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Maria Stepanova: Mädchen ohne Kleider

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Die 1972 geborene Maria Stepanova ist Prosaistin, Essayistin, Journalistin und Lyrikerin. Sie zählt zu den literarischen Stimmen Russlands, die auch im Ausland wahrgenommen werden und ist darüber hinaus Chefredakteurin der Internetzeitschrift colta.ru.

Stepanova gilt als eine der Protagonistinnen der Moskauer Literaturszene. In ihrem umfangreichen Roman „Nach dem Gedächtnis“, ihrem ersten Prosawerk, ließ Stepanova Lebensgeschichten und Reiseberichte, Reflexionen und Überlegungen zur Kunst quer durch ein Jahrhundert zu einem beeindruckenden Bild der russischen-europäischen und auch jüdischen Kultur ineinanderfließen.

Und auch zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine fand Stepanova jüngst in einem Beitrag für die Schweizer Wochenzeitung WOZ deutliche Worte: „Was wir jetzt erleben, kann man als Untergang des Denkbaren bezeichnen“, so Stepanova. Und weiter: „Die Ukraine ist heute Schauplatz des uralten Kampfes zwischen Gut und Böse, so hochtrabend das auch klingen mag; von seinem Ausgang hängt das Schicksal aller ab, nicht bloß das der Ukraine und Russlands.“

So bewusst Stepanova das Pathos ihrer Worte in diesem Fall sein mag, so dezidiert fein und unpathetisch kommen ihre neuen Gedichtzyklen daher. Wie ein Schutzschirm breitet sich Stepanovas Blick über denjenigen aus, die sie betrachtet und besingt.

Ein Zufallsfund, die Fotografie einer nackten jungen Frau, setzte den Impuls für das titelgebende Gedicht: „Immer sind irgendwo Mädchen ohne Kleider. / Immer ist da etwas, das an ihnen frisst. / Immer ist da etwas, das von ihnen bleibt. / Immer ist da etwas für immer vorbei.“ Erschütterung in leisen Versen.

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SWR