Buchtipp: "Denen man vergibt" von Lawrence Osborne

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AUTOR/IN
Rainer Hartmann
Moderator Rainer Hartmann aus dem SWR1 Team. Regelmäßig zu hören in SWR1 Baden-Württemberg. (Foto: SWR)

"Eine Party, ein Ehestreit, ein Unfall. Mitten in der Wüste. Die Temperatur steigt. Hier findet niemand mehr heil raus." Das ist der aufregende Klappentext zum Roman mit dem Titel "Denen man vergibt" von Lawrence Osborne. Ein literarischer Volltreffer, findet SWR1 Redakteur Rainer Hartmann.

Ein Ehepaar aus England hat sich auf den Weg nach Afrika gemacht, ist in Marokko gelandet – und mit dem Mietwagen auf dem Weg zu einer großen Party. Im Auto streitet sich das Paar, der Mann fährt angetrunken – und dann passiert es: Er überfährt einen Fossilien-Händler am Straßenrand.

»Es war eine Art Detonation, die nur einen Sekundenbruchteil dauerte, aber mehrere Minuten anzuhalten schien, währenddessen ihr Vertrauen in die Zukunft zerbrach.«

Die beiden halten NICHT an – sie fahren einfach weiter – und stürzen sich in das Fest, als sei nichts gewesen. Zur rauschenden Party, die drei Tage und Nächte dauert, sind sie von Freunden eingeladen worden – von einem schwerreichen schwulen Pärchen aus England, das in der traumhaften Wüstenlandschaft ein riesiges Anwesen besitzt.

Die Party-Gäste sind aus London, Paris und New York eingeflogen, allesamt Jetsetter, von denen man nicht weiß, wie sie eigentlich zu dem ganzen Reichtum gekommen sind. Diener tragen erlesene Speisen auf, Champagner wird gereicht, Öllampen tauchen das Ambiente in goldenes Licht. Aber langsam sickert durch, dass es zu einem Unfall gekommen ist. Das passt den Gastgebern überhaupt nicht in den Kram. Einer sagt über den Unfallfahrer:

»Ich habe gesehen, wie er sich am Frühstücksbuffet einen Drink geholt und in einem Zug runtergekippt hat. Seine Hand hat gezittert. Erbärmlich. Die beiden kommen nicht noch einmal. Das schwöre ich dir.«

Die Gastgeber blasen die Party nicht ab. Auch nicht, als ein Wagen vor der Villa hält – mit dem Toten im Kofferraum. Es ist die Familie des jungen Fossilienhändlers – und sie will eine gerechte Buße. Der Mann, der den Unfall verursacht hat, soll mit in das Dorf der Familie, während seine Frau auf der Party bleibt. Was dann passiert, soll nicht verraten werden. Nur so viel: Das Ende der Geschichte ist verblüffend, unerwartet und überragend.

 In diesem Roman geht es um Schuld und Vergebung, aber vor allem prallen zwei völlig verschiedene Welten aufeinander. Hier die hedonistischen, arroganten Neureichen aus den westlichen Metropolen – eine skrupellose Elite, die sich dadurch auszeichnet, über Geld, Macht und Dekadenz zu verfügen. Auf der anderen Seite: Armut und Demut. Die islamische Dorfbevölkerung und ihre Sicht auf die so genannten Ungläubigen. Das ist ein literarischer Volltreffer: tiefgründig, spannend, gut geschrieben und voll bizarrer Szenen.