Kristian Rudolph von der Heilbronner Spitzweg-Apotheke hat über hunderttausend Euro in Maschinen und Technik zur sogenannten Verblisterung (PIV) investiert. Heißt: Die Maschinen portionieren verschiedene Medikamente, nach Wochentagen und Tageszeiten sortiert, in einzelne kleine Tütchen (Blister), die am Ende eine Rolle bilden. Hauptkunden sind Alten- und Pflegeheime, aber auch Privatkunden nutzen den Service.
Die rechtlichen und finanziellen Hürden für den Dienstanbieter sind hoch. Angefangen vom Reinraum bis hin zur Genehmigung durch das Regierungspräsidium. Schon deshalb werde, trotz steigender Zahl an Pflegebedürftigen, das System wohl kaum flächendeckend Schule machen, meint Rudolph. In Heilbronn sei er momentan der einzige Anbieter. Die Apotheke übernimmt das Medikamentenmanagement, bekommt die Rezepte direkt von den Arztpraxen und bestellt nach. Die Pflegeheime werden wöchentlich beliefert, Privatkunden alle vier Wochen.
Pro und Kontra - es fehlt an wissenschaftlichen Studien
Pflegekräfte würden beim Zusammenstellen der Medikamente oft abgelenkt, sagt Apotheker Rudolph. So entstehende Risiken könnten durch das Blistern minimiert werden. Die Heime sparten Geld und das Personal werde entlastet. Andere befürchten eher einen Kompetenzverlust, wenn solche Aufgaben in die Hände anderer Berufsgruppen fallen, sagt Thomas Kaiser vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Es fehle bei möglichen Vor- und Nachteilen des Systems noch an wissenschaftlichen Belegen. Das gelte auch für die Wirtschaftlichkeit.
Medikamentengabe für Pflegekräfte noch komplizierter?
Da nicht mehr jeder Patient eine eigene Packung bekommt, verfallen nicht mehr so viele Medikamente, argumentieren die Befürworter der Verblisterung. Kritiker befürchten, dass die Medikamentengabe für Pflegekräfte noch komplizierter wird, weil nicht jedes Medikament in die Blister kann, beispielsweise Säfte, Ampullen, Sprays oder Infusionen.
Hier setzt auch die Kritik von Dr. Wolfgang Miller an. Er ist Präsident der Landesärztekammer in Baden-Württemberg. Auch in Pflegeheimen müssten die Medikamente immer wieder angepasst werden. Zum Patienten zu sagen, "lassen Sie jetzt die eine der zwei weißen Tabletten aus ihrem Tütchen weg" sei nicht praktikabel, sagt der praktizierende Arzt.
Gefährlich findet Dr. Miller, wenn Online-Apotheken mit Verblistern den lokalen Apotheken die Aufträge wegnähmen. Für die Ärzteschaft seien die Apotheken wichtig als Partner vor Ort und alles, was diese Struktur schwäche, sei sehr problematisch.
Investition hat sich für Apotheke gelohnt
Für die Spitzweg-Apotheke in Heilbronn-Sontheim habe sich die Investition gelohnt, so Inhaber Rudolph. Er sei damals recht blauäugig an die Sache herangegangen. Hätte er gewusst, was alles an Risiken und Kosten auf ihn zukommt, hätte er es damals wohl nicht gewagt. Am Ende des Tages aber sei er Unternehmer und nicht "Unterlasser", scherzt er.