Autorinnen und Autoren aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz: Ihre Lesungen, Gespräche und poetischen Betrachtungen sind Thema im SWR2 Lesezeichen.
Albstädter Literaturtage Lebendige Chronik eines Bodensee Gasthofs – Gaby Hauptmann erzählt von starken Frauen in schwierigen Zeiten
Eigentlich sollte es nur ein Flyer werden, doch am Ende entstanden zwei dicke Romane: Mit „Den Frauen vom See“ beschreibt Bestsellerautorin Gaby Hauptmann die bewegte Geschichte des Gasthofs „Hirschen“ in Horn am Bodensee. Die Personen sind real: Anna, aus armen, bäuerlichen Verhältnissen stammend, die als Wirtin der ersten Stunde den „Hirschen“ mit viel Mut, Fleiß und Cleverness durch schwierige Zeiten bringt. In Band 2 bestimmt die älteste Tochter Maria, jung verwitwet, die Geschicke des Gasthofs.
Literatur „Die Königin und der Kalligraph“ von Moussa Abadi mit einem Nachwort von Rafik Schami
Geschichten aus einem Damaskus, in dem die Religionen in friedlicher Koexistenz zusammenleben, die erscheinen heute fast wie ein Märchen. Doch dieses Damaskus gab es zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Davon erzählt der Autor Moussa Abadi, der damals im jüdischen Viertel von Damaskus aufwuchs. Der syrisch-deutsche Schriftsteller Rafik Schami ist auf diese Geschichte gestoßen und hat dafür gesorgt, dass diese spannende Literatur Abadis auch ins Deutsche übersetzt wurde.
Literatur Ein Öko-Thriller als Heimatroman: „Black Forest“ von Wolfgang Schorlau
Er schreibt nicht einfach nur spannende Krimis – dem Stuttgarter Autor Wolfgang Schorlau geht es immer ums große Ganze. Um Wirtschaft und Politik, den Staat und die Gesellschaft. Dabei recherchiert Schorlau seine Sujets vorher lange und penibel. Investigativ auch, wie ein guter Detektiv. „Black Forest“, sein 11. Dengler Krimi spielt im Schwarzwald. Beginnt beschaulich wie ein Heimatroman und wird allmählich zum Öko-Thriller. Bis zum Showdown auf dem Feldberg.
Literatur Andreas Moster: „Der Silberriese“
Patrik ist Spitzensportler, Diskuswerfer. Sein größter Triumph: Die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen. Der Leistungssport, täglich strenges Training und permanente Disziplin haben sein Leben bestimmt, bis Ada auf die Welt kommt, seine Tochter. Deren Mutter verlässt die Familie plötzlich, ohne Vorwarnung. Patrik ist allein mit einem Baby, das er zunächst gar nicht wollte. Wie soll er damit umgehen? Alles, was er kennt, ist die Strategie eines Leistungssportlers, und der folgt er. Er widmet sein ganzes Leben jetzt seiner Tochter und entwickelt daraus eine totale Abhängigkeit. Andreas Moster erzählt eine Geschichte, in der er die klassische Erzählung von Kindern, die von ihren Eltern abhängig sind und beginnen, ihre eigenen Wege zu gehen, umkehrt. Er erzählt von einem Vater, der selbst immer abhängiger wird, bis er erkennt, dass er sich irgendwann daraus lösen muss, wenn er will, dass die Beziehung zu seiner Tochter erhalten bleibt.
Literatur „Windstärke 17“ von Caroline Wahl
Die Geschichte von Ida und Tilda hat Autorin Caroline Wahl nicht losgelassen. In ihrem Debütroman „22 Bahnen“, der im vergangenen Jahr auf der Spiegel-Bestsellerliste stand, erzählt sie von den beiden Schwestern, ihrer Liebe zum Meer und dem Leben mit ihrer alkoholkranken Mutter.
Literatur Gnadenlos und sehr berührend: „Staffellauf“ von Joachim Zelter
Was passiert, wenn man seine Träume und Ansprüche zugunsten eines vermeintlich sicheren Hafens über Bord wirft? Der Tübinger Autor Joachim Zelter beschreibt in seinem neuen Roman den Lebensweg einer jungen, begabten Künstlerin, die sich aufgrund gesellschaftlicher Konventionen unfreiwillig auf eine Ehe einlässt und letztlich scheitert. Anlass für den Sohn, sich ganz bewusst für eine Schriftstellerkarriere und damit für ein konträres Lebensmodell zu entscheiden.
Literatur Astronomischer Roadtrip durch die Nacht - Stefan Sommer: „Trabant“
Eine SMS seines Vaters lässt Georg Himmel Hals über Kopf aufbrechen: Die SMS ist nicht an ihn gerichtet, sondern an eine Lisa, von der Georg noch nie etwas gehört hat. Was hat der Vater vor? Brennt er mit Lisa durch? So klingt diese Nachricht und Stefan muss intervenieren. Eine ganze Nacht lang fährt er von der kroatischen Küste bis nach München – dort will sich laut der SMS der Vater mit dieser Frau treffen. Ein Roadtrip durch die Dunkelheit und mit vielen Flashbacks in Georgs Vergangenheit, das ist Stefan Sommers Debütroman „Trabant“. Georgs einzige Begleitung sind die Sterne. Das sind sie schon sein Leben lang. „Trabant“ ist ein Buch für Liebhaber der Astronomie – aber auch ohne kosmische Vorkenntnisse reißt es einen mit. Denn sehr gelungen verwebt Stefan Sommer irdische Sorgen mit astronomischen Fluchtpunkten.
Literatur Die Poesie des Alltags - Hanns-Josef Ortheil: Von nahen Dingen und Menschen
Hanns-Josef Ortheil schreibt täglich. Natürlich, könnte man meinen, das ist das, was Schriftsteller tun. Aber hierbei entstehen nicht nur Erzählungen und Romane, sondern auch kurze Prosatexte, die Begegnungen und Ereignisse des Alltags aufgreifen und fortführen. Die gesammelten Texte der vergangenen fünf Jahre erzählen von Dingen, in denen wir uns wiederfinden können und bieten einen anregenden Einblick in die Schreibwerkstatt des Autors.
Literatur Psychogramm einer ungleichen Freundschaft – „Pink Elephant“ von Luca Kieser
Mit Vincent, Ali und Tarek stehen drei sehr unterschiedliche Freunde im Mittelpunkt dieser Geschichte, die sich einerseits um ganz normale Pubertätsprobleme dreht, zugleich aber Mechanismen von Diskriminierung und Rassismus entlarvt. Dabei geht der Autor das Risiko ein, selbst wieder bestimmte Klischees und Stereotype zu bedienen. Er habe daher lange überlegt, ob er als weißer Schriftsteller diese Geschichte überhaupt schreiben dürfe, sagt Luca Kieser. Die Antwort ist: er hat einen klugen Roman verfasst, der lange nachhallt.
Literatur Eine kühne Intrige – „Die Leiden der jungen Weiber“ von Ulrich Land
Goethe war ein Frauenheld. Bei einigen seiner Zeitgenossinnen hat er jedenfalls keinen guten Stand, findet der Freiburger Autor Ulrich Land. In seinem neuen Roman schickt er daher sieben Frauen auf einen verwegenen Rachefeldzug. Sie erfinden sich ihren eigenen Goethe, auch um einem männerdominierten Literaturbetrieb ein Schnippchen zu schlagen. Mit großer Fabulierlaune erzählt Ulrich Land eine flirrende Komödie, in der reale und fiktive Figuren nicht nur munter miteinander streiten.
Literatur Zwischen Rheinromantik und Industrialisierung: „Loreley – Die Frau am Fluss“ von Susanne Popp
Susanne Popp haucht historischen Ereignissen wie der Rheinbegradigung und der Entwicklung der Dampfschifffahrt neues Leben ein. Zwischen romantischen Sagen und der Industrialisierung geht es um das Leben der Menschen am Rhein im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts.
Literatur „Zwischen Wein und Liebe - eine deutsch-polnische Liebesbeziehung“ von Renata A. Thiele
Bisher hat die Schriftstellerin Renata A. Thiele Kriminalromane, Erzählungen und Reiseberichte auf Deutsch und Polnisch geschrieben. Nun hat sie die Besichtigung eines Weingutes an der Mosel zu einem Liebesroman im Winzer-Milieu inspiriert.
Im Kern geht es dabei um viel Herz-Schmerz, allerdings mit einem bitteren Beigeschmack. Denn von der Liebesbeziehung zwischen dem Winzersohn Thomas und der polnischen Weinlesehelferin Mira ist man in dem kleinen Moseldorf alles andere als begeistert. Zu groß sind die Vorbehalte gegenüber den Fremden - obwohl die polnischen Arbeitskräfte immer wieder dringend für die Ernte gebraucht werden.
Literatur Daniel Gräfe - „Wir waren Kometen“
In seinem sehr gelungenen Debütroman schickt der Stuttgarter Autor Daniel Gräfe zwei junge Menschen auf eine Art Erkundungstrip durch halb Europa. Die Roadstory, die von Berlin über Stuttgart bis nach Rumänien führt, gerät zu einem Offenbarungseid. Denn die Lebenskünstlerin Luba und der Werbetexter Lukas müssen sich unbequemen Wahrheiten stellen und entscheiden, was sie überhaupt wollen und ob sie eine gemeinsame Zukunft haben. Dabei führt die Suche durch die Ödnis unwirtlicher Landschaften, die Daniel Gräfe mit bestechend scharfem Blick beschreibt. „Wir waren Kometen“ – ein kleiner Roman, der ganz subtil und unaufdringlich große Fragen verhandelt.
Literarische Wiederentdeckung Anna Seghers Roman „Der Weg durch den Februar“ von 1935
Anna Seghers wurde 1900 in Mainz geboren und floh 1933 nach Paris. Im Exil erschienen zahlreiche Werke von ihr, unter anderem „Der Weg durch den Februar“ und „Transit“. Ihr Roman „Das Siebte Kreuz“ machte sie international bekannt. Seghers kehrte 1947 nach Deutschland zurück und lebte bis zu ihrem Tod 1983 in der DDR.
„Der Weg durch den Februar“ erschien 1935 im Pariser Verlag Editions du Carrefour. In dem Roman beschreibt Seghers die wenigen Tage und Wochen des österreichischen Arbeiter-Aufstands gegen die Dollfuß-Diktatur. Der Roman, der die Wirren jener Zeit darstellt und dabei ganz nah an seine fiktiven Charaktere herantritt, ist jetzt vom Marsyas Verlag neu verlegt worden. 2025 erscheint eine kommentierte Fassung im Aufbau-Verlag.
Literatur „Anna - was die Zeit nicht heilt“ - eine Graphic Novel von Christina Laube und Mehrdad Zaeri
Mehrdad Zaeri und Christina Laube haben als Künstler-Duo SOURATI in den letzten Jahren gemeinsam mehrere haushohe Wandgemälde im öffentlichen Raum erarbeitet. Aber sie gestalten als Illustrator*innen auch immer wieder Bücher für Kinder und Erwachsene. Jetzt haben sie eine Graphic Novel über das traumatische Kriegserlebnis eines jungen Mädchens realisiert, das auf einer wahren Geschichte basiert. Mehrdad Zaeri und Christina Laube haben eine sehr reduzierte, gleichzeitig aber direkte und einfühlsame Bildsprache gefunden, die nah an dem Mädchen und seinen Gefühlen ist.
Literatur Vielfältig - Das Lesebuch „Gegend Entwürfe 4“ für Literatur aus Rheinland-Pfalz
Geschichten, Essays, ein wenig Lyrik und sogar Fotos – dieses Lesebuch vereint sehr unterschiedliche künstlerische Formen, die jedoch eins gemeinsam haben: Das Bekenntnis zur Provinz und eine gewisse Heimatverbundenheit. Die Autorinnen und Autoren werden von ihrer Umgebung inspiriert, machen sie zum Schauplatz und arbeiten sich an ihr ab. Die Ergebnisse sind abwechslungsreich und unbedingt lesenswert.
Literatur Der lange Weg in den Widerstand: Cäsar von Hofacker im Porträt der Enkelin
Am Bombenattentat auf Hitler und dem damit geplanten Regierungssturz am 20. Juli 1944 waren mehr als 200 Personen beteiligt. Darunter der in Ludwigsburg geborene Cäsar von Hofacker, ein Cousin des viel jüngeren Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Er sollte in Paris Verbindung zu den Alliierten knüpfen. Seine Beteiligung am Widerstand war jedoch keineswegs selbstverständlich. Anfang der 1920er Jahre fiel der Student Hofacker eher durch nationalistische, auch antisemitische Töne auf. Seine Enkelin Valerie Riedesel zeichnet die Entwicklung ihres Großvaters in einer kritischen Biographie nach: „Der Flieger im Widerstand. Cäsar von Hofacker, das Stauffenberg-Attentat und der Umsturz in Paris“.
Lesezeichen Meine Hauptfigur und ich teilen eine Lebensrealität - Mirrianne Mahn über ihren Roman „Issa“
Es gibt eine Frage, die kann Mirrianne Mahn nicht mehr hören, nämlich: Woher kommst du? Die kurze Antwort: Sie ist in Kamerun geboren und im Hunsrück aufgewachsen. Die lange, und viel schönere Antwort aber ist ihr Roman „Issa“: Issa ist schwanger und steckt mitten in einem Familienstreit. Um Abstand zu gewinnen, reist Issa zu ihren Großmüttern nach Kamerun. Dort kommt sie aber erst mal nicht zur Ruhe. Sie soll nämlich verschiedene Rituale vollziehen.
„Issa“ ist der erste Roman von Mirrianne Mahn, die in Kamerun geboren und im Hunsrück aufgewachsen ist. Bisher engagierte sie sich als Theatermacherin gegen Rassismus. Außerdem ist sie Stadtverordnete in Frankfurt. Mit „Issa“ gelingt ihr auf Anhieb ein packender und überzeugender Debütroman.
Lesezeichen Leise, flirrend, intensiv – Elvis Presley in der Lyrik von Doris Vogel
Neben der Malerei hat die 35jährige Künstlerin aus dem württembergischen Eislingen schon früh das Schreiben für sich entdeckt. Und auch die Begeisterung für die Songs von Elvis Presley wurde bereits in Kindertagen geweckt. Nach jahrelanger Beschäftigung mit Leben und Mythos des King of Rock`n Roll hat sie in ihrem ersten Gedichtband überhaupt ein lyrisches Portrait dieses Musikgiganten entworfen, das sich aus vielen Perspektiven und mehr als 100 Gedichten speist. Eine kunstvolle, originelle und bereichernde Annäherung – keineswegs nur für Elvis-Fans.
Literatur Aufbruch und Vergangenheit – Der Roman „Waldeck“ von Jürgen Heimbach zeigt BRD der frühen 60er Jahre
Zwei Altnazis, ein Journalist, der ihre Vergangenheit aufdecken will, und zwei junge Frauen mit starkem Freiheitsdrang sind die Hauptfiguren in dem aktuellen Kriminalroman von Jürgen Heimbach. Die Geschichte spielt 1964 und ist ein Spiegel der gesellschaftlichen Strömungen in jener Zeit. Die Fäden laufen am Schluss auf dem Gelände des Waldeckfestivals zusammen, das damals seinen Anfang nahm und gerade 60. Geburtstag feiert.
Literatur „Großonkel Pauls Geigenbogen“ von Romeo Franz und Alexandra Senfft
Seit mehr als 600 Jahren leben Sinti in Deutschland, Roma seit 200 Jahren. Sie wurden lange systematisch aus der deutschen Gesellschaft ausgeschlossen und erfahren bis heute Diskriminierung.
Der Sinto Romeo Franz, Jahrgang 1966, dessen Familie aus Preußen und Pommern stammt, schildert in „Großonkel Pauls Geigenbogen“ seine Familiengeschichte, die Alexandra Senfft akribisch recherchiert und aufgeschrieben hat. Das Buch versteht sich als ein Plädoyer gegen Diskriminierung, ein Thema, das gerade angesichts der rechtsextremen Pläne einer sogenannten „Remigration“ sehr aktuell ist.