Traumhafte Zwischenwelt

„Die Reise des G. Mastorna“ – Spektakuläre Fellini-Adaption am Theater Heidelberg

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AUTOR/IN
Marie-Dominique Wetzel
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Dominic Konrad

Das Heidelberger Publikum wird sein Theater nicht mehr wiedererkennen: Die Hauptbühne verwandelt sich in eine Piazza mit Cafétischen, die Seitenbühne in einen Flugzeugbauch. Der renommierte Bühnenbildner Sebastian Hannak hat es für die Inszenierung eines Fellini-Skripts in eine fantastische Filmkulisse umgebaut. Ein immersives Theatererlebnis!

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Fellini als hautnahes Schauspiel-Spektakel

Eine Piazza auf der Hinterbühne? Tatsächlich: vor uns öffnet sich ein großer Platz mit vielen, kleinen Café-Tischen und Stühlen und rundherum stehen lauter alte, klassizistische Häuser. Naja, zumindest sieht es so aus.

In Wahrheit sind es natürlich nur die Fassaden, die auf riesige Prospekte gedruckt wurden. Aber da sie jeden Quadratmeter der großen Hauptbühne, von der Decke bis zum Boden, bedecken, wirkt die Szenerie erstaunlich echt. Fast wie eine Filmkulisse.

Das war natürlich naheliegend, wenn man ein Filmskript von Fellini auf die Bühne bringt, sagt Bühnenbildner Sebastian Hannak: Statt Film-Realismus habe er versucht, eine Formensprache zu finden, die immer etwas Geträumtes und Surreales habe.

Die Reise des G. Mastorna von Federico Fellini auf beiden Bühnen am Theater Heidelberg (Foto: Pressestelle, Theater Heidelberg ©Susanne Reichardt)
Ensembleschauspieler Steffen Gangloff (rechts) taucht als Giuseppe Mastorna in eine neue Welt ein. Bild in Detailansicht öffnen
Die Reise des G. Mastorna von Federico Fellini auf beiden Bühnen am Theater Heidelberg (Foto: Pressestelle, Theater Heidelberg ©Susanne Reichardt)
Das Publikum findet sich inmitten einer italienischen Piazza wieder. Bild in Detailansicht öffnen
Die Reise des G. Mastorna von Federico Fellini auf beiden Bühnen am Theater Heidelberg (Foto: Pressestelle, Theater Heidelberg ©Susanne Reichardt)
Wildes Treiben auf der Hauptbühne des Heidelberger Marguerre-Saals Bild in Detailansicht öffnen
Die Reise des G. Mastorna von Federico Fellini auf beiden Bühnen am Theater Heidelberg (Foto: Pressestelle, Theater Heidelberg ©Susanne Reichardt)
Nach der Landung fängt für Mastorna der Alptraum erst an. Zwar sieht die Welt auf dem Boden genauso aus wie die Welt, die er kennt, aber irgendetwas stimmt nicht. Bild in Detailansicht öffnen
Die Reise des G. Mastorna von Federico Fellini auf beiden Bühnen am Theater Heidelberg (Foto: Pressestelle, Theater Heidelberg ©Susanne Reichardt)
Federico Fellini hatte das Filmskript für „Die Reise des G. Mastorna“ fertig, konnte den Film aber krankheitsbedingt nie produzieren. Bild in Detailansicht öffnen
Die Reise des G. Mastorna von Federico Fellini auf beiden Bühnen am Theater Heidelberg (Foto: Pressestelle, Theater Heidelberg ©Susanne Reichardt)
Für Regisseurin Bernadette Sonnenbichler ist es die zweite Inszenierung in Heidelberg. Das Fellini-Skript bringt sie in einer eigenen Bearbeitung auf die Bühne. Bild in Detailansicht öffnen

Tiefer Griff in die Theater-Trickkiste

„Die Reise des G. Mastorna“ ist schließlich eine Reise in eine andere Welt, in eine Art Zwischenwelt zum Jenseits. Die Hauptfigur, der Musiker Giuseppe Mastorna, ist nämlich mit einem Flugzeug notgelandet. Nun findet er sich in einer Stadt wieder, die ihm gleichzeitig vertraut und doch fremd erscheint.

Er begegnet lauter seltsamen Menschen und erlebt viele merkwürdige Situationen. Wie geschaffen fürs Theater mit all seinen Verwandlungsmöglichkeiten. Und so haben Sebastian Hannak und das Produktionsteam tief in die Theater-Trickkiste gegriffen. Die Notlandung des Flugzeugs kann ein Teil der Zuschauer sozusagen miterleben. Sie werden gleich zu Beginn des Stücks in einen abgetrennten Bühnenraum gebeten.

Die Reise des G. Mastorna von Federico Fellini auf beiden Bühnen am Theater Heidelberg (Foto: Pressestelle, Theater Heidelberg ©Susanne Reichardt)
Der Cellist Giuseppe Mastorna erlebt nach einem Flugzeugabsturz eine Welt, die ihm vertraut und gleichzeitig seltsam fremd erscheint.

Immersives Erlebnis gerade für junges Publikum

Es gebe eine Art Einlass-Prozedere mit Personal, das an Stewardessen erinnern, verrät Hannak. Es kommt für das Publikum zu Turbulenzen auf dem Flug und sie finden sich schließlich im Theater-Erlebnis auf der Piazza wieder.

Das heißt, die Zuschauerinnen und Zuschauer erleben das Geschehen von verschiedenen Perspektiven mit und sind hautnah mit dabei. So entsteht quasi ein immersives Erlebnis. Gerade für jüngere Menschen dürfte das besonders spannend sein, meint Sebastian Hannak. Denn die haben durch die Mediennutzung ganz andere Sehgewohnheiten und lassen sich so vielleicht eher mal zu einem Theaterbesuch verführen.

Die Reise des G. Mastorna von Federico Fellini auf beiden Bühnen am Theater Heidelberg (Foto: Pressestelle, Theater Heidelberg ©Susanne Reichardt)
Bühnenbildner Sebastian Hannak setzt auf surreale Bildwelten für seine visuelle Ausdeutung des Fellini-Stoffes.

Sebastian Hannak durfte den Theatersaal umgestalten

Für Sebastian Hannak ist es eine tolle Möglichkeit, das Theater Heidelberg für diese Produktion komplett umzugestalten: Er durfte zwei Bühnenkomplexe zusammenlegen, die gesamte Technik umbauen. Das Heidelberger Publikum wird sein Theater kaum wieder erkennen.

Aber trotz neuer Raumkonzepte: Sebastian Hannak setzt auf die Illusionskraft des Theaters, auf die Fantasie der Zuschauer. Und Dank ausgefeilter Video-, Licht-, und Soundtechnik wirken auch scheinbar „alte“ Theatertricks im Liveerlebnis einfach nur magisch.

Plötzlich geht hinter uns die Nebelmaschine an und die Hauptfigur Giuseppe Mastorna schwebt wie auf Wolken von der Bühne.

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