen und Hunde, dass sie sie an andere Tierheime weiter vermitteln müssen.

Zu viele wildlebende Katzen

Kastrieren gegen Tierleid: Immer mehr Gemeinden in BW führen Katzenschutzverordnung ein

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Luisa Bleich
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Anfang des Monats hat die Stadt Lahr als erste große Kreisstadt die Kastrationspflicht für Katzen eingeführt. So soll die Population von wildlebenden Katzen eingedämmt werden.

In der Stadt Lahr (Ortenaukreis) gilt seit Anfang August zum ersten Mal in einer größeren Kreisstadt die sogenannte Katzenschutzverordnung. Lahr ist dabei längst nicht mehr die einzige Stadt. Seit 2020 haben jährlich immer mehr Kommunen und Gemeinden diese Verordnung eingeführt. Zuletzt waren es laut dem Landestierschutzverband insgesamt 45 Gemeinden in Baden-Württemberg, Tendenz steigend. Mit der Katzenschutzverordnung soll die Population von freilebenden Katzen eingedämmt werden. Denn diese vermehren sich wild - teilweise auch mit Katzen, die eigentlich ein Zuhause haben.

Was regelt die Katzenschutzverordnung?

Durch die Katzenschutzverordnung müssen sämtliche Katzen in Lahr in Zukunft registriert, gechippt und kastriert werden. Die Kastration ist Tierschützerinnen und Tierschützern schon seit Jahren ein Anliegen. Denn verwilderte Katzen sind in der freien Natur auf sich gestellt und kämpfen jeden Tag ums Überleben. Nicht selten bekommen sie Krankheiten wie Katzenschnupfen oder Katzen-AIDS, viele kommen bereits mit Gendefekten auf die Welt. "Die Katzen sind wirklich krank", sagt Stefan Hitzler ernst. Er ist der Vorsitzende des baden-württembergischen Landestierschutzverbands. Er weiß, wie viel Zeit und Arbeit die Versorgung von kranken, freilebenden Katzen die Tierheime im Land kosten. Denn hier landen die Tiere früher oder später. Lange bleiben sie dort aber meistens nicht. Die meisten verwilderten Katzen seien zu scheu und nicht an den Menschen gewöhnt, weiß Katja Spirgatis, die administrative Leiterin des Lahrer Tierheims.

Eine schwarze Katze mit durch Katzenschnupfen verklebten Augen.
Diese Katze kam mit Katzenschnupfen ins Heidenheimer Tierheim.

Wilde Katzen, die nicht in ein neues Zuhause vermittelt werden können, werden vom Tierheim gesund gepflegt und dann wieder in die Natur entlassen. So weit müsste es laut Hitzler aber gar nicht erst kommen. "Eine Katze, die nicht geboren ist und nicht ums Überleben kämpfen muss, wird nicht krank ins Tierheim gebracht", so der Vorsitzende. Und genau da setzt die Verordnung an. Denn durch die Kastration von sämtlichen in einer Stadt lebenden Katzen könnten die Populationen in Zukunft deutlich eingeschränkt werden.

Langer Kampf um Katzenschutzverordnung in Lahr

Bis zu dem Beschluss des Lahrer Gemeinderates, die Verordnung einführen zu wollen, war es aber ein langer Weg. Die Katzenschutzverordnung stand hier bereits seit mehreren Jahren auf der Agenda. Vor einer entsprechenden Entscheidung durch den Gemeinderat musste jedoch erst der Nachweis erbracht werden, dass andere Maßnahmen nicht zum gleichen Ziel führen. Deswegen habe es Versuche gegeben, die Menschen auf anderem Weg dazu zu bringen, ihre Katzen kastrieren zu lassen, erzählt Lisa Meyer von der Stadt Lahr. So habe man unter anderem die Kastrationen bezuschusst. Dieses Angebot sei allerdings kaum angenommen worden.

Zeitgleich wurde das Problem mit den verwilderten Hauskatzen in Lahr immer schlimmer. Zuletzt hatten das Tierheim und das Veterinäramt im Zusammenhang mit einem Antrag der Fraktion Linke Liste Lahr & Tierschutzpartei eine Stellungnahme verfasst, um auf die wachsende Problematik aufmerksam zu machen. Dadurch habe der Gemeinderat die Notwendigkeit erkannt und die Verordnung Anfang des Jahres mit nur einer Gegenstimme verabschiedet. Laut Spirgatis vom Lahrer Tierheim sei das in erster Linie auf die jahrelange Initiative des Tierschutzvereins zurückzuführen. Denn die Stadt habe von der Problematik mit den freilebenden Katzen bisher kaum etwas mitbekommen.

Verwilderte Katzen - unsichtbares Problem mit unbekanntem Ausmaß

Wie viele Streuner es im Land gibt, weiß dabei keiner so genau. "Weil die Tiere nicht gesehen werden", sagt Hitzler vom Landestierschutzverband und spricht von einem "ungesehenen Leid". Den Tierheimen würde es an Kapazitäten fehlen, um die verwilderten Katzen in der Region zu zählen.

Die Katzen leben in Wäldern und Parks oder auf Bauernhöfen. Manche zeigen sich laut Hitzler nur nachts. Sichtbar wird das Problem meistens erst dann, wenn die Katzen krank sind, sich stark verbreiten oder sich in Häuser mit Hauskatzen wagen, um etwas zu fressen zu bekommen. Dann wird meistens der Tierschutz informiert.

Schramberg führte Verordnung als erste Gemeinde in BW ein

Claudio Di Simio, Erster Vorsitzender des Tierschutzvereins Schramberg (Kreis Rottweil), setzt sich seit Jahren mit seinem Verein für die Katzenschutzverordnung ein. Mit Erfolg: Die Stadt Schramberg war 2020 zusammen mit der Stadt Berglen (Rems-Murr-Kreis) die erste Gemeinde in Baden-Württemberg, die die Katzenschutzverordnung umgesetzt hat. Die Rechtsgrundlage für eine solche Verordnung hat der Bund dabei bereits 2013 geschaffen. Die Entscheidung darüber wurde letztlich aber an die einzelnen Länder übertragen, die ihrerseits das Ganze wiederum an die Kommunen weitergegeben haben. Dass es keine landesweit einheitliche Regelung gibt, findet Hitzler vom Landestierschutzverband schade. Denn so müsse sich jetzt jede Kommune und jeder Tierschutzverein selbst mit dem Thema auseinandersetzen. "Die Kommune muss für sich sagen: Wir haben ein Problem mit freilaufenden Katzen", so Hitzler. Bis eine Kommune das erkennt, ist aber meist viel Überzeugungsarbeit von Seiten des Tierschutzes nötig.

Tierschutz versucht mit Kastrationsaktionen Population einzudämmen

Das weiß auch Di Simio vom Tierschutzverein Schramberg. Er und sein Verein führen seit Jahren Kastrationsaktionen durch, um die Vermehrung der freilebenden Katzen einzuschränken. "Aus der Bevölkerung gab es immer wieder Hinweise, wo sich größere Katzennester befinden", erklärt Di Simio. Unter einem Katzennest verstehen Tierschützerinnen und Tierschützer eine größere Ansammlung von Katzen, für die sich niemand mehr verantwortlich fühlt. Um zu verhindern, dass sich die vielen Katzen unkontrolliert vermehren, würde man versuchen, die Tiere anzulocken, sie einzufangen und zu kastrieren. Doch auf eine Meldung aus der Bevölkerung folgten schon bald weitere. "Und so waren wir mit den Problemen halt auch ständig konfrontiert", so Di Simio. Diese Kastrationsaktionen hat der Tierschützer dokumentiert und den Entscheidungsträgern der Stadt vorgelegt, die 2019 schließlich die Verordnung verabschiedet haben. Diese gilt seit dem 1. Januar 2020.

Katzenschutzverordnung liefert dem Tierschutz eine Rechtsgrundlage

Seitdem hat sich die Arbeit für den Tierschutz in Schramberg deutlich verbessert. Durch die Verordnung habe man eine ganz andere Grundlage, um mit den Leuten reden zu können, sagt Di Simio. Auch die Kastration von herrenlosen Katzen könne durch die Verordnung jetzt schneller und unkomplizierter ablaufen. Denn: Ohne Katzenschutzverordnung muss der Tierschutz erst ein halbes Jahr warten, ob nicht doch noch ein Halter oder eine Halterin gefunden werden kann. Kastriert man ein Tier, dass jemandem gehört, einfach so, greift man in das Eigentumsrecht der Person ein. Durch die Verordnung fällt das allerdings weg.

"Für den Tierschutzverein hat sich die Arbeitsgrundlage verbessert."

In Schramberg gilt die Katzenschutzverordnung mittlerweile seit knapp zweieinhalb Jahren. Zahlenmäßig könne man allerdings noch keine Effekte erkennen, sagen Penning und Di Simio. Dafür sei der Zeitraum einfach zu kurz. Was man dafür aber erkennen kann: Seit der Einführung der Verordnung sind sie Kastrationen in der Stadt angestiegen. Die Gemeinde würde im Schnitt jährlich für circa 35 bis 40 Kastrationen aufkommen, so Penning. Für diese Extra-Kosten habe die Stadt zu Beginn der Katzenschutzverordnung ihren Haushalt um einen jährlichen Betrag von 5.000 Euro erweitert. Diese seien bisher auch fast immer aufgebraucht worden, so Penning weiter.

Tierschutz und Land geben mehrere tausend Euro für Kastrationen

Durch die Verordnung hat die Stadt Schramberg sich dazu verpflichtet, für die Kastrationen von herrenlosen Katzen aufzukommen. Privatpersonen, die sich eine Katze anschaffen, müssen die Kastration allerdings weiterhin selbst bezahlen. Die Kosten für die Kastration verwilderter Katzen werden in Städten und Gemeinden ohne Verordnung von den jeweiligen Tierschutzvereinen und dem Land gestemmt. "Wir geben an unsere Vereine bis zu 1.500 Euro im Jahr", erklärt Stefan Hitzler vom Landestierschutzverband.

Zum Verband gehören dabei 115 Vereine. Sobald ein Verein eine Kastration durchgeführt hat, landet die Rechnung dafür beim Landesverband. Dabei wird der Verband vom Land Baden-Württemberg unterstützt. Der Verein übernimmt mit 60.000 Euro im Jahr zwei Drittel der Kosten, das Land mit 30.000 Euro das restliche Drittel. "Aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein", meint Hitzler. Denn: Das Geld reiche nicht aus und wo kein Geld mehr da ist, können auch keine Kastrationen mehr durchgeführt werden.

Hitzler engagiert sich selbst für den Tierschutz in und um Heidenheim. Hier gibt es keine Katzenschutzverordnung, dafür eine Kooperation mit den Gemeinden im Landkreis. Der Tierschutzverband und die Gemeinden teilen sich die Kosten für die anfallenden Kastrationen. Allein in diesem Jahr hätten so schon 212 Katzen kastriert werden können. "Das sind aber nur die, die wir uns leisten konnten", betont Hitzler.

Katzenschutzverordnung soll Tierleid verhindern

Die Vorteile einer Katzenschutzverordnung liegen für Hitzler klar auf der Hand:

"Katzenschutzverordnungen verhindern Katzenleid."

Das sehen auch Di Simio und Penning so. Penning von der Stadt Schramberg spricht sogar von einem "Tierelend". "Der Ehrlichkeit halber muss man sagen, eine Stadt kann selbst relativ wenig machen und man muss froh sein, wenn man einen Tierschutzverein vor Ort hat, der sich der Sache annimmt (...). Und dazu leistet die Katzenschutzverordnung mit Sicherheit einen guten Beitrag", fügt Penning hinzu.

Wer kontrolliert die Verordnung?

Kontrolliert wird das Einhalten der Katzenschutzverordnung dabei von niemandem. "Das ist zu vergleichen mit der Hundesteuerpflicht", erklärt Di Simio, "da kontrolliert ja auch keiner." Die Katzenschutzverordnung würde aber auch ohne Kontrolle ihren Zweck erfüllen. Denn für den Tierschutzverein gehe es in erster Linie darum, Rechtssicherheit zu haben - sei es im persönlichen Gespräch mit Katzenbesitzerinnen und -besitzern oder bei der Kastration von verwilderten Katzen.

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