Schon zweimal war Jörg Holzem mit dem deutschen Rollstuhl-Rugby-Team bei den Paralympics. Er ist auch der Kapitän der Mannschaft und nach wie vor als Trainer aktiv. Seit sechs Jahren besucht er im Rahmen des Projekts "Leben im Rollstuhl" Schulen im Land und zeigt Kindern, wie es ist, den Alltag im Rollstuhl zu bewältigen.
SWR1: Wie lange hat es gedauert, bis Sie sich mit dieser neuen Lebenssituation arrangiert haben?
Jörg Holzem: Ich war damals ein Jahr zur Erstreha in Koblenz. Es gab gute und schlechte Zeiten. Die gibt es jetzt auch, das ist so wie im normalen Leben auch. Aber bis ich mich richtig damit abgefunden habe, hat es schon mindestens ein halbes Jahr gedauert.
SWR1: Welche Bedeutung hatte und hat der Sport Rugby für Sie?
Holzem: Es ist Abwechslung, man kommt auf andere Gedanken. Und man hat natürlich vieles erlebt, was ich sonst hätte nie erleben dürfen, bei den Paralympics oder Weltmeisterschaften. Man hat so viel von der Welt gesehen. Vor dem Unfall hätte ich das nie erleben dürfen.
SWR1: Seit sechs Jahren besuchen Sie im Rahmen des Projekts "Leben im Rollstuhl" Schulen in Rheinland-Pfalz und zeigen Kindern Hindernisse und Möglichkeiten für Menschen im Rollstuhl. Was ist Ihnen da besonders wichtig?
Holzem: Zu vermitteln, dass wir nicht anders sind als andere Menschen auch. Ich komme mit dem Auto, mit dem Anhänger und habe zwölf Rollstühle dabei. Die Kinder haben die Möglichkeit, mir ganz viele Fragen zu stellen. Dann können sie die Rollstühle zusammenbauen und wir fahren durchs Gelände, damit die mal sehen, was es für ein Aufwand ist, im Rollstuhl den Alltag zu bewältigen. Und das versuche ich den Kindern zu zeigen.
SWR1: Wie reagieren die Kinder, die dann selbst mal im Rollstuhl sitzen können?
Holzem: Die Kinder hören zu und haben ganz viele Fragen. Es gibt welche, die haben Berührungsängste. Die sitzen dann in einer Ecke und trauen sich anfangs nichts zu sagen. Aber das ist meistens ganz schnell rum und der Ehrgeiz wird geweckt, von A nach B und auf den Hinterrädern zu fahren. Wenn man über ein Hindernis kommen will, muss man den Rollstuhl so ein bisschen ankippen, auf den Hinterrädern. Und das kriegt am Ende des Tages eigentlich fast jeder hin.
SWR1: Womit wäre Ihnen und allen Menschen im Rollstuhl in Rheinland-Pfalz denn am meisten geholfen? Also wenn Sie jetzt von heute auf morgen was ändern könnten?
Holzem: Barrierefreiheit natürlich. Wenn ich an Schulen fahre oder irgendwo anders hin, ist es egal, wo ich bin, ich muss mich immer vorbereiten. Als ich in der Nationalmannschaft war, gab es Länder, da musste man sich gar keine Gedanken machen. Da waren Behindertenparkplätze, da kamen Sie überall rein und jedes Gebäude hat eine Behindertentoilette. Da sind wir hier noch ein bisschen hintenan.
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.