Interview vor dem Aufbruch zum Evakuierungsflug aus Israel

Helen Riedel: "Die Fahrt zum Flughafen macht wirklich jedem von uns Angst"

Stand
MODERATOR/IN
Claudia Deeg
Claudia Deeg (Foto: SWR)
INTERVIEW
Helen Riedel

Mehrere Tausend Deutsche sitzen noch immer in Israel fest und warten darauf, irgendwie rauszukommen. Unter ihnen ist auch unsere SWR Kollegin Helen Riedel.

Sie ist mit einer Pilgerreisegruppe gerade in Jerusalem. Vor ihrer Abfahrt zum Flughafen haben wir noch mit ihr telefoniert.

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SWR1: Sie sollen heute mit der ersten Lufthansa-Maschine nach Deutschland evakuiert werden. Wir erreichen Sie kurz bevor Sie zum Flughafen aufbrechen. Wie geht es Ihnen?

Helen Riedel: Ja, gemischt würde ich sagen. Wir haben ein bisschen schlafen können, nachdem gestern Abend endlich die Durchsage kam, dass wir in der Hotline sind. Und dann konnten wir uns auf einen der Flüge einbuchen, was hier die pure Erleichterung ausgelöst hat. Allerdings glauben wir erst, wenn wir es wirklich sicher nach Deutschland geschafft haben, dass wir es dann auch wirklich geschafft haben.

SWR1: Diese Hotline war ja, das hören wir von allen, völlig überlastet. Wie lange haben Sie gebraucht?

Riedel: Wir haben leider genau dieselbe Erfahrung machen müssen, dass diese Hotline komplett überlastet ist. Wir haben mit vier Geräten versucht gleichzeitig anzurufen. Dann sind wir nacheinander in die Hotline irgendwann reingekommen. Zwei von uns sind auch einfach wieder rausgeflogen und gar nicht mehr reingekommen. Im Endeffekt war es dann nach viereinhalb Stunden so, dass einer von uns durchgekommen ist. Es war dort ein Mann von der Lufthansa am Apparat, den man kaum verstanden hat. Und als wir dachten, wir haben jetzt die Plätze, hieß es, er hat es noch nie so gemacht, er müsste seinen Chef erst noch mal anrufen. Da brach dann hier natürlich wieder der Schock aus. Parallel ist dann an meinem Handy gestern spätabends eine Frau dran gegangen. Die war sehr kompetent und hat uns dann eingebucht.

SWR1: Wie werden Sie zum Flughafen kommen?

Riedel: Da schrieb das Auswärtige Amt gestern Abend in der E-Mail an alle Deutschen, die auf dieser ELEFAND-Liste (Anmerkung der Redaktion: Elektronische Erfassung Deutscher im Ausland - Krisenvorsorgeliste) stehen, dass das Hinkommen zum Flughafen komplett unser eigenes Risiko ist und wir es auch gut abwägen sollen. Wir haben noch einen Mietwagen genau bis heute Morgen um neun Uhr. Den hatten wir eh schon gebucht für diese Reise, und mit dem werden wir jetzt aufbrechen.

Flugzeuge der Lufthansa stehen am Flughafen München auf dem Rollfeld (Archivbild).  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Sven Hoppe)
Flugzeuge der Lufthansa stehen am Flughafen München auf dem Rollfeld (Archivbild).

SWR1: Und das wird hoffentlich gut klappen. Wenn Sie dann am Flughafen sind, wie geht es weiter?

Riedel: Die Fahrt zum Flughafen macht wirklich jedem von uns Angst. Ich hoffe, dass unser Fahrer die Nerven behält, weil auch nachts vor allem auf Tel Aviv Beschuss ist. Und wir hoffen natürlich, dass wir da jetzt sicher ankommen und nicht lange im Stau stehen. Es sind überall Soldaten und Kontrollen an der Straße. Wir haben, glaube ich, sechs Stunden insgesamt eingeplant, bis der Flug geht. Und dann hoffen wir, dass wir dort vor Ort nicht in einen Bunker rennen müssen, gut das Auto abgeben können und einfach sicher ins Flughafengebäude kommen. Und dass wir dann dort einsteigen und abheben können und ganz schnell die Raketenreichweite mit unserem Flugzeug hinter uns lassen.

SWR1: Wir wünschen Ihnen gute Heimreise. Und Sie glauben es wahrscheinlich wirklich erst, wenn sie deutschen Boden unter sich haben.

Riedel: Ja. Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.

Helen Riedel wurde noch am gleichen Tag unseres Gesprächs zusammen mit anderen Teilnehmern ihrer Reisegruppe sicher zurück nach Deutschland gebracht. Wie sie sich fühlt, hat sie unseren Kollegen von der SWR Landesschau Rheinland-Pfalz erzählt:

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