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Deniz Ohde: Streulicht

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„Kellerkind“, nennt man sie: Die Ich-Erzählerin von Deniz Ohdes Debüt wächst ein einem deutsch-türkischen Arbeiterhaushalt auf. Oft wird das schüchterne Mädchen ausgegrenzt. Dass sie aus Angst schweigt, stigmatisiert sie noch mehr. Die deutsche Klassengesellschaft ohne Aufstiegschancen wird in „Streulicht“ in feinen Beobachtungen kenntlich gemacht.

Viel ist derzeit die Rede von Privilegien, einer neuen Klassengesellschaft und subtilen Ausgrenzungsmechanismen. Deniz Ohdes Debütroman ist die literarische Umsetzung feiner Beobachtungen, subtiler Strömungsänderungen. Ein Buch, das nicht denunziert und nicht offen angreift, sondern die Tatsachen registriert, einordnet und für sich sprechen lässt.

Die Ich-Erzählerin von Deniz Ohdes Debüt wächst in einem deutsch-türkischen Arbeiterhaushalt auf. Die Familie lebt im Frankfurter Westen, nahe dem Industriepark Hoechst, Arbeiterviertel, prekäres soziales Gefüge, ins Rutschen gekommen. Ausgrenzung und Fremdheitserfahrungen begegnen ihr Überall im Alltag, paradoxerweise sowohl in der Schule als auch in der Familie. Mitschüler nennen sie „Kellerkind“, während die Mutter sagt: „Du bist Deutsche.“ Zu Hause herrscht ein Klima von nur mühsam und auch nicht immer unterdrückter Gewalt. Zu Hause hat die Erzählerin den Mund zu halten, in der Schule wird sie aufgefordert, endlich lauter zu sprechen. Dass sie aus Angst schweigt, stigmatisiert sie. Bildungschancen, Gleichheitsgedanken, soziale Gerechtigkeit – all das pulverisiert Ohde auf geradezu unheimliche Weise.

Die andere Welt voller Möglichkeiten, die es auch gibt, liegt unmittelbar vor der Erzählerin, sie sieht sie jeden Tag, sie ist darin und doch ist sie davon ausgeschlossen. „Wie konnte dieses Kind durchs Raster fallen?“ – diese Frage wird einmal ganz explizit gestellt. Als Antwort kommen nur Floskeln. Jetzt gibt es zum Glück diesen Roman.

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SWR