Zwischen Welttournee, Hollywood und Braaam-Akkorden

Mein BMW klingt nach Hans Zimmer: Vier Mythen zu dem Hollywood-Komponisten

Stand
Autor/in
Malte Hemmerich

Menschen, die nie ein Sinfoniekonzert besucht haben, strömen zu seinen orchestralen Live-Tourneen. Hans Zimmer ist mittlerweile mehr als der erfolgreichste und einflussreichste Filmmusikkomponist unserer Zeit. Er ist ein popkulturelles Phänomen. Doch um seine Marke tummeln sich so einige Mythen.

Auf YouTube feiern Menschen, die noch nie Wagner gehört haben, Hans Zimmer als „so innovativ wie Richard Wagner“. Das ist gar nicht mal so fern ab der Realität, denn wie Wagner das Musiktheater neu dachte, so hat Zimmer Hollywoods Filmmusik revolutioniert. Wir überprüfen 4 Mythen zu Hans Zimmer auf Wahrheitsgehalt.

  1. Hans Zimmer schreibt seine Scores nicht mehr selbst
  2. Mein BMW klingt nach Hans Zimmer, kann das sein?
  3. Hans Zimmer klingt immer gleich
  4. Hans Zimmer ist ein Selfmade-Typ, der noch nicht mal Noten lesen kann

1. Hans Zimmer schreibt seine Scores nicht mehr selbst

Wahr und falsch! 2021 war Zimmer verantwortlich für die Musik zu fünf großen Hollywoodfilmen, 2016 sogar bei sechs Filmen. Gleichzeitig tourt er mit „Hans Zimmer Live“ um die Welt. Natürlich komponiert er im gleichen Jahr dann nicht jede Note, jeden Cue von „No time to Die“, oder „Dune“.

Wenn Hans Zimmer in den Credits am Ende des Films steht, ist nicht nur Hans Zimmer drin. Seine neuesten Scores zu „Dune“, „Interstellar“ und „Dunkirk“ entstehen mittlerweile wohlkalkuliert in einem Studiokomplex unter Mitwirkung von dutzenden Komponist*innen. Viele von denen schaffen dann auch den Sprung in eine selbstständige Karriere. Berühmte Ehemalige aus Zimmers Filmmusikschmiede Remote Control Productions (RCP) sind Lorne Balfe oder „Game of Thrones“-Komponist Ramin Djawadi.

Ähnlich wie ein Chefkoch, der nicht alles persönlich kocht, sondern mit seinem Namen für die Menu-Kreationen steht, ist Zimmer aber immer Entscheider und Supervisor der Endprodukte bei den Soundtrack-Kompositionen. Welche melodischen Ideen von ihm stammen und welche von Schattenkomponisten (in der Branche als Mischung aus Minions und Zimmer also Zimlings bekannt), die unter Additional Music gelistet sind, ist nicht nachzuvollziehen. Ein Umstand, der mittlerweile Usus in der Branche ist, und nicht selten kritisiert wird.

2. Mein BMW klingt nach Hans Zimmer, kann das sein?

Ja, richtig, zumindest wenn es ein Elektroauto ist. Denn Zimmer als Musikmarke steht mittlerweile nicht nur für Filmmusik, seine Remote Control Productions – namentlich der dort angestellte Henning Lohner – ist auch verantwortlich für ein neues Arrangement der Tagesschau-Melodie im Jahr 2012 gewesen.

Doch eben auch für den BMW i4 hat Zimmer einen Klang entwickelt, der das fehlende Motorengeräusch ersetzen und damit Emotionen und Fahrspaß wecken soll.

BMW i4 M50
Beim ersten elektrisierten M-BMW sollten Fahrerinnen und Fahrer nicht auf PS-starke Sounds verzichten, also wurde Hans Zimmer engagiert, um den Sound für die Innenkabine zu kreieren.

3. Hans Zimmer klingt immer gleich

Eher Falsch. Der heute oft zitierte „Zimmer-Sound“ hat sich erst in den letzten Jahren und in der Zusammenarbeit mit Regisseur Christopher Nolan so richtig etabliert. Was aber nicht heißt, dass alle diese Film Scores gleich klingen. Im Unterschied zu beispielsweise John Williams ist Zimmer kein Melodiker, der seinen Charakteren hübsche Melodien als Leitmotive mitgibt.

Bei ihm gibt es dagegen sanfte Innovationen und Überraschungen als Kern des Scores: in „Dark Knight“ ein verstörend verfremdetes Cello, in „Interstellar“ bringt er eine Kirchenorgel in den Score des Blockbusters, in „Dunkirk“ bindet er einen Ticking Noise und die Soundillusion Shepard Tone ein. In „Inception“ wiederrum versteckt sich als Leitmotiv ein Chanson in den tiefen Blechbläsern.

Warum dann aber die oft harsche Kritik? Wie hier vom Komponisten Moritz Eggert, polemisch im Jahr 2013.

Neben all seinen neuen Ideen reduziert Zimmer harmonisch und melodisch alles auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Ähnlich wie ein 4-Chord Song in der Popmusik. So erreicht er, in Verbindung mit Hochglanzproduktion und Lautstärke im Kino, einen massentauglichen Überwältigungseffekt. Oder negativ gesprochen ein musikalisches Zukleistern.

Das führt, in Verbindung mit vielen Aufträgen unter Zeitdruck, dazu, dass einige seiner Soundtracks tatsächlich ähnlich klingen. „Gladiator“ und der erste „Fluch der Karibik“ – hier erhielt Klaus Badelt von RCP übrigens einen eigenen Credit – teilen sich Akkordabfolgen und rhythmische Elemente.

Angefangen hat Hans Zimmer übrigens als innovativer Einzelkämpfer und Quergeist, der Actionfilme mit Flächen vertont, in denen Orchestersounds auf Elektronisches treffen. Seinen Durchbruch in Hollywood und die erste Oscar-Nominierung gab es für die Musik zu „Rain Man“ 1989, den ersten Oscar für „König der Löwen“.

Und wer mal einen leisen und ziemlich experimentellen Hans Zimmer-Score hören will, sollte sich „Der schmale Grat“ von Terrence Malick nochmal ansehen.

4. Hans Zimmer ist ein Selfmade-Typ, der noch nicht mal Noten lesen kann

Eher falsch. Es klingt wie der amerikanische Traum eines deutschen Jungen aus Hessen. Ohne musikalische Grundausbildung oder ein akademisches Musikstudium ist Hans Zimmer zum einflussreichsten Filmmusikkomponisten der Gegenwart aufgestiegen. Immer kokettierend mit seiner Unfähigkeit Noten gut zu lesen, seinen Klavierunterricht nach einer Woche abgebrochen oder gar Ahnung von Musiktheorie zu haben.

Hans Zimmer bei der Premier zu Dune 2.
Hans Zimmer kokettiert stets mit seiner Unfähigkeit Noten gut zu lesen oder Ahnung von Musiktheorie zu haben.

Eine „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Story ist das trotzdem nicht. Zimmers Vater war Ingenieur und Chemieunternehmer, starb aber bereits als Hans sechs Jahre alt war. Zimmer wuchs in einer Villa im Taunus auf und verbrachte seine Schulzeit unter anderem an einem renommierten Internat in Surrey, der Hurtwood House School – Kosten heute: 52.000 Pfund pro Schuljahr.

Hans Zimmer versteht sich als Praktiker und nicht als Theoretiker, gut Noten lesen können hin oder her, Hauptsache es klingt gut – und vor allem episch!

Quiz John Williams, Hans Zimmer & Co: Wie viel wissen Sie über die Filmmusik-Oscars?

Seit 1935 werden die Academy Awards – so heißen die Oscars offiziell – in der Kategorie Filmmusik vergeben. Testen Sie mit uns ihr Wissen rund um die Geschichte der Filmmusik!

Gespräch Filmmusik aus Hollywood – „The World of Hans Zimmer“ auf Tour

Hans Zimmer ist eine musikalische Ausnahmeerscheinung in Hollywood. Seit 2018 begeistert er mit seiner Konzerttournee „The World of Hans Zimmer“ das Publikum.

SWR Kultur am Mittag SWR Kultur

Stand
Autor/in
Malte Hemmerich