Jüdische Musik

Asamblea Mediterranea: Das jüdische Europa in Liedern und Zeitzeugnissen

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Helga Spannhake
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Dominic Konrad

Jüdische Musik ist deutlich mehr als Klarinette und Klezmer. Das sagt der israelische Gitarrist und Komponist Alon Wallach. Er ist musikalischer Leiter des Ensembles Asamblea Mediterranea. Bei Konzerten in Freudenstadt und Sindelfingen spielt das Ensemble Stücke aus tausend Jahren aschkenasischer und sephardischer Musiktradition in Europa, von spanischer Musik des 11. Jahrhunderts über Barockwerke bis hin zu modernem Pop aus Israel.

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Jüdische Musik aus Europa: Stücke aus tausend Jahren Musikgeschichte

Alon Wallach ist Gitarrist und Komponist aus Israel. Er kam 2002 nach Stuttgart, um Musik zu studieren. Heute ist er musikalischer Leiter des Ensembles Asamblea Mediterranea. Als vor zwei Jahren das Jubiläum zu 1.700 Jahren jüdischem Leben in Deutschland gefeiert wurde, da hatten er und sein Ensemble ein neues Programm vorbereitet: „1000 Jahre Galut – das jüdische Europa in Liedern und Zeitzeugnissen“: 

„Das Projekt“, erklärt Wallach, „beschäftigt sich mit den Beziehungen zwischen Juden und Nicht-Juden in Europa seit dem Jahr 1000 ungefähr. Und die Idee vom Projekt ist es, Neugierde zu wecken für unterschiedliche geschichtliche Themen.“

Das Publikum erwartet eine musikalische Zeitreise durch die Jahrhunderte und zu den unterschiedlichen Schauplätzen jüdischen Lebens: von traditioneller Musik aus dem Spanien des 11. Jahrhunderts über Barock-Kompositionen bis hin zu moderner israelischer Popmusik. 

Asamblea Mediterranea: „La Vuelta del marido“

„Ganz sicher nicht das, was man sich unter jüdischer Musik vorstellt“

Der kleine Probenraum der Musikschule Let’s Fätz in Plüderhausen strahlt entspannte Gemütlichkeit aus. Im großen Stuhlkreis sitzen sich die Musikerinnen und Musiker gegenüber, um für ihr Konzert in Freudental zu proben.

Auf ihren Notenständern ist ein arabisches Lied: Es stammt aus dem Nahen Osten. Man bekommt einen kleinen Eindruck, wie wohl jüdische Musik geklungen hat zu jener Zeit, erklärt Wallach: „Das ist ganz sicher nicht das, was man sich unter jüdischer Musik vorstellt“, meint Wallach. „Man denkt eher an die Klarinette und Klezmer und so.“

Perkussionist Andreas Pastorek spielt bereits seit 1998 mit. Das Konzertprogramm findet er sehr interessant, aber auch herausfordernd: „Ich bin kein Türke, ich bin kein Araber. Und da fällt mir das schon ein bisschen schwer, diese komplexen rhythmischen Strukturen, die eigentlich ja nicht schwer sind, aber schwer zu erkennen sind.“

 Unbekannte Musiken lernen als interkultureller Prozess

In einem interkulturellen Prozess neue und unbekannte Musik kennenzulernen, das ist Alon Wallach wichtig. Wenn man im eigenen Kulturkreis bleibe, gebe es nicht so viel, was man den Leuten noch beibringen könne, findet der Musiker.

Dynamik, Harmoniewechsel, Stimmung: Damit alles stimmig ist, hat Alon Wallach das Ensemble um fachkundige musikalische Kollegen erweitert, etwa mit Mert Demircioğlu, der das türkische Zupfinstrument Kanun spielt, und Serap Ermiş, Sängerin und eigentlich Archäologin im Promotion.

Für das Konzertprogramm wählte Serap Ermiş ein Lied von Misirli Ibrahim Efendi aus: „Der Komponist ist ein Jude gewesen im osmanischen Reich im 19. Jahrhundert und auch ein sehr bekannter“, erklärt sie.

„Das Lied ist eigentlich ein Liebeslied. Es heißt Mimoza. Mimoza ist eine Blume, aber das Lied geht tatsächlich um Liebe und Sehnsucht.“

Asamblea Mediterranea: „La Pastora“

Ebenfalls dabei: Mazen Mohsen, Oud-Spieler und Sänger aus Ludwigsburg. Alon Wallach hat den aus Syrien stammenden Musiker eingeladen, damit er dem Ensemble die arabische Musik näherbringt.

Mazens Blick wechselt zwischen seinen Noten und den Ensemble-Mitgliedern hin und her. Er erklärt, in welchen Takten mitgesungen wird und welche rein instrumental erklingen.

Er schmunzelt, denn vieles in der arabischen Musik ist für westliche Instrumentalisten schwierig, zum Beispiel Mikrotöne: „Wir haben das fast hundertmal wiederholt, damit wir das Richtige treffen konnten. Jetzt klingt es halt schön, aber mit einer europäischen Seele, würde ich mal sagen. Also nicht genau wie von einem arabischen Orchester.“

Musiken zwischen kultureller Blüte und Unterdrückung

Noch ein drittes Lied, das „Muwashah Zaman il Massal“, steht auf dem Probenplan von Alon Wallach: „Das ist ein antikes Lied aus Andalusien und das ist unsere Ausgangsposition. Andalusien um das Jahr 1000, wo vor allem Juden und Muslime gemeinsam gelebt haben.“

So stehen sich im Konzert Jahrhunderte der kulturellen Blüte und auf der anderen Seite die Erfahrung von Unterdrückung bis hin zum Völkermord gegenüber. Beides hat markante Spuren in der Musik hinterlassen.

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