Kommentar

Streichung der Tantiemen auf Spotify für Künstler*innen

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Hannah Schmidt
Hannah Schmidt (Foto: SWR)

Der Streamingdienst Spotify will ab 2024 nur noch Tantiemen an Künstlerinnen und Künstler auszahlen, deren Stücke mehr als 1000-mal im Jahr gehört werden – und das frei gewordene Geld unter denjenigen verteilen, die über dieser Marke liegen. Hannah Schmidt findet das respektlos.

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1000 Streams pro Jahr, sonst gibt’s künftig kein Geld. Spotify rechtfertigt diese Entscheidung damit, dass die Aussetzung der Tantiemenzahlungen nur 0,5 Prozent der Künstlerinnen und Künstler betrifft, die ihre Musik auf dem Streamingdienst veröffentlicht haben. 1000 Streams im Jahr – damit kommt man ohnehin nur auf lächerliche 3,50 Euro. Eine Tüte Chips mehr oder weniger, darauf kommt es ja nicht an – oder?

Es geht ums Prinzip

Doch, ich finde schon. Hier geht es nicht um 3,50 Euro – sondern ums Prinzip. Spotify zahlt sowieso schon unfassbar wenig Geld an seine Künstlerinnen und Künstler aus und hat sich nicht umsonst einen Namen gemacht als, ich würde sagen: institutionalisierter Geizhals.

Doch Spotify streicht die Millionen, die durch die Änderung nun frei werden, nicht selbst ein – sondern verteilt sie um. Und zwar nach oben.

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Als Musiker auf Spotify zu sein, ist in der Regel kein ertragreiches Geschäft. Nun hat Spotify ein neues Bezahlmodell verkündet und einen neuen Tiefpunkt im Umgang mit Künstlern jenseits des Mainstreams erreicht.

Klassische Musiker*innen sind besonders betroffen

Die Message, die damit gesendet wird, ist klar: Erreichst du nicht genug Menschen mit deiner Kunst, dann ist deine Kunst nichts wert. Besonders klassische Musikerinnen und Musiker wird diese Umverteilung treffen – und das umso härter, wenn sie ästhetische Experimente eingehen, sich in einer Nische bewegen oder Musik unbekannter Komponistinnen und Komponisten interpretieren.

Das alles wäre bei weitem nicht so fatal, wenn nicht gleichzeitig eine weitere wichtige Einnahmequelle mehr und mehr wegbrechen würde – und das sind die CD-Verkäufe – physisch und digital. In den vergangenen zehn Jahren, im Grunde seit dem Start von Spotify in Deutschland, sind hier die Umsätze kontinuierlich zurück gegangen. Künstlerinnen und Künstler richten ihr Augenmerk also umso mehr auf Spotify als Tor zur Öffentlichkeit.

Keine Wertschätzung für Künstler*innen am Anfang ihrer Karriere

Und gerade dieser Dienst nun, der gestartet ist als ein gleichberechtigter Ort, an dem vor allem auch kleine Künstlerinnen und Künstler ihre Musik veröffentlichen konnten, und der sich so sehr mit musikalischer und kultureller Vielfalt schmückt, dieser Dienst sabotiert mit dieser Entscheidung jetzt die Entstehung einer wirklich diversen musikalischen Kultur.

Denn die besteht gerade aus der Förderung und Wertschätzung derjenigen, die am Anfang stehen, die Neues und Ungewöhnliches ausprobieren. Sie fallen fortan komplett durchs Raster und arbeiten unbezahlt. Der Tagesspiegel nennt das „eine sehr perfide Art von Diebstahl“ – und da kann man nur zustimmen.

Was Spotify hier vorführt, und was sich im schlimmsten Fall nach und nach auch in anderen Bereichen des Musikmarktes normalisiert, kann nicht nur interpretiert werden als die Verachtung von künstlerischer Arbeit, die keinen Profit bringt. Tiefer konnte der Musikmarkt kaum sinken.

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Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Von Spotify leben: Entsteht gerade ein neues Musikprekariat?

Der Musikindustrie geht es insgesamt so gut wie lange nicht mehr, besser sogar als zu den Hochzeiten von Schallplatte und CD. Das kommt nur leider bei kleinen und mittelgroßen Bands oft nicht an. Streaming zahlt sich vor allem für die Großen im Geschäft aus. Die meisten Berufsmusiker*innen brauchen deswegen ein zweites Standbein, um über die Runden zu kommen.

Wie lebt man also heute von der Musik? Geht die typische Selbstvermarktung auf Social Media überhaupt auf? Die Mannheimer Indie-Rock-Band Engin trifft mit ihren Reels offenbar einen Nerv und schafft es, damit auf sich aufmerksam zu machen. Unsere Gäste, der frühere VIVA-Moderator Nilz Bokelberg und die Musikerin und Aktivistin Balbina, sind dennoch skeptisch. Viel zu oft bleibe bei all dem Fokus auf Merch und Konzerte die Musik selbst auf der Strecke.

Hosts: Christian Batzlen und Philine Sauvageot
Showrunnerin: Pia Masurczak

Links:
ARD-Doku Dirty Little Secrets über Spotify: https://www.ardmediathek.de/serie/dirty-little-secrets/staffel-1/Y3JpZDovL2JyLmRlL2Jyb2FkY2FzdFNlcmllcy85N2Q4ZmY0YS0yNDczLTRjYmItOTZhYi02Y2Q2NzQzY2NhMWE/1

Tourdates, Musik und mehr der Band Engin: https://www.handshake-booking.com/de/artist/engin/
Website von Balbina: https://www.balbina.fm/
Website von Nilz Bokelberg: https://www.nilzbokelberg.de/