In der vergangenen Wochen reiste eine achtköpfige Delegation aus Karlsruhe in die ukrainische Partnerstadt Winnyzja. Im Vorfeld hatte der Gemeinderat in einer nichtöffentlichen Sitzung die Reise abgesegnet.
Die Eindrücke der vergangenen Tage haben Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) bewegt:
"Ich habe schon viele Delegationsreisen mitgemacht, aber diese zwei Tage waren das Berührendste auf ganz vielen Ebenen seit Beginn meiner Amtszeit."
Winnyzja: Zwischen Lebenslust und Luftalarm
Die Delegation aus Karlsruhe wurde von Serhii Morhunov, dem Oberbürgermeister von Winnyzja, und seinen Kollegen herzlich empfangen, erzählt Frank Mentrup. Wie in Karlsruhe besiegelten die beiden Oberbürgermeister auch in der Ukraine ihre Partnerschaft mit einem Festakt. Danach ging es auf Erkundungstour durch die Stadt.
Karlsruher Delegation verbringt erste Nacht im Schutzraum
Gleich die erste Nacht verbrachte die Delegation in einem Schutzraum, erzählte Oberbürgermeister Mentrup.
"Wir waren die Einzigen, die den Schutzraum aufgesucht haben. Für alle anderen ist das inzwischen normal, und du kannst nicht jede Nacht mehrere Stunden in einen Bunker."
Während tagsüber die Menschen ihr Leben leben und auch den Frühling in den Parks und Cafés genießen, ist ab Mitternacht Geisterstimmung. Die Ausgangssperre gilt nach wie vor. Einschnitte in die persönliche Freiheit, die die Ukrainerinnen und Ukrainer hinnehmen.
Im Sommer zerstörten russische Raketen Gebäude im Zentrum
Im vergangenen Juli war Winnyzja von russischen Raketenangriffen getroffen worden. Bei dem Angriff jenseits der Frontlinie gab es, ukrainischen Angaben zufolge, über 20 Tote und mehrere Verletzte. Der ukrainische Präsident Selenskyj sprach damals von einem "offenen terroristischen Akt".

Auch der Karlsruher Gemeinderat Benjamin Bauer (Grüne) war bei der Delegationsreise dabei und war geschockt von der Zerstörung durch den Raketenangriff, die auch ein Jahr später noch deutlich sichtbar ist.
"Wenn man in dem Einschlagskrater steht, bekommt man einen Eindruck über die Dimension und die Gewalt, mit der die Menschen hier tagtäglich konfrontiert sind."
Am meisten habe ihn aber vor allem die offene und lebenslustige Art der Menschen in Winnyzja beeindruckt. Während am Mahnmal für die gefallenen Soldaten jeden Tag neue Namen erschienen, spielte wenige Meter weiter ein Straßenmusiker AC/DC, schilderte er.
Städtepartnerschaft im Frühjahr 2023 besiegelt
Ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg hatte der Karlsruher Gemeinderat im März 2022 eine Resolution zur Solidarität mit der Ukraine verabschiedet. Diese mündete in den Wunsch aller Fraktionen, eine Partnerschaft mit einer ukrainischen Stadt einzugehen.
Laut Karlsruher Stadtverwaltung verbinden Winnyzja und Karlsruhe einige Gemeinsamkeiten. Winnyzja ist eine Wirtschafts-, Forschungs- und Kulturmetropole, die für Transparenz, Wirtschaftsfreundlichkeit und auch für seine nachhaltige Energie- und Klimaschutzpolitik ausgezeichnet wurde. Ende April wurde der Partnerschaftsvertrag von beiden Seiten bei einem Festakt unterzeichnet.

Ziel: Fachliche Kontakte herstellen um voneinander zu profitieren.
Bereits vor der offiziellen Unterzeichnung hatte Karlsruhe die ukrainische Stadt, die 200 Kilometer südwestlich von Kiew liegt, mit technischem Gerät unterstützt. Im Winter stellte die Stadt Wärmestationen zur Verfügung. Zehn Zelte mit jeweils 50 Quadratmetern Fläche und Dieselgeneratoren mit Infrarotstrahlern wurden über einen Karlsruher Hilfsverein nach Winnyzja geliefert.

In Zukunft soll sich vor allem auf fachlicher Ebene ausgetauscht werden. Dabei geht es um Krankenhäuser, den ÖPNV, Universitäten oder Kultur. Ziel ist es, voneinander zu profitieren. Für den Sommer ist beispielsweise ein erster Austausch von Studierenden geplant.
"Was die Digitalisierung angeht, können wir so viel von unseren ukrainischen Kollegen lernen. Das, was wir seit 20 Jahren wollen, machen die einfach."