Poeten beim KI-manipulierten Poetry Slam in Heilbronn

Experiment mit unwissenden Zuschauern in Heilbronn

Heimlich KI verwendet: Erschrockene Zuschauer beim Poetry Slam

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AUTOR/IN
Alice Robra

Bei einem Experiment haben Poetry Slammer ihre Texte von ChatGPT schreiben lassen - und den Zuschauenden erst mal nichts gesagt. Das zeigt, wie schwer es ist, KI zu erkennen.

Der 110. Poetry Slam in der Heilbronner Maschinenfabrik war etwas Besonderes: Zum ersten und vielleicht einzigen Mal haben die fünf Slammer Texte von einer künstlichen Intelligenz schreiben lassen, statt eigene vorzutragen. Erst nach gut einer halben Stunde verriet der Moderator, dass ChatGPT, eine Künstliche Intelligenz (KI) zum Generieren von Texten, verwendet wurde. Viele Besucher waren erschrocken.

Erfahrung regt auch zum Nachdenken an

Ich sehe gar keinen Unterschied! Das ist das Erschreckende!

Die Zuschauerinnen und Zuschauer reagierten überrascht und wurden dann oft nachdenklich: Die Texte hatten zum Teil sehr überzeugt. Erst durch die Auflösung konnten die vom SWR befragten Zuschauer zuordnen, warum sie beim Zuhören manchmal irritiert waren.

Es war irgendwie anders, aber dass es KI ist, darauf wäre ich nicht gekommen.

Gerade jetzt, wo KI immer mehr Verwendung findet, wo immer mehr Menschen damit arbeiten und eine KI wie ChatGPT so auch mit ihren Daten "trainiert", eine interessante Beobachtung. KI wird allem Anschein nach also immer besser und - gerade wenn noch echte Menschen wie hier die Slammer involviert sind - auch immer schwieriger für die Menschen zu erkennen. Erfahrene Slam-Zuschauer bemerkten, dass der Inhalt der Texte besser hätte sein können an diesem Abend.

KI kann nur Mainstream. Ich habe eigentlich einen richtigen Poetry Slam erwartet: persönlich, authentisch, emotional.

ChatGPT dichtet wie ein Kalenderblatt

Besucherin Theresa hatte bei einem Vortrag das Gefühl, das hätten auch Kalendersprüche gewesen sein können. Marcel vermutete, dass bei zwei Slammern die Texte nicht gut zu den Leuten gepasst haben - der Verdacht kam aber deshalb auf, weil die beiden vorneweg entschuldigend erklärt hatten, einen "neuen Schreibstil" auszuprobieren. Bevor das Geheimnis gelüftet wurde, bekamen alle Künstler und Künstlerinnen Applaus, bei zweien klang das Publikum ganz begeistert. Zuschauerin Isabella fragte sich deshalb, was Kunst eigentlich noch ausmache.

Irgendwie auch erschreckend, wie gut so eine KI so was schreiben kann. Was ja auch wieder die Frage aufwirft, was ist Kunst?

Poeten beim KI-manipulierten Poetry Slam in Heilbronn
Jaromir Konecny brachte den Saal zum Lachen, als er selbstironisch über "die Schatten meiner Selfies" sprach. Mit bis zu zehn Prompts hatte er der KI erlaubt, ihn in einem Text auf die Schippe zu nehmen.

Wofür braucht es Künstlerinnen und Künstler?

Slammerin Pauline Füg sagt, auch wenn die Texte von ChatGPT geschrieben wurden, brauchte es sie als Künstlerin, die mit den Prompts, also den Befehlen für die KI, ein Werk erschaffen habe. Sie überprüfte den Text immer wieder und gab neue Anweisungen, wenn ihr der Text zu langweilig oder zu beliebig wurde. Darin liege dann auch ihr Urheberrecht.

Wie kann ich den Prompt, die Aufgabe an ChatGPT, so rausgeben, dass ein Text rauskommt, der vielleicht einen literarischen Mehrwert hat?

Experiment könnte als Beispiel für andere Kunstarten dienen

In Zukunft solle ChatGPT nicht mehr verwendet werden, um ganze Texte schreiben zu lassen, so der künstlerische Leiter Philipp Herold. Schließlich verstoße das klar gegen die Poetry Slam Regeln, denn jeder Text muss von den Autoren selbst verfasst werden. Als Hilfestellung und Inspiration könne es aber weiterhin dienen. Mitorganisator Robert Mucha vom KI-Salon hofft, dass der Abend auch als Beispiel für andere Kunstarten dienen könne: "Wieso nicht mit Musik, wieso nicht mit bildender Kunst? Wieso nicht mit Malerei?" Wichtig sei gewesen, dass sich die Künstler für dieses Experiment geöffnet hätten.

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