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Wolfgang Benz – Allein gegen Hitler. Leben und Tat des Georg Elser

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AUTOR/IN
Günter Kaindlstorfer

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Ein Querschädel aus der Ostalb: Wolfgang Benz, Doyen der deutschen Zeitgeschichtsforschung, setzt dem Hitler-Attentäter Georg Elser ein würdiges Denkmal.

C. H. Beck Verlag, 224 Seiten, 27 Euro
ISBN 978-3-406-80061-0

Der Historiker Wolfgang Benz, Jahrgang 1941, lehrte bis 2011 an der TU Berlin und war dort der Leiter der Forschungsstelle Antisemitismus. Auch der "Widerstand gegen den Nationalsozialismus" zählt zu den Schwerpunkten seines langen Forscherlebens. Sein neues Buch heißt: "Allein gegen Hitler. Leben und Tat des Johann Georg Elser" - Günter Kaindlstorfer.

Und wieder einmal soll ihn die Vorsehung gerettet haben. Dabei war es bloß das schlechte Wetter. Wegen der eingeschränkten Sichtverhältnisse, die für 9. November 1939 vorhergesagt waren, konnte Adolf Hitler sein Privatflugzeug nicht benutzen, um zurück nach Berlin zu kommen, nachdem er im Münchner Bürgerbräukeller zu den Massen gesprochen hatte, um. Also nahm er den Zug. Dass der Diktator die Schankstätte in der Rosenheimer Straße vorzeitig verließ, rettete ihm das Leben. Wenige Stunden nach dem Attentat notierte sein Propagandaminister Joseph Goebbels in seinem Tagebuch:

„Der Führer und wir alle sind wie durch ein Wunder dem Tode entronnen. Er ... steht doch unter dem Schutz des Allmächtigen.“

Wolfgang Benz zeichnet die dramatischen Ereignisse des 8. Novembers 1939 unter kritischer Würdigung aller erreichbaren Quellen nach. Vor allem aber setzt er dem autodidaktischen Gesinnungsethiker Georg Elser ein Denkmal, einem schwäbischem Querschädel, der kein Studium der Politik- oder sonstigen Wissenschaften benötigt hatte, um zu erkennen, dass Adolf Hitler ein blutsäuferischer Menschheitsverbrecher war, der gestoppt werden musste – und sei es durch einen Akt des individuellen Terrors:

„Elser war ein kategorischer Moralist...“

... stellt Wolfgang Benz fest. Der Zeithistoriker zeichnet den Schreinergesellen Georg Elser als typischen Spross der Ostalb. Der Charakter seiner Herkunftsregion habe Elser tief geprägt:

„Die Lebenswelt auf der Schwäbischen Ostalb war vor und nach dem Ersten Weltkrieg auch sozial von rauhem Klima, von harter Arbeit, Fleiß und Sparsamkeit, württembergischem Patriotismus und protestantischem Christentum bestimmt.“

Prägend für die antifaschistische Orientierung Elsers sei vor allem seine christliche Erziehung gewesen, hält Wolfgang Benz fest.

„Georg Elser war nicht nur unter dem Einfluss seiner frommen Mutter vom Pietismus geprägt ... Er engagierte sich auch im „Freien Abstinentenverein Kreuzlingen“. Das war ein Reflex auf den trinkenden Vater, jedoch keine grundsätzliche Absage. Ein Glas Bier trank er schon, wenn es sich ergab.“

„Allein gegen Hitler“: Man darf Wolfgang Benz‘ anschaulich geschriebenes Buch – trotz seiner wissenschaftlichen Akkuratesse – auch als Hommage an den couragierten Einzelgänger Georg Elser lesen. Penibel beschreibt der Zeithistoriker, wie sich der Schreinergeselle aus Königsbronn den Sprengstoff besorgte, den er für den Tyrannenmord brauchte, wie er sich vor dem Attentat über Wochen hinweg Zugang zum Bürgerbräukeller verschaffte, um in mühseliger Kleinarbeit die Bombe in einer Säule hinter dem Rednerpult zu installieren.

30 bis 35 Nächte benötigte Elser für diese Vorbereitungsarbeiten. Eine logistische Meisterleistung. Und im Grunde gingen Elsners Pläne auch perfekt auf – bis zur sekundengenauen Detonation der Bombe am 8. November 1939. Wenn nur das schlechte Wetter nicht gewesen wäre ...

Georg Elser wurde noch in der Nacht des Attentats an der deutsch-schweizer Grenze in Konstanz verhaftet. Wenige Tage später legte der damals 36-Jährige – von der Folter zermürbt – ein umfassendes Geständnis ab. Dass Elser nicht sofort exekutiert, sondern jahrelang in Sachsenhausen und Dachau inhaftiert wurde, verdankte sich dem Umstand, dass ihn die NS-Gewaltigen nach dem „Endsieg“ in einem publicitywirksamen Schauprozess aburteilen wollten. Dazu kam es nicht.

In der „Götterdämmerung“ des Dritten Reichs, am 9. April 1945, wurde Georg Elser im KZ Dachau auf persönlichen Befehl Adolf Hitlers mit einem Genickschuss ermordet. So starb einer, der es im Alleingang mit einem der schändlichsten Verbrecher der Menschheitsgeschichte aufgenommen hatte: Georg Elser – ein deutscher Held.

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Günter Kaindlstorfer