Ein Rechenschieber steht auf einem Tisch im Klassenzimmer in einer Grundschule. Im Hintergrund sind die Tafel und Kinder zu erkennen. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Oliver Berg)

Initiative "Bildungswende jetzt"

Forderung: 100 Milliarden Euro für Schulen und Kitas

Stand
MODERATOR/IN
Michael Lueg
SWR1 Moderator Michael Lueg (Foto: SWR)

Die Initiatoren des Appells "Bildungswende jetzt" sprechen von der härtesten Bildungskrise seit Gründung der Bundesrepublik.

Von der Politik fordern sie deshalb ein Sondervermögen für Bildung, eine Ausbildungsoffensive für Lehr- und Kitakräfte, und dass Schule inklusiv gestaltet wird. Außerdem fordern sie einen Bildungsgipfel mit Vertretern aus der Praxis und der Zivilgesellschaft. Wir haben mit Markus Sänger von der Mainzer Schul-Elternvertretung ARGE-SEB (Arbeitsgemeinschaft der Schulelternbeiräte an weiterführenden Schulen in Mainz und Umgebung) gesprochen.

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SWR1: Bei der ersten Forderung geht es um mehr Geld für Bildung, ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für Schulen und Kitas. Wie sollte das Geld auf die Schulen und Kitas ihrer Meinung nach verteilt werden?

Markus Sänger: Wie es im Detail verteilt wird, ist eine relativ komplexe Angelegenheit, die zwischen den Ländern und dem Bund dezidiert aufgeschlüsselt werden muss.

SWR1: Gibt es da Punkte, wo sie sagen, da muss auf jeden Fall Geld reingeschossen werden, damit sich etwas ändert?

Sänger: Auf alle Fälle. Wir brauchen ganz viel Geld in Schulsozialarbeit und vor allen Dingen in Lehrpersonal. In den Schulen hapert es daran am meisten, weil Wissensvermittlung von Mensch zu Mensch erfolgt. Wenn es dann an dem Vermittelnden hapert, weil es davon zu wenige gibt, wird es auch für die Wissensempfänger schwierig.

SWR1: Sie sprechen von einer Ausbildungsoffensive für Lehrer. Jetzt hat dieser Beruf schon seit jeher das Image, man verdient eigentlich ganz gut und hat ziemlich viel Urlaub. Wie kann man den Job denn noch attraktiver machen?

Sänger: Das "noch attraktiver" ist schon mal ein bisschen problematisch. So ganz vollständig attraktiv ist er im Moment ja nicht. Er ist gezeichnet von vielen Lehrern, die im Burn-out sind. Im Gegensatz zu der landläufigen Meinung, der Lehrer hat morgens Recht und mittags frei, verbringen sehr viele Lehrer ihre Abende und Nachmittage mit Korrekturen und Unterrichtsvorbereitungen. Eine Entlastung der Lehrer wäre gut möglich, indem man die Verwaltungsstrukturen verschlankt, Verwaltungspersonal an den Stellen einsetzt, wo im Moment Lehrer eingesetzt werden. Und auch multiprofessionelle Teams sollten einsetzt werden, wie zum Beispiel für die Schulsozialarbeit oder auch EDV-Beauftragte vor Ort, sodass der Physiklehrer in seiner knapp bemessenen freien Zeit zwischen zwei Unterrichtsstunden nicht zusätzlich die Beamer-Lampen austauschen muss.

In der Region Trier springt häufig fachfremdes Personal für Lehrer ein.  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)
In der Region Trier springt häufig fachfremdes Personal für Lehrer ein.

SWR1: In Rheinland-Pfalz verdienen Grundschullehrer weniger als in anderen Bundesländern und weniger als Lehrer an Gymnasien. Wie soll der Lehrermangel denn da bekämpft werden? Mittlerweile müssen schon Lehramtsstudenten aushelfen.

Sänger: Lehramtsstudenten helfen im Moment schon aus und auch Personal anderer Professionen. Die hundert Milliarden, die wir jetzt als Marke gefordert haben, können natürlich auch benutzt werden, um Lehrpersonal zu finanzieren. Aber wir fordern einen "Staatsvertrag Lehrerausbildung", sodass wir damit das Abwerben zwischen den Bundesländern unterbinden.

SWR1: Sie sprechen auch von alternativen Leistungsbewertungen. Wie können die helfen und wie sollen die aussehen?

Sänger: Alternative Leistungsbewertung kann man sich zum Beispiel gut vorstellen in der Orientierungsstufe. Man muss sich das so vorstellen: ein Grundschüler verlässt seine Grundschule, in der er vier Jahre gewesen ist, kommt in ein neues Schulsystem und befindet sich in der Orientierungsstufe. Wie der Name schon sagt: Es ist für die Orientierung des Schülers wichtig. Da bekomme ich von Schülern, mit denen ich spreche, die Rückmeldung, dass dort Leistungsdruck in Form von Noten vielleicht nicht immer zuträglich ist. Wir wollen nicht von einer Bewertung weggehen, sondern dass die Schüler dort ein leistungsgerechtes Feedback nicht in der Form einer Note bekommen, sondern in Form einer Bewertung.

Stark-Watzinger (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / Flashpic | Jens Krick)
Dr. Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, FDP

SWR1: Wie groß sehen Sie Ihre Chancen, dass Bund und Landesregierung auf ihre Forderungen eingehen?

Sänger: Das ist natürlich eine Herausforderung. Wir haben beim letzten Bildungsgipfel von Frau Doktor Stark-Watzinger (Anm. d. Red: Seit 2021 Bundesministerin für Bildung und Forschung, FDP) ja gesehen, wie viele Bildungsminister dort anwesend waren. Und im Föderalismus ist das natürlich nicht immer ganz einfach. Aber ich denke, wir müssen den Föderalismus, der Ernsthaftigkeit der Situation angepasst, vielleicht auch ein bisschen neues Leben geben, damit wir diese Herausforderungen, die wir als Gesellschaft in Deutschland haben, gut meistern können.

Das Gespräch führte SWR1 Moderator Michael Lueg.

Zur Homepage der Arbeitsgemeinschaft der Schulelternbeiräte an weiterführenden Schulen in Mainz und Umgebung: arge-seb.de

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